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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Damals und heute




Ruhig schritt Admiral Rory van Arden die Brücke über den Kommandograben entlang und lauschte den leisen Geräuschen, welche die arbeitenden Besatzungsmitglieder verursachten. Leise Besprechungen bei den Astrogatoren, während die Leute an den Sicherheitskonsolen sich über den derzeitigen Wachplan austauschten. Vertraute Geräusche, wie an jedem Tag, nichts, das die Routine des Schiffs in irgendeiner Form unterbrochen hätte. Das Flaggschiff der 27. Flotte war ein Sinnbild imperialer Effizienz und Ordnung, wie es der Admiral schätzte - der Harrower "Confidence" war sein ganzer Stolz, und er bildete sich gerne ein, fast jede Schraube und jede Durastahlplatte des knapp achthundert Meter langen Großkampfschlachtschiffes zu kennen.
Seiner ruhigen Haltung waren die vielen Gedanken, die seit Tagen, wenn nicht sogar Wochen in seinem Kopf kreisten, nicht anzusehen. Das gerade mal zwei Stunden zurückliegende Holocom-Gespräch mit seiner ältesten Tochter nagte mehr an ihm, als er es jemals zugegeben hatte. Vor allem, weil es kein Gespräch gewesen war, sondern ein recht unbeherrschtes gegenseitiges Anbrüllen.

Während sich Rory van Arden in der spiegelnden Scheibe des Fensters auf der Kommandobrücke betrachtete, verloren sich seine Gedanken in der Vergangenheit. Als sein Gesicht noch keine Falten gehabt hatte und sein Körper noch straff und muskulös gewesen war. Auch damals hatte er nicht viel Zeit zuhause verbracht, die drei Kinder nur gesehen, wenn sein Schiff im Orbit gelegen hatte. Sie waren so schnell gewachsen, so schnell ihrer sorglosen Kindheit entwachsen, dass er oft das Gefühl gehabt hatte, bei jedem weiteren Landgang auf neue Menschen zu treffen. 
Dieses Gefühl war bei Lienas, seiner Ältesten, inzwischen mit aller Macht zurückgekehrt, auch wenn er sie inzwischen besser verstand. Nach all den Jahren ihrer stillen Rebellion gegen seinen Wunsch, sie in der imperialen Navy Karriere machen zu sehen, hatte er nach ihrer Versetzung zum Sturmregiment gehofft, sie wäre endlich zur Ruhe gekommen. Aber alle Berichte über sie deuteten anderes an. Vor allem die Krankenakten, die er sich mit schöner Regelmäßigkeit übermitteln ließ. Sie schonte sich nicht, und sie kämpfte direkt an der Front mit, wurde verletzt, gesundete, und tat es gleich wieder. Als wollte sie sterben, oder zumindest den Punkt ausreizen, an dem sie ihre Grenzen erkannte.

Die Augen für einige Momente schließend, wandte Rory seinen Leuten den Rücken zu und legte die Hände auf Hüfthöhe ineinander. Am liebsten hätte er seine Tochter bei den Schultern gepackt und geschüttelt. Wenn er auch nur einen Moment lang hätte denken können, dass er damit einen Erfolg erzielen würde, hätte er es vermutlich sogar getan. 
Dass sie sich gegenseitig anbrüllten, war erst in den letzten Jahren überhaupt entstanden. Früher hatte es vor allem eisige Höflichkeit gegeben. Er glaubte noch immer, dass ihre Entscheidung, sich dem IGD anzuschließen, ein Fehler gewesen war. Aber sie hatte wider allen Erwartungen überlebt. Seine Tochter, die Älteste. Das erste Kind, dem er Windeln gewechselt, das er in den Schlaf gewiegt und dem er Plüsch-Schiffsmodelle geschenkt hatte, um sie möglichst früh für die Navy zu interessieren. Die nach einem Fläschchen auf seine Uniformschulter gekotzt hatte, zu ihm gerannt gekommen war, um ihm zu zeigen, wie gut sie mit dem Spielzeugblaster schießen konnte.
Die Tochter, die anstelle eines aufstrebenden jungen Karriereoffiziers der Captain seines Flaggschiffs hätte werden sollen und ihre Zeit nun bei der Infanterie verschwendete. Seine einzige Tochter, das Kind, das von allen dreien die Eigenschaften seines Großvaters geerbt hatte, die aus ihr nicht nur einen guten, sondern einen herausragenden Kommandanten hätte machen können, die sich aber offensichtlich lieber im Feld zusammenschießen ließ anstelle endlich einzusehen, dass ihr Platz nicht dort sein konnte. Nicht mehr.

