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Fantasy

Fluffige Rollenspiel-Abenteuer in einer Welt voller Zauber - Interview mit Michtim-Schöpfer Georg Mir

Vor einigen Jahren lernte ich auf DeviantArt Georg Mir kennen, dessen liebevolle und klare Designs mir damals gleich gefallen haben - und wie das Leben so spielt, verloren wir uns aus den Augen. Ich war auf DevArt nicht mehr wirklich aktiv, sein Leben nahm ebenfalls andere Bahnen - auf Facebook trafen wir wieder aufeinander und ich durfte in seine wundervolle und familientaugliche Rollenspiel-Welt Michtim eintauchen.
Was liegt also näher, als ihm ein paar Fragen zu sich und seiner derzeit leider nur auf englisch erhätlichen Rollenspiel-Welt zu stellen, damit sie noch mehr Leute kennen lernen? Lest hier mehr über den Indie-Autor und natürlich seine Welt:

Nerd-Gedanken: Seit wann bist Du ein Rollenspiel-Fan? Was hat Dich ursprünglich zu diesem Hobby gebracht?

Georg Mir: Im Alter von 12 Jahren bin ich auf das Gameboy-Spiel Final Fantasy Legends II gestoßen. Bei dem Spiel waren aufwendige Tabellen dabei, die mich dazu inspiriert haben, ein Würfelspiel mit diesen Symbolen zu basteln. Damals hab ich keine Charakterblätter gemacht, und mit mehreren Leuten reihum gewürfelt und eine Geschichte erzählt. Ich hab damals das Wort Rollenspiel noch nicht gekannt.

Ein paar Jahre später (mit 14 herum) hab ich dann Diablo (1) gespielt. Es hat mich irgendwie gefesselt, aber ich wusste nicht recht warum. Charakter-Entwicklung, mysteriöse Umgebung und stimmungsvoller Einsatz von Musik waren sicher Gründe dafür. Damals hat mir ein Kumpel gesagt: „Pah, diese Rollenspiele. Das ist mir zu komplex. Gefällt mir überhaupt nicht.“ und ich hab das Wort in dem Zusammenhang wohl zum ersten Mal wirklich gehört.

Erst im Alter von 16 bin ich wirklich zum Rollenspiel gestoßen. Ich hab mich davor mehr mit TCGs auseinander gesetzt. Mein erstes Spiel war AD&D und ich hab einen Chaotisch Guten Priester eines Drachenkultes gespielt, der sich auch in einen Echsenmenschen verwandeln konnte. Naja. Eigentümliche Charaktere waren seit je her meins. Wir haben zu dem Zeitpunkt keine wiederkehrenden Rollenspielabende veranstaltet, sondern stattdessen Sessions eingelegt. Fünf Tage durchgehend AD&D. Von Stufe 3 bis Stufe 16 oder so. Es war fantastisch. Episch. Zu viel für meinen Verstand. Ich konnte phasenweise nur mehr ans Spielen denken.



Ich hab dann relativ bald andere Systeme entdeckt, obwohl D&D in seinen verschiedenen Varianten immer wieder ein Fixpunkt für mich war. Als erstes System, das ich selbst geleitet hab, muss ich hier aber Fuzion erwähnen. Ich hab damals recht viel Lovecraft gelesen, und eine ziemlich wilde Stilmischung aus Lovecraftian Horror und Sci-Fi vom Stapel gelassen. Ich hab schon bald erkannt, dass mir das Spielleiten eigentlich mehr Freude bereitet, als selbst zu spielen. Ich halte mich für einen miserablen Spieler, wenn ich ehrlich bin. Zu meiner Sammlung haben sich recht bald Vampire the Masquerade und andere Horror-Spiele gesellt. Bei D&D hatte es mir auch Ravenloft am meisten angetan.

Erst viele Jahre später bin ich ins LARP eingestiegen. Aber auch da: nach kurzer Zeit als Spieler bin ich zur SL gewechselt, weil mir die Bespielung großer Gruppen am meisten Spaß gemacht hat. Die Jahre über hab ich immer Ultima Online auf Freeshards gezockt. Schattenwelt, Mystical Islands und Fallen Lands. Auf den letzteren war ich auch Staffler – ja, ich kann die Finger einfach nicht still halten.
Mit dem Online-RP hat es aber abrupt aufgehört, weil ich auf einen Mac umgestiegen bin, und auch zusehends wenig Zeit für den Aspekt gehabt hab. Dafür hab ich in dieser Phase wöchentlich gespielleitet. Ich hab in den ganzen Jahren vielleicht einmal auf ein vorgeschriebenes Abenteuer zurückgegriffen, die restliche Zeit hat mir Sandboxing am meisten Spaß gemacht. Obwohl ich zugeben muss, dass ich auch hin und wieder Illusionismus betrieben habe. Jaja, Georg der Railroader.  

