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Rezension: Zeit der Krähen (Lied von Eis und Feuer, Band 7)

Nach König Joffreys und Lord Tywins schrecklichen Toden gibt es für Cersei Lennister, die Königin-Regentin, nur noch ein Ziel: Mit allen Mitteln versucht sie die Herrschaft für ihren zweiten Sohn Tommen zu sichern, dessen Reich von allen Seiten bedroht ist. Doch anstatt sich kompetente Hilfe von verlässlichen und erfahrenen Männern zu suchen, besetzt sie den neuen Rat des Königs mit Speichelleckern, Jasagern und sogar einem ehemaligen, gefallenen Maester – und das Unheil nimmt seinen Lauf. 
Immer auf der Jagd nach eventuellen Abweichlern oder Verschwörern sucht sie den Einfluss des Hauses Tyrell so gering wie möglich zu halten, doch muss sie den Herren von Rosengarten bald ein schweres Zugeständnis machen...

Auf den Eiseninseln kehrt ebenso keine Ruhe ein: König Balon Graufreud ist nicht mehr, und nun recken sich viele Hände gierig nach der Treibholzkrone, welche die Herrschaft über die Eiserne Flotte und alle Kapitäne einbringt. Aeron Feuchthaar, der erwählte Prophet des Ertrunkenen Gottes und einer der Brüder Balons, sieht sich mit der Rückkehr seines ungeliebten ältesten Bruders Euron Krähenauge konfrontiert, der mit seinem Wunschkandidaten und zweitältesten Bruder Victarion, um die Krone konkurriert. 
Auf einem Königsthing müssen die ungleichen Brüder (und zudem Balons Tochter Asha) um die Gunst der eigenwilligen Eisenmänner ringen – und Eurons Versprechungen von Reichtümern scheinen die Kapitäne mehr zu locken als die Aussicht auf Frieden …

Brienne, die Jungfer von Tarth, muss durch das vom Krieg verheerte Land ziehen, um ihren Eid, den sie Jaime Lennister gegeben hat, halten zu können – auf der Suche nach Sansa Stark kann sie niemandem trauen, denn sie ist nicht die einzige, die nach dem verloren gegangenen Mädchen sucht. Dabei kann sie nicht ahnen, dass diese längst in der trügerischen Sicherheit des grünen Tals in Hohenehr weilt – und gemeinsam mit Petyr Baelish, dem amtierenden Lordprotektor sowie Witwer der zu Tode gestürzten Lysa Arryn erklären muss, warum diese zu Tode kam.

Samwell Tarly hat ebenfalls eine Aufgabe übernommen, die sich mehr als schwierig erweist – um Maester Aemon vor dem mörderischen Blutsbegehren von König Stannis zu schützen, soll der 'Töter' den Greis sicher zur Citadel in Altsass bringen. Doch die Überfahrt setzt der Gesundheit des weisen alten Mannes sehr zu, ebenso der Verrat eines geschworenen Bruders. 
Arya Starks Reise neigt sich erst einmal einem Ende zu – nachdem sie Braavos erreicht hat, sucht sie im Tempel des Vielgesichtigen Gottes Zuflucht, und muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen, um dort willkommen zu sein … und im Süden, in Dorne, braut sich um Prinzessin Myrcella eine Verschwörung zusammen, deren Ausgang mehr als ungewiss ist....


Angesichts eines fast 600 Seiten starken Wälzers ist die Aussage, die ich zu Band 7 treffen muss, wahrscheinlich erstaunlich: In Westeros nicht viel Neues! Doch darf man hierbei nicht vergessen, dass die englische Originalausgabe sowohl Band 7 als auch Band 8 in einem umfasst, und die begonnenen Spannungsbögen also dank deutscher Vermarktungspolitik der Verlage gar nicht abgeschlossen sein können. Somit kann hier nur ein 'halbes' Buch rezensiert werden – und ebenso nur der Beginn der Handlungsstränge, die in Band 8 ihre Fortsetzung (und teilweise Auflösung) finden.
Nachdem Martin seiner Gewohnheit, immer mal wieder Charaktere umzubringen, um den Fortgang der Handlung dramatisch zu drehen, in den Vorgängerbänden sehr treu geblieben ist, ist Band 7 erstaunlich leichenfrei. Vielmehr hat die Handlung nun eine Art Ruhepunkt erreicht, an dem verschiedene Parteien ihre Kräfte sammeln und versuchen, mit der geänderten Situation klarzukommen. 