Und die nicht verstehen wollte, wie machtlos er war, wenn es seinen ältesten Sohn anging. Ein imperialer Admiral konnte nicht einfach seine Flotte nehmen, in jetzt durch die Republik besetztes Gebiet fliegen und alles kurz und klein schießen, was den Schiffen vor die Geschütze kam. Es gab lang geplante Strategien, in denen seine Flotte an einem bestimmten Ort eine bestimmte Rolle einzunehmen hatte und von denen er nicht abweichen durfte, wenn er den geplanten Erfolg nicht gefährden wollte. Schon der Gedanke, dass Arric seinen eigenen Sohn noch nie gesehen hatte, erfüllte Rory van Arden mit düsterer Bitterkeit. 
Ein Stammhalter, der den Familiennamen an die nächste Generation weitergab, der durch Arrics Heirat sogar Landbesitz auf dem fruchtbaren Planeten Alderaan erben konnte - das war weit mehr als jemals gedacht. Es würde die seit Generationen im Navy-Dienst stehende Familie erweitern, ihr mehr Möglichkeiten geben, und das Vermächtnis seiner hart arbeitenden und strategisch denkenden Vorfahren auf eine Weise weiterführen, die auf eine lange Linie von van Ardens hoffen ließ. Ein kleines Stück Ewigkeit in Arrics Händen. Ein reizender Junge, der das helle Haar der van Ardens besaß und die Nase von Rorys Mutter.
Natürlich hatte der Admiral seinem im Kampfeinsatz verschollenen Sohn nachforschen lassen, jeden Hebel bedient, der ihm geblieben war, jeden Informanten eingespannt, der ihm einen Gefallen schuldete und eine Chance hatte, an das benötigte Wissen zu gelangen. 

Dass es am Ende seine Tochter gewesen war, welche das entscheidende Puzzleteil liefern konnte, weil sie einen Kontakt auf Republikseite hatte, hatte ihn jedoch nicht überrascht. Sie war immer gut in ihrer Arbeit gewesen, egal wie sehr er diese Arbeit auch verabscheuen mochte.
Ein Agent, der mit dreissig noch lebte, war für gewöhnlich kein schlechter Agent. Die Vorstellung, sein Sohn könnte in einer Blacksite des SID Folter oder noch Schlimmerem ausgesetzt sein, ließ den Admiral innerlich fast die Wände hochlaufen und gestaltete seit Monaten jede freie Minute zur bitteren Qual. Und doch blieben seine Hände gebunden. Er konnte nicht einmal auch nur ein Shuttle in das ehemalige Kampfgebiet schicken, durfte keinen Trupp seiner Marines entsenden, um auf dem Planeten, auf welchem Arrics Gefängnis vermutet wurde, einen Einsatz durchzuführen. Zu viel stand auf dem Spiel. 
Am liebsten hätte er die geballte Faust gegen die Scheibe geschlagen und gebrüllt, das Oberkommando verflucht, welches in die republikanische Admiralität einen Informanten geschleust hatte.
Die Sith noch viel mehr verflucht, welche mit ihren Intrigen und Kriegslisten versuchten, die Republik aus der Reserve zu locken, einer Finte zu folgen, die in einen großen Sieg für das Imperium münden konnte.
Eine Kriegslist, bei der sie sehr bedacht eine Flanke öffneten - nicht zu sehr, aber für einen geschickten Analysten irgendwann merklich - um den Feind anzulocken. 