Nerd-Gedanken: Welche Systeme (ausser Deinem eigenen) spielst Du gerne und warum?

Georg Mir: Mein Lieblingssystem ist ungelogen NWoD (="New World of Darkness). Es ist flexibel, bietet eine enorme Vielfalt und ist nicht zu versessen auf eine vordefinierte Hintergrundwelt. Das hat mich immer von DSA oder OWoD abgeschreckt. Wenn meine Spieler über meine Welt mehr wussten als ich, war das immer ein Problem für mich. Das ist auch ein Grund, warum ich mich nie mit Forgotten Realms anfreunden konnte.
Ich hätte meinen Spielern keine sinnvolle Show bieten können, wenn alle paar Minuten ein Einwurf a la „Das ist aber in Wirklichkeit so…“ kommt. Da es bei NWoD ja ursprünglich keinen Metaplot gab, war die Realität nicht von Außen vorgegeben. Mir ist es ja auch lieber, wenn alle Spieler (und nicht nur Experten) Einwände zur Welt liefern, und diese mit gestalten.

Ansonsten war Shadowrun immer ein wichtiger Teil unserer Runde. Magie und SciFi, das fetzt. Cthulhu hin und wieder. Kult! in ganz seltenen Fällen. Dazu muss ich sagen, dass Kult! mir die schönste Rollenspielerfahrung meines Lebens geliefert hat. Es macht natürlich nicht viel Sinn, darüber jetzt viel zu erzählen, aber ich konnte zusammen mit den Spielern im Zuge eines fünftägigen Events eine Spielerfahrung herbeiführen, die uns unglaublich zufriedengestellt hat.

Es war nichts gescriptet, und die Spieler hatten maximalen Einfluss auf die Handlung; und dennoch konnte ich die letzte Szene mit der ersten Szene in einem „Kreis“ schließen und alle gingen mit einem „Aha-Erlebnis“ nach Hause. Einer meiner Kumpels meinte damals: „Georg, du kannst das Hobby jetzt sein lassen. Diese Session werden wir nie übertreffen können.“
Aber das war natürlich nicht mein Verdienst. Die Gruppe, die Welt und die Stimmung haben perfekt zusammengespielt. Es war wirklich großartig. Jetzt habe ich doch tatsächlich darüber geschwafelt. Sorry!

Dungeons & Dragons stand bei uns auch oft auf dem Speiseplan. Aber ich bin kein Mensch für taktische Kämpfe. Für mich sind Szenerie, Charaktere und Einbindung der Spieler wichtig. Und Vielseitigkeit. Ich hab eine ziemlich große Rollenspielsammlung – vermutlich nicht ganz so groß, wie die anderer Leute, aber dennoch ziemlich umfassend. Es war mir durchaus immer mal wieder wichtig, mal was Neues zu versuchen.
Ich gehöre also nicht zu den Menschen, die sagen: „Hey, ich hab das Spiel X, das erfüllt alle meine Wünsche. Dabei bleibe ich jetzt bis an mein Lebensende.“ Ich bin einfach auch ein Sammler. Im Moment hab ich keine Rollenspielrunde, also ist Sammeln und Schreiben das Einzige, das mir noch geblieben ist.

Nerd-Gedanken: Erzähle meinen Lesern doch bitte etwas über "Michtim" - worum geht es, was sind die Schwerpunkte des Spiels?

Georg Mir: Flauschige Helden in einer modernen Welt. Michtim ist das Spiel, das dabei rauskommt, wenn man Shadowrun mit den Ewoks kreuzt. Michtime haben äußerlich viel mit den Mäusen aus MouseGuard gemein, sind aber vom Feeling her total was anderes. Michtime sind total abgedreht. Sie haben Magie, Technologie und die Natur auf ihrer Seite.
Sie leben auf einem hunderte Meter hohen Baum, der durch die Magie des Schleiers vor den Augen der Menschen verborgen ist. Exemplarische Klassen für Michtim sind: Magier (benutzt Fähigkeiten auf Entfernung), Maschinist (kann Roboter bauen), Barde (kann Mitstreiter mit Gefühlen aufladen) und Koch (stellt Buff-Food her).

