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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Zwischen Feuer und Eis


Wieder Dämmerlicht. Auf der X-70B Phantom herrschte relative Stille, wenn man von den immer wieder auftretenden Schlafgeräuschen der anderen absah. Eigentlich war das Schiff zu klein für den dort nächtigenden Trupp, aber wer sich dem imperialen Militärdienst verschrieben hatte, war an unbequeme Verhältnisse gewöhnt.
Dennoch lag Lienas van Arden wach, blickte an die Decke und betrachtete die dünnen Linien auf derselben, in denen die Metallplatten der Innenverkleidung aufeinander trafen. Inzwischen konnte sie die Atemzüge ihrer Teamkollegen einigermaßen voneinander unterscheiden und orientierte sich daran. Staff Sergeant Limsharn schnaufte leise, als sich sein massiger Körper auf dem Feldbett umdrehte. Es sprach für die Qualität imperialer Ausrüstung, dass das Feldbett dabei nicht einmal quietschte, immerhin brachte der Unteroffizier ohne Schwierigkeiten mehr als hundert Kilo auf die Waage, in praktische Muskelpäckchen aufgeteilt. 
Captain Stryder-Garrde genoss das Privileg einer Einzelkabine, sodass sie ihn nicht hören konnte - aber es war schließlich auch sein Schiff. Sie hätte auf ihrer Phantom sicherlich auch das Einzequartier bevorzugt. Das tiefere, sehr langsame Atmen von Master Sergeant Blex sprach dafür, dass er gerade in die Tiefschlafphase abgedriftet war und sich hoffentlich gut erholte. Kurz musste sie schmunzeln, als sie daran dachte, mit welchen heftigen und vor allem kreativen Flüchen der Master Sergeant seine Trainingsumgebung drei Tage zuvor bedacht hatte. Man konnte nur hoffen, dass die beiden halbwüchsigen Mandalorianer niemals mitbekamen, wie sehr der Master Sergeant verbal entgleisen konnte, denn vermutlich würden sie es dann auch noch nachmachen wollen.

Bei diesen voll unter dem Einfluss der Pubertät stehenden jungen Männern war sie langsam mit ihren Ideen am Ende. Immer wenn sie glaubte, es sei wieder ein wenig Ruhe eingekehrt und man habe eine sinnvolle Aufgabe für die zwei gefunden, belehrten sie einen eines besseren. Dieses Mal hatten sie es wirklich übertrieben. War sie sich noch vor einer Woche sicher gewesen, ein Gespräch von Mann zu Mann mit PFC Saspirinowitsch, der von Garrm Tracinya ein Holocom mit einer reichhaltigen Bilderdatei darauf konfisziert hatte, würde etwas bringen, musste sie nun zugeben, dass es wohl nicht ausgereicht hatte. Oder Saspirinowitsch hatte die beiden nicht erwischt und das Gespräch stand noch aus - es konnte schließlich nicht geduldet werden, dass zwei halbwüchsige Mando'ade ein Bildarchiv aller weiblichen Stützpunktangehörigen anlegten, ohne um Erlaubnis dafür zu fragen. Vor allem nicht, wenn diese Bilder Soldatinnen und Offizierinnen zeigten.
Aber es war ja noch schlimmer gekommen - Tracinya hatte sein Hoverboard von Kreldo mit einer Frau im Bikini bemalen lassen, die blöderweise als Lieutenant Thalia Hawkwood zu erkennen war. So schüchtern und zurückhaltend, wie Hawkwood für gewöhnlich auftrat, war sich Lienas sicher, dass dieses Bild nicht mit Erlaubnis der Abgebildeten zustande gekommen war. Als sie von Tracinya die Herausgabe des Hoverboards verlangt hatte, fing dieser in bester 'ich bin der Söldner von Lord Tragos, Du hast mir gar nichts zu sagen'-Manier an, ihr zu widersprechen und forderte sie sogar zu einem Duell um das Board heraus. 