Die Passagen, die sich mit Cerseis Innenleben, den Rückblicken auf ihre Vergangenheit und ihre Ehe mit Robert Baratheon beschäftigen, lassen die intrigante Königin-Regentin in einem Licht erscheinen, in dem viele ihrer Handlungen vielleicht nicht verständlich, aber doch zumindest nachvollziehbar erscheinen. Auch ihr Verhältnis zu ihrem Zwillingsbruder wird aus einer anderen Perspektive betrachtet – und die Gründe, welche letztendlich zu ihrem Verrat an ihrem Ehemann führten. Gerade das politische Ränkespiel ihres Vaters, der ohne wirkliche Rücksicht seine Tochter verheiratet hatte, und das spätere Verhalten Robert Baratheons erhalten hier eine weitere Facette, welche die Charaktere dieser Männer neu beleuchtet. 
Dass im Hintergrund der Handlung einige Entwicklungen langsam, eher subtil voranschreiten, spricht sehr für die Erzählweise des Autors – wer diesem Gedanken folgen will, sollte auf die Beschreibung der Gläubigen der Sieben achten, die vor allem in Cerseis Lebensumgebung an Bedeutung gewinnt: Nach Jahren des Reichtums und des folgenden Krieges wenden sich immer mehr Menschen wieder dem Glauben zu und jener gewinnt durch die pure Masse an Unterstützern eine ganz andere Richtung...

Eine Introspektive anderer Art erlauben die Kapitel um Briennes Reise – immer auf der Hut vor anderen Reisenden sein zu müssen und kaum jemandem vertrauen zu können, richtet den Blick der Jungfer von Tarth naturgemäß nach innen, und der Leser erhält einen tiefen Einblick in ihre Entwicklung seit ihrer Kindheit. 
Der große Nachteil dieser Erzählweise zeigt sich allerdings im recht zäh wirkenden Dahinziehen der Reise-Kapitel – da der Leser bereits weiß, dass Brienne Sansa in der Gegend, in der sie ihre Suche beginnt, nicht finden kann, wird viel Spannung im Voraus zerstört, wirken die ausführlichen Schilderungen des verwüsteten und vom Krieg zerstörten Landschaft nach einer gewissen Zeit ermüdend und wenig ansprechend. Andere Blickpunkte bleiben hingegen recht mager beschrieben – gerade Aryas Schicksal und der Tempel des Vielgesichtigen Gottes in Braavos hätten etwas mehr Raum verdient, ebenso die sich entwickelnde Intrige in Dorne um Prinzessin Myrcella und deren Hofstaat.

Einen gelungenen Gegenpunkt zum höfischen Treiben der Mittelreiche hingegen bietet der Handlungsstrang um Aeron Feuchthaar und die Krönung eines neuen Königs der Inseln; sowohl durch die Schilderung der verschiedenen Interessen und Persönlichkeiten als auch durch die genauere Betrachtung der Sitten auf den Eiseninseln erhält hier ein Machtbereich seine Würdigung, der bislang eher nur am Rande von Wichtigkeit war. 
Damit dürfte auch klar sein, dass den Eisenmännern in Zukunft eine wichtigere Rolle zukommen wird als bisher – mit einem König an der Spitze sind die plündernden Seeleute ganz sicher eine Bedrohung für das kriegsgeplagte Land der mittleren Reiche – und kein Autor würde eine Nebenhandlung über mehrere Kapitel aufbauen, wenn er sie dann wieder in der Versenkung verschwinden lassen will.

Wer auf harte Action gehofft hat, wird mit dem langsamen Tempo des vorliegenden Bandes sicherlich Schwierigkeiten haben. Gerade die langen Reisebeschreibungen sind für den Geduldsfaden eines Lesers nicht immer die beste Medizin, und so fällt 'Zeit der Krähen' eine sehr unglückliche Stellung in der bisherigen Reihe zu – die eines Zwischenbandes, welcher vorhandene Erzählstränge weiterführen muss, aber (wie oben erwähnt) durch den fehlenden zweiten Teil des Buches keine wirkliche Spannung aufbaut. 
Auch das Fehlen liebgewonnener Charaktere wie Tyrion Lennister, Daenerys oder Jon Schnee und den Ereignissen an der Mauer lässt einen schalen Nachgeschmack zurück. Es ist nachvollziehbar, dass ein Autor (wie von Martin im Buch selbst erklärt) versucht, die Geschichten der einzelnen Handelnden so kompakt wie möglich zu verpacken, aber damit bricht er mit der bisherigen Erzähltradition der Vorgängerbände, die alle Situationen direkt nebeneinander beleuchtet haben. Schade, dass es trotz der vielschichtigen und interessanten Erzählweise für 'Zeit der Krähen' dann doch einige Punkte gibt, die das Lesevergnügen merklich schmälern.

Fazit: Ein Zwischenband innerhalb einer langen Reihe, der Handlungsstränge weiterführt, aber noch keinen rechten Schwung gewinnt. Für Fans ein Muss, für Nichtkenner kein guter Einstieg. Sechs von zehn Punkten.

Buchdetails:
Reihe: Das Lied von Eis und Feuer, Band 7
Titel: Zeit der Krähen
Autor: George R. R. Martin
Übersetzer: Andreas Helweg
Buch/Verlagsdaten: blanvalet, April 2010, 567 Seiten Paperback mit Klappbroschur, ISBN-13: 978-3442268597, 15 €

Über Gloria H. Manderfeld

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