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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Schattenmanöver



Vermutlich war es der größte Lacher dieser Mission, dass sich auf einem Planeten wie Coruscant alles und nichts gleichzeitig ereignen konnte. Ungeahnte Möglichkeiten, und doch dieselben engen Grenzen, wenn man sie im Geiste mit sich dorthin schleppte. Diese Grenzen waren durch das Ministerium gesteckt, und spätestens in dieser zweiten Missionswoche auf Triple-Zero war diese Erkenntnis wohl auch bei ihren Kameraden angekommen.
Am letzten Abend dieser Woche hatte sie sich vor das HQ zurückgezogen, um alleine mit einer Zigarette zu sein. Niemand, den Lienas maßregeln musste, niemand, den sie aufrichten musste, einfach nur alleine mit ihren Gedanken. In dieser Woche hatte der Spaß sein Ende gefunden, auf eine abrupte Art und Weise, die sie selbst noch verarbeiten musste. Dabei hatte es recht harmlos begonnen. Sie waren der Einladung der Black Weapons in deren Hauptquartier gefolgt und hatten es sich dort gemütlich gemacht - bei Freigetränken und Gesprächen hatte man sich gegenseitig ein bisschen beschnuppert und kennengelernt.

Selbst Face - Saspirinowitsch hatte dank seiner auffälligen Gesichtstätowierung genau diesen Decknahmen geradezu erbettelt - und der neue Kampfdroide Sequra hatten ihren Spaß gehabt, wenngleich einiges davon auf Lienas' Kosten gegangen war. Es war faszinierend, wieviele zotige Scherze man hören konnte, wenn man den Soldaten ein bisschen die Leine locker ließ. Insgeheim war Lienas froh darum, als Offizier ein Einzelquartier bewohnen zu müssen, das geballte Maß an kameradschaftlicher Frotzelei wäre ihr sicher irgendwann auf die Nerven gegangen.
Dennoch war der Abend nicht ohne ein gewisses Maß an notwendiger Disziplinierung abgegangen - kaum alleine gelassen, damit sich der Chef der Black Weapons, JP und Bluebird besprechen konnten, wurde auch schon geschossen. Es hatte sich später als harmlose Zielübung herausgestellt, aber Grund genug, energisch einzugreifen. Wenn sie bei denen, die sie durch ihre Professionalität beeindrucken sollten, wie die Wilden auftraten, lief definitiv was falsch. Zumindest waren sie mit einem neuen Ziel aus diesem Abend herausgegangen und beschwert hatte sich auch niemand über die bunte Truppe erschreckend gut geschauspielerter Söldner. 

Die Männer hatten sich gut amüsiert, wenngleich Narnian - Private Olin - seine dauernde Spinnenthematik künftig würde einschränken müssen, ihr Befehl dazu war eindeutig gewesen. Inzwischen hatte sie das Gefühl, dass sie irgendwann zu schreien beginnen würde, wenn er wieder von der Jagd auf Achtbeiniges anfangen würde, von Goz' Gesichtsausdruck ganz zu schweigen. 
Es war eine Sache, einem catharischen Jagdtrieb nachzugeben, der offensichtlich im größeren Ausmaß vorhanden war, und eine andere, den Kameraden damit dermaßen auf den Sack zu gehen, dass deswegen immer wieder Unruhe entstand.
Und warum Face auf die seltsame Idee gekommen war, man müsse an Sequras metallenes Gesicht Lippen dranschrauben und diese dann mit Lippenstift, den er von Lienas hatte haben wollen, zu bemalen, wollte sie gar nicht wissen. Warum auch immer alle Soldaten der Ansicht gewesen waren, sie müsste welchen bei sich führen - dabei trug sie selbst im regulären Dienst so gut wie niemals Schminke. Wäre Lieutenant Hawkwood dabei gewesen, hätte sie gewusst, wo man Lippenstift bekam, aber vermutlich hätte die Verwaltungsoffizierin schon angesichts des übel abgeranzten Hauptquartiers für die Söldner-Soldaten der Schlag getroffen. Kaum auszumalen, was sie angesichts der Sanitärvorfälle in der ersten Woche gesagt hätte ...