Auch wenn ihr erster Impuls gewesen war, Tracinya die geballte Faust ins Gesicht zu rammen, war dies doch nicht die Art imperialer Offiziere, Probleme zu lösen. Schlussendlich war das Board in der Asservatenkammer gelandet und Master Sergeant Kreldo, die Adoptivmutter der beiden, hatte sich des Problems angenommen. 
Folgen jedoch würde es in jedem Fall haben müssen, denn mit der Ehrverletzung eines imperialen Offiziers hatten die beiden eine Grenze überschritten, die deutlich gemacht werden musste. Lienas seufzte leise und drehte sich auf ihrem Feldbett um, legte sich auf die Seite und schob ihre Hand unter das schmale Standardkopfkissen, unter dem auch ihr Handblaster lag. Das kühle Metall der Waffe fühlte sich tröstlich an und sie schob die Gedanken an die beiden Jungmänner energisch beiseite. Es gab wichtigeres, viel wichtigeres. Den bevorstehenden Einsatz vor allem, der in aller Heimlichkeit würde ablaufen müssen.
Drei Missionsziele hatten sie auf der republikanischen Welt Belsavis, und alle drei würden nicht einfach zu erreichen sein. Eines dieser Ziele war sogar vollkommen illusorisch, aber die Hoffnung starb schließlich immer zuletzt.

Ein leises Seufzen von links lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Schlafenden. Captain Thrace schien ihre Sorgen zu teilen, auch wenn er nicht wach lag, selbst im Schlaf wirkte er nachdenklich, das Gesicht war nicht so entspannt, wie man es erwarten würde. Vielleicht träumte er auch einfach etwas unschönes, das ließ sich seiner Miene nicht ansehen. Für eine ganze Weile lang verharrte ihr Blick auf den Zügen des Offiziers, bevor sie die Augen schloss, die empordriftenden Gedanken aussperrte, und widmete sich der Mission.
Captain Stryder-Garrde und Colonel Sordan hatten gemeinsam einen Plan ausbaldowert, um den Terroristen zu übertölpeln, dem sie das Desaster auf Kaas zu verdanken katten. Nachdem klar geworden war, dass der Verrückte tatsächlich Sergeant Morrison mit einem Nervengift versehen hatte, das sie nach und nach immobiler machen würde, war die Zeit zum Handeln gekommen. Auch wenn dieses Handeln wieder einmal daraus bestand, das zu tun, was der Terrorist wollte - nach Belsavis reisen, ein Artefakt finden, das er haben wollte - mussten sie es doch riskieren, denn nur dann würden sie vielleicht ein Heilmittel für Morrison erhalten. Alles in Lienas widerstrebte dem Gedanken, einem Terroristen ein unbekanntes Artefakt auszuhändigen, alles so zu tun, wie er es wollte, aber es schien wieder einmal die einzige Lösung zu sein. 

Die Nachforschungen zu Morrisons Gift waren erfolglos geblieben, die Heilung wartete auf Belsavis - und nur dort. Ein Planet zwischen Feuer und Eis, beherrscht von Lavaspalten und eisbedeckten Gipfeln. Die Offizierin biss auf ihre Unterlippe, und jener Schmerz darin hatte etwas tröstlich vertrautes an sich. Wenigstens war sie wieder einsatzbereit. Um nichts in der Welt hätte sie sich diesen Einsatz entgehen lassen wollen, selbst wenn es bedeutete, dass sie wieder einmal im Nebel stochern mussten.
Da war selbst das Verhör eines Gefangenen, den Darth Aroval gnädigerweise Captain Stryder-Garrde zu dessen Vergnügen überlassen hatte, zielführender und klarer gewesen. Der weißhaarige Anfangsfünfziger mit dem Giftzahn und der unbeirrbaren Standhaftigkeit hatte schon sehr früh den Argwohn der ehemaligen Agentin erregt. Welcher einfache Söldner schleppte schon eine Selbstmordoption im Gebiss herum, vor allem, wenn er eher harmlose Aufträge übernahm? Welcher einfache Söldner in diesem Alter verfügte noch über dermaßen gute Reflexe, dass er ihr instinktiv seinen Kopf entgegen gerammt hatte, als sie ihm ins Gesicht schlug? Welcher einfache Söldner wagte sich auf das Anwesen eines Darth und glaubte ernsthaft, er könnte mit einer Geschichte davon kommen, die allen anderen um ihn herum die Schuld zuschob?