Seine Flotte musste dafür in Stellung bleiben, in einem Hinterwäldlersystem im Outer Rim aufräumen, während andere Flotten sich bewegten. Eine verdammte Strategie, die mit vielen Wenns und Abers agierte, die Zeit brauchte, um sich zu entwickeln. Deren erste Erfolge hart erkämpft waren, und deren erste Niederlagen einen schmerzhaften, aber geplanten Blutzoll verlangt hatten. Dass sein Sohn Teil dieses Blutzolls sein musste, hatte Rory van Arden aber nicht geplant. Das konnte und wollte er auch nicht akzeptieren. Auf dem Scheideweg zwischen seiner Pflicht und der Liebe zu seinen Kindern konnte er nicht akzeptieren, dass es nur eine einzige Antwort geben durfte anstelle von zweien.
Denn das hatte ihn seine älteste Tochter inzwischen gelehrt, bei all ihrer Rebellion, bei all den Dingen, über die sie mit ihm niemals sprechen würde und die im Lauf der Jahre den Ausdruck ihrer hellen Augen verändert hatten: Es gab immer mehr als nur eine Antwort, und wenn es einen Menschen gab, der sie finden würde, dann war sie es. Er durfte zwar seine eigene Flotte nicht bewegen, aber er konnte Türen öffnen. Nach ihrer Bitte, ihr einen befreundeten Admiral zu vermitteln, um auf irgendeinem unwichtigen Planeten Informationen per Sonde einholen zu lassen, hatte er lange überlegt.

Es gab unter seinen Kollegen einige, die ohne Zögern zugestimmt hätten, weil ihnen der Name van Arden etwas galt. Dass er sich schließlich für jemanden entschieden hatte, der eine Gegenleistung verlangen würde, aber weitaus mehr möglich machen würde, wenn sie darüber hinaus Hilfe brauchen konnte. Admiral Connor Felton-Crest war ein kluger Mann im passenden Alter, der eine Chance erkannte, wenn sie sich ihm bot.
Es wurde Zeit, dass seine Tochter endlich in der Wirklichkeit ankam. Eine feste Beziehung aufbaute, selbst an Kinder dachte, dann heiratete. Offiziell schien sie mit niemandem zusammen zu sein, aber das Gemunkel auf dem Stützpunkt Fort Asha hatte er sich ebenso über einige Ecken hinterbringen lassen. Ein Captain der Infanterie wurde immer wieder genannt, zudem einer mit zweifelhaften Familienverhältnissen. Konnte das wirklich alles sein, was seine Tochter erwarten durfte?
Was Lienas immer schon gebraucht hatte, waren Hindernisse. Je schroffer er sie abwies, desto wütender würde sie werden und schließlich handeln. Mochte sie ihn auch für alles hassen, was er gerade nicht für seinen Sohn tat, Rory van Arden kannte seine Tochter. Tief in ihrem Kern war sie jemand, der immer wieder aufstehen würde, wenn sie fiel, und mit mehr Kraft weitergehen, je mehr Hindernisse sie überwinden musste. 

So, wie sie über die Angelegenheit mit Arric sprach, hatte sie etwas geplant. Ihr Blick war seit beim letzten Gespräch sehr hart geworden. So hatte sie auch geblickt, als sie sich als Kind mit ihren neuen Augen neu zu orientieren lernen musste, die erweiterten Sinneseindrücke verarbeitet hatte, jeden Tag ein bisschen mehr. Und sie hatte es letztendlich geschafft, auch wenn sie ihn dafür gehasst hatte. Diese hellen, unerbittlichen Augen, die er so sehr für sie gewollt hatte.
Manchmal musste ein Vater seinen Kindern nicht Helfer sein, sondern Hindernis, um sie wachsen zu sehen. Einige nahe und ferne Sterne betrachtend, rief sich Rory van Arden seine drei Kinder ins Gedächtnis, wie sie bei einem Ausflug in den Dschungel vor Kaas City im Matsch gespielt hatten. Unter vergnügtem Gelächter hatten sie aus riesigen Farnblättern Feldzelte gebaut und sich dann mit Matschklumpen erbitterte Schlachten geliefert, um das Farnzelt des jeweils anderen zu erobern. Am Ende war es schwer gewesen, die drei voneinander zu unterscheiden, weil sie von oben bis unten mit Dreck bedeckt gewesen waren.
Der eisige Griff der Erinnerung um sein Herz ließ ihn innerlich erbeben. Wenn man doch nur die Zeit für einige Jahre zurückdrehen könnte. Jetzt blieben nur die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass er sich in seiner ältesten Tochter nicht täuschte. Vielleicht würde Arric eines Tages seinen Sohn im Dschungel vor Kaas City Farnzelte bauen sehen ...

Über Gloria H. Manderfeld

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