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Buch

Rezension: Selection

Nach einem vierten Weltkrieg hat sich auf dem Territorium der ehemaligen USA ein monarchischer Staat namens Illeá entwickelt, in dem die Bürger in einem strikten Kastensystem organisiert sind.
Die junge America Singer, als Tochter einer Künstlerfamilie Angehörige der fünften Kaste, ist seit zwei Jahren heimlich in Aspen Leger, einen Jugendlichen aus der sechsten Kaste, verliebt – doch beider Liebe hat wegen der unterschiedlichen sozialen Schichten so gut wie keine Chance. 
Im strikt regierten Illeá ist keinerlei körperliche Liebe vor der Heirat erlaubt, und eine Ehe mit Aspen würde America zu einer Sechs machen, deren Leben aus der Arbeit als Bedienstete und Handlangerin besteht – und aus zu erwartender Armut, weil die Angehörigen der sechsten Kaste selten gut bezahlt werden.

Doch ihr Leben wandelt sich grundlegend, als der Thronfolger Prinz Maxon über die „Selection“ eine künftige Gemahlin sucht: In Ileá werden dabei alle Mädchen in einem passenden Alter dazu aufgerufen, sich als potentielle Traumfrau für das Casting zu melden. Fünfunddreissig dieser jungen Frauen werden schlussendlich ausgewählt, zur königlichen Familie in den Palast zu ziehen, damit der junge Prinz seine künftige Gemahlin finden kann. 
Stets begleitet von den Medien, welche die sich hoffentlich anbahnende Romanze für den Rest des Landes festhalten wollen. Obwohl sich America nur ihrer Mutter zu Gefallen meldet, gerät sie in die Auswahl und muss sich alsbald einem völlig neuen Lebensinhalt stellen, der nicht ohne Gefahren ist – denn neben Prinz Maxons Charme wird sie auch mit den allgegenwärtigen Rebellen konfrontiert, die immer wieder den Palast angreifen ...


Normalerweise sind Teenie-Romanzen eher nicht mein Metier, aber bei 'Selection' haben mich das wirklich sehr ansprechende Cover und der zu erwartende Mix aus Dystopie und „The Bachelor“ neugierig gemacht – ich wollte wissen, ob es der Autorin gelingen würde, diese ungewöhnliche Mischung auch ansprechend zu verkaufen. Das Fazit nach dem ersten Band der „Selection“-Trilogie ist ein ganz klares Jein.
Wer angesichts des Genres und des Klappentextes ernsthaft eine überzeugende Dystopie erwartet hat, den enttäuscht Kiera Cass leider – sicher, das USA-Nachfolgekonstrukt Ileá ist sicherlich kein besonders angenehmer Staat, um darin zu leben. Das Kastensystem, welches das Gros der Bevölkerung klar benachteiligt und zu einem Leben in Abhängigkeit und Armut zwingt (alle Kasten unterhalb der vierten werden nicht angemessen oder nur geringwertig bezahlt), wird von den Bürgern nahezu klaglos akzeptiert.

Nur die 'Nord- und Südrebellen' richten sich gegen das unfaire System, werden aber in ihren politischen Zielen nie wirklich genau bestimmt. Man erfährt nur am Rande, dass Ileás Militär gegen diese vorgeht und der Kriegsdienst den Soldaten enorme Vorteile bringt, der Staat also sehr viel Interesse daran haben muss loyale Soldaten nutzen zu können. Auch scheint es der Bevölkerung egal zu sein, dass ihr die Geschichte ihres Landes verschwiegen wird und Schulbildung nur für die oberen Kasten zur Verfügung steht.
Ansonsten aber unterscheidet sich die Lebenswelt Americas nicht sonderlich von unserer derzeitigen Realität – sicher, von Monarchen regierte Staaten und sich daraus entwickelnde verwandtschaftliche und diplomatische Beziehungen sind in unserer Gegenwart eher selten, aber die Hinwendung der Bevölkerung zu den Medien, der technische Stand und die verwendeten Begriffe ähneln der Realität sehr.