Während sich die anderen mit Routineaufgaben beschäftigten und dabei waren, sich auf das Hauptziel der Woche vorzubereiten, hatte Lienas die Gelegenheit genutzt, sich von der Truppe abzusetzen. Es war leicht, auf Coruscant in der Menge zu verschwinden, und sie hatte zufrieden festgestellt, dass sie die alten Tricks noch immer beherrschte, um sich nahezu unsichtbar zu machen. Immer wieder hatte sie kontrolliert, ob ihr jemand gefolgt war, und spätestens, nachdem sie auf einer Cantinatoilette ihr blaues Haar mit einer Mütze und die Augen durch eine Sonnenbrille abgetarnt hatte, hatte sich Bluebirds Spur verwischt. Ein bisschen besere Wegwerfkleidung dazu, und fertig war die Passantin, welche sich über mehrere Ebenen hinaufbewegen konnte, ohne aufzufallen.
Ihr Ziel war der Valiant District gewesen, nachdem sie an einem schon vor langer Zeit angemieteten Aufbewahrungsfach an einem anonymen Transfertaxipunkt eine Keycard abgeholt hatte. Das war definitiv einer der schöneren Teile des Planeten, ein Wohndistrikt für Soldaten und Veteranen. Von den Straßen hätte man hier essen können - während in Sektor 37C das Essen auf den Straßen lag und diesen durch pelzige Texturen ein besonderes Flair verlieh. Selbst die flanierenden Bürger - republiksgemäß eine sehr abenteuerliche Mischung verschiedenster Rassen, von denen sie einige nicht einmal auf Anhieb erkannte - wirkten deutlich ordentlicher, während sie die blitzblank hergerichteten Shops besuchten oder ein bisschen Freizeit mit Freunden vertrödelten. 

Hier kam ihr zugute, dass sie selbst Soldatin war, eine gewisse Art zu laufen und schon fragte einen niemand mehr, wer man war und wohin man gehen wollte. Das war das größte Geheimnis einer erfolgreichen Tarnung - man musste alle Erwartungen einer Umgebung erfüllen, dann ging man in der Menge unter. 
Als sie die Wohnung betrat, welche das Ziel ihrer Unternehmung war, hatte sie sich um mehrere Überwachungskameras herumgemogelt, aber nicht alle vermeiden können. Wenigstens hatte sie einige wichtige Konturen ihres Gesichts verbergen können - und dieser Besuch war notwendig. Drei Zimmer, dazu eine Küche und ein großzügiges Badezimmer mit Wanne. Ein leichtes Luftschnappen angesichts so viel Luxus hatte sie nicht vermeiden können, und natürlich verglich sie insgeheim diese Üppigkeit mit der Funktionalität der anderen Wohnung, für die sie den Zugangscode besaß. Im Grunde waren diese beiden Wohnungen ein schreiender Gegensatz. 
Hier gab es hölzerne, helle Möbel, dazu bunte Filmposter an den Wänden, riesige Fenster mit einem atemberaubenden Blick auf Triple-Zero. Und eine Hausbaur, die aus einem ausrangierten und aufgehübschten Munitionscontainer bestand - allein die darin lagernden Werte hätten vermutlich für einen ausgiebigen Urlaub gereicht.
Die andere Wohnung, bestehend aus einer Wohnküche, einem Balkon, einem kleinen Bad und einem kleinen Schlafraum hingegen war sehr viel zweckmäßiger, und die Aussicht erschöpfte sich mit dem immerwährenden Regen und einem nassen Blick auf Kaas City. Sie hatte bisher immer mehr durch die Anwesenheit des Besitzers gewirkt als durch die Einrichtung, aber vermutlich lag ihr diese Art der Wohnsituation schon alleine deswegen mehr, weil sie daran gewöhnt war.