Das Regelwerk ist ziemlich Action-orientiert und hat leicht zu erlernende Grundmechaniken. Diese werden dann noch um die Callings (die Klassen) erweitert. Jedes Michtim kann zum Beispiel Kratzen und Beissen, aber ein Magier kann den Angriff auf Distanz durchführen. Ein Taktiker kann mehrere Ziele gleichzeitig betreffen.
Diese Callings lassen sich beliebig kombinieren, um neue Effekte zu generieren. Außerdem – im Gegensatz zu Rollenspiel-üblichen Klassen – gibt es keine bevorzugten Attribute. Es gibt zornige Magier, fröhliche Magier, traurige Magier. Jede Emotion bringt den Spielenden etwas anderes. Zorn ist zum Angriff gut, Liebe zum Heilen.

Es geht darum, den Immergrummelwald vor menschlichen Einflüssen zu beschützen. Ein typisches Abenteuer ist zum Beispiel die Sabotage eines Hühnerzuchtbetriebes, bei dem männliche Küken in einer Fleischpresse zermahlen werden. Michtime können so etwas nicht akzeptieren und verüben daher ökoterroristische Anschläge - wenn sie nicht gerade Kuchen backen.

Nerd-Gedanken: Was ist Dir bei einer ausgewogenen und spannenden Rollenspiel-Welt am wichtigsten?

Georg Mir: Spieler-Partizipation. Wenn die Welt stark vorgegeben ist, kann das für manche Leute inspirierend sein. Für mich war es aber immer eher erdrückend. Ich will angetaucht werden. Aber wenn dann irgendwer kommt und sagt: „Auf Seite X steht aber, dass das so ist!“ dann kann ich das Spielen gleich sein lassen. Ich will Dinge erschaffen. Vorgegebenes durchzukauen ist nicht mein Ding.

Nerd-Gedanken: Warum hast Du eine eigene Spielwelt entworfen?

Georg Mir: Michtim ist nicht mein erstes Projekt. Aber das erste, das ich wirklich auch publiziert habe. Die Welt zu Michtim ist in Wahrheit (größtenteils) meinem Lebensgefährten zuzuschreiben. Für uns war Turnaya ein Ort um abzuhängen, wenn die echte Welt wieder einmal finster, kalt und traurig war. Es sollte ein Happy-Place, ein Paradies, sein.

Ein Ort, für den man in die Schlacht zieht, um ihn zu bewahren. Mein Freund ist kein Rollenspieler (mit Ausnahme von WoW), und diese Welt lebt in unseren täglichen Geschichten. Ich wollte einen kleinen Teil davon als Ausgangspunkt für ein eigenes Spiel bereitstellen, damit andere auch sehen können, wie schön es im Immergrummelwald ist. Es ist eine riesige Genugtuung für mich, wenn ich von Spielberichten erfahre.
Wenn Eltern ihre Kinder auf einen Ausflug in die Welt der Michtime mitnehmen. Ich hab einmal eine Kinderzeichnung von einem Michtim erhalten. Das war sicher eines der schönsten Geschenke, das ich jemals bekommen habe.

Nerd-Gedanken: Was hat Dich bei der Erschaffung von "Michtim" am meisten beeinflusst?

Georg Mir: Die Michtime sind zwischen Alex und mir entstanden. Sie haben im Laufe der Jahre (seit 2008) sehr oft die Gestalt gewechselt, aber letztendlich haben wir uns dann auf ein generell hamsterartiges Erscheinungsbild geeinigt.
Von ihrer Natur her sind sie den Ewoks nicht unähnlich. Was ihre Abenteuer betrifft so kommt definitiv Shadowrun als Vorbild in Frage. Ich bin aber gerade dabei das Regelwerk ein wenig umzuschreiben, damit die Spieler nicht nur auf kampforientierte Missionen gehen. Das Setting hat eigentlich mehr zu bieten als das.

Ein Einblick in das Michtim-Skizzenbuch von Georg

Nerd-Gedanken: Wenn Du ein Wesen aus der Michtim-Welt wärest, welches wärest Du und warum?


Georg Mir: Ich wäre Tym Eisenfuchs, ein Spielzeugmacher und Spezialagent. Er lebt zusammen mit Felixus dem Alchemisten, und sie haben insgesamt sieben Adoptivkinder durchzufüttern: Lumpi ist ein Frechdachs, der seinen Papa Felixus immer verteidigt und gern so sein möchte, wie sein großes Vorbild. Emilio ist eher zurückhaltend, hat einen kleinen Garten und kann mit Pflanzen sprechen. Rasse (ja, sie heißt so) ist eine aufstrebende Magierin, die schon viele verbotene Symbolaya-Tricks kennt, weil sie von Meister Cornelius Funkenflug von Abendrot ausgebildet wird. Sie erforscht übrigens üble Ausdünstungen, sogenannte Puh-Rezepte. 