Und die immer wieder gezeigte Todesverachtung, das Geschwätz davon, welche blutigen Anfänger die Imperialen doch seien, und wie wenig sie von ihm zu erwarten hätten - entweder dieser Marson war sehr einfältig, todessehnsüchtig und überheblich zugleich, oder aber er wusste wirklich, wie das Spiel gespielt wurde und gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen. Lienas hatte extra für ihn eine ihrer während ihrer Ausbildung mühsam einstudierten Paraderollen ausgepackt - die sadistische, folternde Durchgeknallte - um einen Gegenpol zum weitaus ruhiger agierenden Stryder-Garrde zu bilden. Sie hatte dafür gesorgt, dass Marson alle unschönen Instrumente der Befragung sehr genau zu sehen bekam - von einfachen Nadeln und Skalpellen bis hin zur "Birne", die Lienas selbst für absolut abstoßend hielt, welche aber in jedem gut sortierten imperialen Folterkeller zu finden war.
Wichtig war bei einem solchen Verhör nicht, was man selbst war, sondern was das Gegenüber glaubte, vor sich zu haben - und Lienas' Schauspieltalent hatte ihr in den Jahren als Feldagentin eine Menge interessanter Aufträge eingebracht. Tun Sie, was immer nötig ist, um den Erfolg der Mission zu gewährleisten. Nur ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen der Offizierin beim Gedanken an diese Worte von Wächter 19, ihrem Führungsoffizier. Eine Zeit voller Veränderungen, voller Gefahren, voller Blut. Voller Erinnerungen, die besser weit entfernt blieben und nicht angetastet wurden.
Und Marson hatte geredet, im Bewusstsein seiner eigenen Überlegenheit über die dummen Imperialen, er hatte seine Befriedigung ausgekostet - irgendwann redeten sie immer. Man musste nur den richtigen Hebel finden, das passende Instrument ansetzen. Da waren die Informationen einer Schattenmaklerin, welche Miss Karamasowa aufgetrieben hatte, nur das Tüpfelchen auf dem i - auch Agenten wurden alt, und dieser Agent des SID hatte wohl eindeutig seine Nützlichkeit überlebt. Istariel Solius. Pathetischer Name eines pathetischen Republikaners. Vielleicht würde er wenigstens im Austausch gegen gefangene imperiale Agenten aus den Kerkern des Strategischen Informationsdienstes der Republik noch brauchbar sein.

Wieder drehte sie sich auf dem Feldbett um und suchte sich eine bequemere Haltung, ein Bein anwinkelnd. Zu viele Dinge, die geschehen waren, zu vieles, was zu bedenken war. Und zu wenig Zeit, inne zu halten und auf einem Wachturm ein bisschen Ruhe zu genießen, den Blick über das Fort schweifen zu lassen. Auch wenn sie diesen Einsatz überlebten - und es mit einer ganzen Basis irrer Sith-Kultisten aufzunehmen, die ebenfalls hinter dem Artefakt her waren, zeugte von einer recht großen Sehnsucht nach dem Ende - würde es nicht weniger Arbeit werden. 
Nicht, wenn sie den jungen Offizierskadetten Pavel Lebdejew, den ihr das Ministerium aufs Auge gedrückt hatte, wirklich gut ausbilden wollte. Nicht, wenn sie mit Specialist Kordath Reyes das Sturmregiment auch gegen Angriffe auf der Cyberebene absichern wollte. Nicht, wenn es galt, Schaden vom Regiment abzuhalten, indem sie sich um Haus Garrdes verstrickte Interessen und den darin eingesponnenen Captain Stryder-Garrde kümmerte. Nicht, wenn es nach wie vor keinen Hinweis darauf gab, was ihrem Bruder Arric und seinem Schiff geschehen war und ob er überhaupt noch lebte ..
Tief atmete die Offizierin durch und sah wieder zur Decke. Eines nach dem anderen - jetzt wartete erstmal Belsavis. Und alles andere mochte danach geschehen, irgendwie. Wenigstens stand sie nicht alleine gegen die Galaxis, es gab unerwartete und treue Verbündete.

Über Gloria H. Manderfeld

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