Ihre Erkundung der Wohnung hatte sie schließlich abgebrochen, mit einem Mittelding an Wut und Unbehagen im Bauch. Ein Ort wie dieser war der Grund, warum sie sich niemals eine Wohnung angeschafft hatte. Alles darin sprach von der Persönlichkeit des Mannes, dem sie gehörte, legte sein Inneres für einen geübten Beobachter bloß - und die subtile Dekadenz, diese Ansammlung an persönlichem Luxus, im alltäglichen Sein sehen zu müssen, brachte sie schließlich dazu, in der üppig mit neuester Technik eingerichteten Küche nach etwas Essbarem zu stöbern. 
Natürlich waren keine frischen Waren zu finden, dafür war er auch zu lange im Einsatz, aber eine Packung Schokomüsli gab es dann doch. Sich mit einer großen Schale davon auf seinem Sofa bequem machend, betrachtete sie eine lange Zeit den vor den Fenstern vorbeifließenden Verkehr. Es hatte etwas von einem Aquarium - es geschah immer etwas, das man beobachten konnte, dazu das unglaublich zuckrig-süße Müsli, das sehr viel intensiver schmeckte als imperiale Produkte. Die Wohnung nach einer Weile wieder hinter sich lassend, kündeten nur eine umgedrehte, sauber abgespülte Müslischale im Waschbecken, ein ebenso sauberer Löffel und die geöffnete Müslipackung im Schrank von ihrem Besuch, dazu ein darin tief ins Müsli geschobener Datenstick, welcher der eigentliche Grund für diesen Ausflug gewesen war. An diesem Abend war ihr der Kontrast zu der schäbigen Unterbringung in Sektor 37C und ihrem eigenen Quartier in Fort Asha umso deutlicher aufgefallen. 
Würde sie sich jemals eine eigene Wohnung zulegen? Und das dazugehörige Leben, um diese Wohnung dann auch zu füllen? Noch immer konnte sie es sich nicht vorstellen. 

Der Abend darauf, an dem sie mit ihrem Schüler eine Feldübung durchgeführt hatte, war schon weitaus mehr nach ihrem Geschmack gewesen. Endlich konnte sich in feindlicher Umgebung erweisen, ob und wieviel PFC Avanum Jiros - hier als 'Dice' unterwegs, eine Tarnidentität als notorischer Spieler - über die Anpassung und Verstellung gelernt hatte. Sie waren schlichtweg ausgegangen, hatten sich ein bisschen weiter in ihre Tarn-IDs eingespielt und einen brauchbaren Club besucht, getanzt, ein paar Drinks genommen, den Abend in aller Ruhe verbracht. Und zweifellos besaß Dice Talent für diese Art der Arbeit. 
Er war in seine Rolle geschlüpft wie eine Hand in einen passgenau gefertigten Handschuh. Zwischendrin konnte Lienas zwar immernoch die eigentliche Persönlichkeit ihres Schülers hervorblitzen sehen, aber es gelang ihm sehr gut, sich in seine neue Identität hineinzudenken. Selbst zum Tanzen hatte er sich überwunden, während sie, ganz in ihrer Rolle, die Unwillige mimte und sich reichlich Mühe geben musste, dabei auch zu wirken, als hätte sie Probleme mit den Bewegungen. Innerlich hätte sie sich über diesen Umstand totlachen können, äußerlich natürlich führte sie die Frotzelei weiter, die sie begonnen hatten. 

Auch dieser Abend hatte ihr eine Erkenntnis gebracht - dass sie sich an Jiros gewöhnt hatte. Seit neun Monaten bildete sie ihn schon aus, und dienstlich gesehen war er neben ihrem Vorgesetzten und ihrem Adjutanten die größte Konstante in ihrem Alltag. Dazu kam noch seine Wissbegierde - sie machte sich wenig Illusionen über seine Zukunft. Wenn die Zeit seiner Ausbildung vorüber war, würde er sich fortentwickeln, andere Wege gehen als sie - aber wenn er dabei überlebte und seine Missionen gut erfüllte, dann hatte sie nichts falsch gemacht. 
Zu lehren hiess auch, irgendwann loszulassen, und nach diesem Abend wurde ihr einmal mehr deutlich, dass es ihr nicht so leicht fallen würde, auf seine dauernden Frechheiten und seine Hintergründigkeit zu verzichten. Mit der Zeit hatte sie sich schlichtweg an seine Art gewöhnt, an seine Denkweise und wie er Dinge anpackte.

Sich eine neue Zigarette ansteckend, wechselte sie ihren Standort und suchte sich eine Ecke, an der sie nicht direkt den irgendwie fäkalienlastigen Gestank aus einem Abfallschacht ins Gesicht geweht bekommen würde, dann ließ sie den entscheidenden Abend dieser Woche durch den Kopf gehen. Sie hatten sich eine Cantina namens 'Mystic Forest' als Ziel gesetzt, die einer mit den Black Weapons verfeindeteten Gang gehörte und einige Ebenen über 37C lokalisiert war. Es war ihr schon bei der Besprechung mit Bouncer klar gewesen, dass dieser Auftrag einigen der Soldaten nicht schmecken würde, aber auch das gehörte zur Arbeit - manche Dinge musste man schlucken. Denn sie waren gebeten worden, Terror zu verbreten, je mehr, desto besser. 
Ihr Besuch in dieser Cantina sollte ein deutliches Zeichen setzen, und ein solches Zeichen setzte man am Besten und Nachdrücklichsten mit Blut. Während Lienas und JP mit ihren Scharfschützengewehren die Sicherung des Abzugsgebietes übernahmen, rückte die kleine Truppe unter Führung von Rayne und Goz vor - nicht ohne sich auf einer Promenade mit ausgesprochen lästigen Händlern und Straßenkünstlern herumschlagen zu müssen. 

