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Rezension: Der ewige Krieg

Im Jahr 2010 befindet sich die Menschheit im Krieg – die geheimnisvollen Taurer aus dem gleichnamigen Sternbild versuchen den Aufbruch der Menschen in die Galaxis aufzuhalten. Mit der Technik des Kollapsensprungs ist es möglich geworden, große Distanzen zu überwinden, allerdings verlaufen die Zeitlinien der Springenden und der restlichen Menschen sehr unterschiedlich – während die Soldaten nur wenige Jahre Dienstzeit tatsächlich erleben, vergehen in der Heimat Jahrzehnte.

Auf der Erde wird indes kräftig aufgerüstet, um sich dem Feind stellen zu können: Mit der Gründung der FAVN – der Forschungs-Armee der Vereinten Nationen – erhält dieses Kriegsbegehren auch den geeigneten Motor, die Gesellschaft schreit nach Vergeltung und Rache für die Angriffe der Taurer.

Auch William Mandella, ein junger Physikstudent, wird zur Armee eingezogen und muss die extrem harte Ausbildung zu einem Mitglied der Elite durchlaufen und überleben – bei der es schon am dritten Tag das erste Todesopfer gibt, da die Soldaten in der lebensfeindlichen Umgebung des Planeten Charon trainieren, die keinerlei Fehler vergibt.

Als die Kampfgruppe Mandellas in ihrem ersten Kampfeinsatzgebiet Kontakt mit fremdartiger Flora und Fauna machen, stoßen sie auch bald auf eine Basis der Taurer. Doch die eigentliche Gefahr lauert in ihren Köpfen: Vor dem Angriff auf die Basis aktiviert der führende Offizier eine Art Bewusstseinsprogramm, welches die Soldaten in einen Blutrausch fallen und zu tötungswütigen Berserkern werden lässt. Im Taumel der Gewalt vernichten sie den Feind nicht nur, sondern hinterlassen ein wahres Schlachtfest der Vernichtung...

Diese bei Carlsen Comics erschienene gebundene Gesamtausgabe umfasst die drei Einzelbände 'Die Tauren', 'Rückkehr in die Zukunft' und 'Index', die sich sehr stark an der literarischen und vielfach zu recht preisgekrönten Originalvorlage 'Der ewige Krieg' orientiert.
Der Blick in eine nicht allzu unwahrscheinliche Zukunft beschreibt eine Dystopie, in der über mehrere Jahrhunderte hinweg Krieg herrscht, an dessen ursprünglichen Grund sich irgendwann niemand mehr wirklich erinnern kann. Der Autor Joe Haldeman beschreibt in einer eindrücklichen Erzählweise die Realität des Kriegsalltags und den Umgang der einzelnen Soldaten mit diesem, wobei deutlich wird, dass Haldeman als Vietnam-Veteran sehr viele eigene Eindrücke verarbeitet und veranschaulicht.

Die Schwierigkeiten eines Soldaten, der lange außerhalb der Gesellschaft unterwegs war und mit den Veränderungen in dieser immer weniger zurecht kommt, bis er selbst auf seine Mitmenschen schon so fremdartig wirkt wie die Gegner des Krieges, werden sehr unmittelbar vermittelt. Auch die wachsende Abgestumpftheit des Protagonisten gegenüber des allgegenwärtigen Todes und der Lebensgefahr wird mehr und mehr greifbar, ebenso das unmenschlicher und distanzierter werdende Gesamtsystem.

Der Weg Mandellas innerhalb des ewig währenden Krieges lässt ihm nur wenig Freude zurück, selbst die sich mit einer Kameradin abzeichnende Romanze wirkt inmitten der Kriegsgesellschaft wie eine einsame, seltsame Blume, die in jener kaum wirklich überleben kann und bleibt über die gesamte Dauer der Geschichte bittersüß, kann nur einige wenige Lichtpunkte in eine insgesamt eher deprimierende und kraftzehrende Existenz bringen.
Würde sich das Lesen nicht schon wegen der literarischen Vorlage lohnen, so liefert die grafische Umsetzung die restlichen Argumente: Marvano kann durch einen ruhigen, realistischen Zeichenstil und ein klares, klassiches Pinsel-Inking überzeugen, in der die Abwechslung zwischen Closeups und hintergrundreichen Panels geschickt gewählt ist und den Leser niemals überfrachtet, sondern geschickt von der persönlichen Ebene zu allgemeinem Geschehen und generellen Umgebungsdarstellungen übergeht.

Durch die gute Darstellung der technischen und modistischen Details wird auch visuell die Weiterentwicklung der Menschheit gezeigt, auch die große Anzahl der beteiligten Soldaten mit unterschiedlichen Charakteristika bringt Marvano nicht ins Schleudern, man erkennt die Gesichter stets wieder, was gerade bei Gesprächen das Leseverständnis sehr erleichtert. Allenfalls bei Gesprächen wirkt irritierend, dass die Personen selten den Mund öffnen, und dies nur als Stilmittel der Extreme bei starken Gefühlsregungen benutzt wird.
Die gedeckten Farben von Colorist Bruno Marchand stellen Actionszenen sehr bewusst durch leuchtendes Rot für Blut heraus, während alle anderen Szenerien sparsam und sehr bewusst passend zum Grundtenor des Geschehens eingefärbt sind; auch hier wird deutlich, dass das Gesamtpaket aus Story, Zeichnung und Farbe mit Geschick und Können zusammengestellt wurde und alle Beteiligten mit Herzblut bei der Arbeit waren, um die ungewöhnliche Geschichte gelungen visuell umzusetzen.

Fazit: Eine berührende SciFi-Anti-Kriegsgeschichte mit vielen Facetten, die sehr gelungen grafisch umgesetzt wurde, dazu noch Bonusmaterial über den Autor und seine Vietnam-Erlebnisse – definitiv eine der besten Comic-Umsetzungen der letzten Jahre und damit eine Empfehlung für jeden, der Comics mit Tiefgang zu schätzen weiß. Neun von zehn möglichen Punkten.

Buchdaten:
Titel: Der ewige Krieg
Originaltitel: Forever War
Text: Joe Haldeman
Übersetzung: Ute Eichler, Uta Schmidt-Burgk & Marcel Le Comte (Sekundär literarischer Teil)
Zeichnungen: Mark Marvano
Verlag: Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-78374-5, 170 Seiten, 2011

Über Gloria H. Manderfeld

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