Plavka ist musikalisch sehr begabt und baut selbst Instrumente. Sie ist allerdings ziemlich scheu, wenn es darum geht, irgendwo aufzutreten. Rocco ist ein gutmütiger, dicker Junge, der allerdings an einer Krankheit leidet. Er braucht immer Sanftblätter, damit seine Stimmung nicht außer Kontrolle gerät. 
Rozalia wäre gern eine Prinzessin, ist allerdings einen Kopf größer als ihre Geschwister und mit unglaublicher Stärke gesegnet. Sie ist eine Verteidigerin der Schwachen, obwohl sie manchmal wünscht, kleiner zu sein. Und zu guter Letzt noch Dolores. Sie ist die kleinste, noch ein echtes Michtim-Baby. Sie verfügt über die Gabe der Hypnose und nutzt diese häufig aus, um Tym müde zu machen, damit sie irgendetwas anstellen kann. So, das war jetzt die Vorstellung der gesamten Familie.

Nerd-Gedanken: Seit der Veröffentlichung von "Michtim" ist schon einiges an Zeit ins Land gegangen. Was waren Deine positivsten, was Deine negativsten Erfahrungen im Bezug auf Deine Spielwelt seitdem?

Georg Mir: Positiv: Wenn Leute mir Geschichten erzählen, oder wenn Kinder wegen ihren Michtim-Helden happy sind. Das gibt mir Kraft. Ich freu mich auch immer über Reviews. Vor Allem, wenn Leute durchschauen, was meine Intentionen waren.

Negativ: Michtim kann nicht alles gut können. Ich hab auch schon einige Kritik eingesteckt, ganz sicher auch gerechtfertigt. Es gibt keine sinnvolle GM-Abteilung im Buch, weil ich solche Anleitungen selbst nie gern gelesen habe. Aktuell ist es so, dass ich versuche bei story-games.com als Game Designer akzeptiert zu werden. Das ist gar nicht einfach, wenn man nicht Indie genug für die Indies ist. Man muss sich auch dort wieder eigenen Regeln unterordnen, und manchmal tu ich mir mit solchen Dingen schwer.

Nerd-Gedanken: Wenn Du Dir etwas für die Zukunft von "Michtim" wünschen könntest, das sofort in Erfüllung gehen würde, sobald Du den Wunsch geäussert hast - was wäre es?

Georg Mir: Ich hätte mein Fiction-Projekt gern fertiggestellt. Ich hab eine Geschichte im Michtim-Universum am Laufen, die jedoch noch nicht ganz fertig ist. Ich würde das wirklich gerne veröffentlichen und würde mir erhoffen, dass diese Geschichten die Leute begeistern. Naja, und vielleicht eine deutsche Lokalisierung.
Ich werde so oft gefragt, ob es Michtim nicht auch auf Deutsch gibt, aber der Übersetzungsaufwand ist mir im Moment einfach zu viel. Vor allem, weil ich ja gerade mitten in einer Systemumstellung bin.

Nerd-Gedanken: Gibt es etwas, das Du anderen Spieleautoren als Tipp geben möchtest, wenn sie dabei sind, eine eigene Spielewelt zu entwerfen?

Georg Mir: Nicht aufgeben. Es wirklich durchziehen. Es gehört viel Arbeit und Einsatz dazu etwas zu veröffentlichen. Ich hatte das Glück, dass ich die meisten nötigen Aspekte der Veröffentlichung selbst machen konnte (Illustration, Schreiben, Game Design, Setting, Layout, Vertrieb). Wenn ich von anderen abhängig gewesen wäre, hätte ich das Projekt vielleicht nicht durchgezogen.

Außerdem war es für mich noch leichter, weil ich das Spiel als Master-Arbeit für meinen Design-Studiengang schreiben konnte. Ich hab also mein Hobby mit meinem Beruf verknüpft.
Jetzt fehlt es mir allerdings an der Zeit, neue Projekte anzupacken. Das ärgert mich ein bisschen, weil ich doch so gerne was weiterbringen würde. Also ja: nicht aufgeben!

Vielen Dank an Georg für die Zeit und die Beantwortung der Fragen :)

Wer nun neugierig auf "Michtim" geworden ist, findet hier mehr Infos zum Spiel:

Michtim-Blog: http://www.grimogre.at/michtim/
Michtim-Spiele-Download bei DriveThru-RPG: http://bit.ly/michtimrpg

Kurzzeitiges Schnupperangebot: http://bit.ly/myFluffyRPG

Das in diesem Interview verwendete Michtim-Bildmaterial wurde freundlicherweise von Georg Mir zur Verfügung gestellt.

Über Gloria H. Manderfeld

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