Als sie sich endlich der geballten Verkaufswilligkeit ihrer Umgebung hatten entziehen können, war Rayne um einen 'Der Untergang naht' Sticker reicher gewesen und Narnian sowie Dice hatten neue Erfahrungen im Abwimmeln einer offensichtlich brünftigen Cathar-Künstlerin sammeln dürfen. Die Cantina selbst war durch recht aufmerksame Security bewacht worden, welche die waffenstarrenden Söldner gar nicht erst hatten einlassen wollen. Nachdem es auch Fist nicht gelungen war, die Sicherheitsanlagen lahmzulegen und für Ablenkung zu sorgen, blieb nur der Sturmangriff gegen Gäste, Einrichtung und Security gleichermaßen. 
Die Söldnertruppe hatte sich mit unglaublicher Zerstörungswut durch den Laden gemäht und die Security ausgeschaltet - aber auch die CSF war alarmiert worden, und so mussten sie der Schnelligkeit vor der Gründlichkeit den Vorzug geben. Ein paar geworfene Brandsätze und Granaten später hatten sich die schicken Holobäume und die Bar samt einer Sitzecke in Trümmer aufgelöst, dann war es auch schon höchste Zeit zu verschwinden.
Wieso auch immer sie so früh auf dem Plan erschienen, es war fast zu eng gewesen. Die Flucht mit dem verlotterten Transporter war nur gelungen, weil JP schließlich die gepanzerten Transporter der CSF abgehängt hatte. Auch Lienas war es nur mit einigen alten Tricks gelungen, ihren Scharfschützenposten zu verlassen und in den Schatten der Stadt abzutauchen. 

Entsprechend gedrückt war die Stimmung bei ihrer Rückkehr gewesen - so richtig zufrieden war niemand mit dem Ausgang des Abends gewesen, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. JP hatte sich über den misslungenen Zeitplan geärgert, Fist über die Tatsache, dass er seine eigentliche Aufgabe, ihr Anrücken und ihren Abzug elektronisch zu decken, vergeigt hatte. Rayne hatte das insgesamt eher planlose Vorgehen geärgert, Goz konnte dank Knalltrauma nichts mehr hören, hatte seinen Unmut über die Tatsache, dass sie auch Zivilisten zu Kollateralschäden hatten machen müssen, aber laut herausgebrüllt. Narnian grollte vermutlich noch immer wegen dem Spinnenverbot und der einzige, der an diesem Abend wirklich glücklich schien, war Dice - weil er endlich mal ein paar Aliens hatte erschießen können. 
Seinen Rassismus würde er wirklich zu kontrollieren lernen müssen, für verdeckte Taktiken durfte man sich solches nicht leisten, vor allem nicht, wenn man im Feindgebiet unterwegs war. Und sie selbst? Sie war einfach nur müde und versuchte, es mit einer Zigarette zu richten. Gut, dass sie abfliegen würden, und nun zwei Wochen Ruhe anstanden, in denen sie sich darum kümmern konnte, dass alle ihre Wunden leckten. So war es immer mit Schattenmanövern - ihre Wirkung war unvorhersehbar, sie kosteten unglaublich viel Kraft und noch mehr innere Stärke, um nicht als blutgieriger Irrer daraus hervorzugehen. Während sie den Rauch in den Smog der tieferen Ebenen Coruscants blies, schloß Lienas für einige Momente lang die Augen und versuchte, an gar nichts anderes zu denken denn nur die Gegenwart.

Über Gloria H. Manderfeld

2 Eure Meinung zu den Nerd-Gedanken:

  1. Ich mag deinen Schreibstil und man könnte fast Sympathie mit deinen Charakteren hegen. Leider stehen sie auf der falschen Seite. ;D

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    1. Ach ...wenn Du sie dennoch magst, hab ich ja nichts falsch gemacht ;) ideologische Schwierigkeiten gibt es immer. Und ...die Handelnden hier sind alles Spielerchars. ^^

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