Dass die Rebellen den Palast gleich mehrfach angreifen, wird immer nur indirekt und nicht sonderlich spannend aus dem Blickwinkel Americas beleuchtet, die nicht viel mehr tun kann als abwarten und nicht zuviel Panik zu haben – überhaupt erscheint sich selten jemand zu fragen, was die Rebellen überhaupt bewegt. Aspens ungemein schnelle Karriere als Soldat (America ist gerade erst einen Monat im Palast und schon wird er von der Putzkraft zur Palastgarde) scheint auch niemanden zu erstaunen, aber irgendeinen Kunstgriff muss die Autorin schließlich nutzen, um das sich entwickelnde Liebesdreieck America-Aspen-Maxon irgendwie anzufeuern.

Solche Romanzen entwickeln sich nur durch möglichst viel Abwechslung und Verwirrung, und darin enttäuscht Kiera Cass ihre Leserschaft nicht. Während America zu Beginn der Erzählung bis über beide Ohren in Aspen verliebt ist, entwickelt sie auch Gefühle für Maxon, der sich als aufmerksamer, freundlicher und empathischer junger Mann entpuppt, der nur zu gerne aus seinem goldenen Käfig ausbrechen würde und sich von der Energie und Lebendigkeit Americas angezogen fühlt.

Dass die Heldin leider eine Mary Sue ersten Ranges ist, dürfte kaum erstaunen – sie ist nicht nur arbeitsam, bescheiden, hilfsbereit, nett und natürlich, nein, sie kann auch hervorragend singen und Geige spielen und ist als natürlicher Rotschopf zudem auch noch eine herausragende Schönheit, die sich nicht herausputzen, sondern nur sie selbst sein will. 
Daneben versucht sie noch, den Prinzen mit der erbärmlichen Lebenssituation der niedrigeren Kasten vertraut zu machen und erobert sein Herz im Sturm – mehr Klischees auf einem Haufen geht im Grunde gar nicht. Insgeheim habe ich noch ein bisschen darauf gewartet, dass America das Heilmittel für Krebs dadurch entdeckt, dass sie auf ein Taschentuch rotzt, aber dafür war sie mit ihren widerstreitenden Gefühlen viel zu beschäftigt.

Denn amüsanterweise ist das der einzige Teil, den die Autorin in ihrem Buch wirklich gut verkauft – die zarte Romanze einer jungen Frau, die noch nicht so recht weiß, was sie vom Leben will und nach einer eigentlich sicher gefügt geglaubten Zukunft miterlebt, wie sich vieles verändert. Prinz Maxons Unbeholfenheit im Umgang mit Frauen wird glaubhaft vermittelt, auch sein immer drängender werdender Wunsch, von America irgendeine sichere Aussage zu ihren Gefühlen zu erhalten.
Aspens Verhalten scheint ebenfalls sehr glaubwürdig und für seinen Grundcharakter passend, sodass es verständlich ist, warum sich America zwischen diesen beiden nur schwer entscheiden kann. Beim lockeren, flüssigen Schreibstil von Cass lässt sich das Ganze auch recht entspannt lesen und trotz der offensichtlichen Macken macht es tatsächlich Spaß – man fragt sich wirklich, welche Etikettelektion die nächste ist und was den Mädchen aus der Selection als nächstes passiert, sodass die 360 Seiten recht schnell vorübergestrichen sind.

Fazit: Als die 'etwas andere' Teenieromanze sehr brauchbar. SciFi-Fans mit Dystopie-Vorlieben sollten hiervon aber die Finger lassen. Sechs von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel: Selection
Originaltitel: The Selection
Autor: Kiera Cass
Übersetzer: Angela Stein
Buch-/Verlagsdaten: FISCHER Kinder- und Jugendtaschenbuch, Januar 2015, Taschenbuch, 368 Seiten, ISBN-13: 978-3733500306, 9,99€

Über Gloria H. Manderfeld

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