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Media Monday

Media Monday #229


Nach den Anschlägen in Paris und Beirut fällt es mir schwer, locker-flockig zum Thema dieses Blogs zurückzukehren. Angesichts der vielen Toten scheinen mir Dinge wie Filme, Rollenspiel und Phantasiewelten erschreckend banal, zumindest derzeit. Deswegen wird dieser Media Monday des Medienjournals auch ein wenig anders sein als die bisherigen. Wem ernste Themen an dieser Stelle nicht gefallen, den bitte ich diese Woche einfach auszusetzen.
Meine Ergänzungen im Lückentext sind wie immer fett und kursiv markiert.

1. Angesichts der vergangenen Anschläge am Donnerstag in Beirut und am Freitag in Paris bleibt oft nur namenloses Entsetzen zurück, die unbestimmte Angst davor, dass solche Dinge sich wiederholen. Ich fürchte, ich muss es nüchtern betrachten: Sie werden sich wiederholen, denn Anschläge dieser Art sind das probateste Mittel für Gruppierungen wie den IS, wie man weltweit Aufsehen und Furcht erwecken kann, ohne zu viele Mittel für Waffen, schweres Gerät und komplizierte Logistik wie Truppenverlegung auszugeben. Es wird bei uns liegen, wie wir mit dieser Gefahr weiterhin umgehen und wie sehr wir uns von der Furcht bestimmen lassen.


2. Nachdem ich gehört hatte, dass vor dem Anschlag auf Paris auch ein Anschlag auf Beirut stattgefunden hatte, bei dem vierzig Menschen umgebracht worden sind, bleibt die Frage zurück, warum 'wir' Paris sind, aber nicht Beirut. Alle diese Menschen haben Solidarität verdient, dass man sich an sie erinnert, dass man Mitgefühl für diejenigen empfindet, die jemanden verloren haben, der ihnen wichtig war. Wo sind die Libanon-Flaggen, die Hashtag, die sich mit dem Kampf der Kurden gegen den IS beschäftigen, die wieder aufgenommene Diskussion um den seit fünf Jahren tobenden, schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien? 
Paris ist plakativ, Paris ist die Stadt der Liebe, ein Symbol - vielleicht ist es deswegen so einfach, sich mit Paris zu solidarisieren. Dennoch sollte unser Mitgefühl allen Opfern und deren Angehörigen gelten, egal wo sie gestorben sind. Ansonsten ist die gezeigte Solidarität ausgesprochen einseitig. Ich denke immernoch, dass die beste Solidarität mit Kriegsopfern und Terroropfern weltweit sich darin bemisst, diese Themen nicht unter den Tisch fallen zu lassen, die Diskussion lebendig zu halten, von unserer Politik zu verlangen, Antworten zu finden und nicht einfach nur hinzunehmen. Und das ist etwas, das wirklich jeder tun kann.

3. Wenn Menschen von anderen Menschen getötet werden, fehlen mir die Worte, denn ich kann den Gedanken nicht nachempfinden, der einen Menschen dazu bringt, solche Dinge im Namen einer Lebensauffassung, einer Glaubensidentität oder auch einfach nur aus Gier und Hass zu tun. Ich bin in einer gebildeten Bürgerfamilie aufgewachsen, in der man Konflikte verbal ausgetragen hat, meine Liebe zu Diskussionen entstammt relativ direkt der Erziehung meiner Eltern, bei der ich mir durch gute Argumente die Dinge erstreiten musste, die ich haben wollte. Sein Recht mit einer Waffe oder auch einfach nur nackter Gewalt durchzusetzen, ist ein Konzept, das ich nicht wirklich begreifen kann, nicht innerlich nachvollziehen. Die Geschichte zeigt, dass Gewalt immer Gegengewalt hervorruft, und dass irgendwann die Gründe für einen Konflikt im Blut ertrinken.
Vielleicht sind Krieg und Gewalt deswegen auch immer wiederkehrende Themen in Fantasy- und SciFi-Welten, da sich Menschen, die im relativen Frieden aufgewachsen sind, mit solchen Dingen beschäftigen wollen, um sie zu verstehen. Und jene, die Krieg erlebt haben, schreiben die besten Antikriegsgeschichten.

4. Zum Wochenende hatte ich überlegt, noch eine Rezension zu posten oder ein Review zum neuen SWTOR-Addon "Knights of the Fallen Empire", aber es schien mir einfach nicht passend. Momentan erscheinen mir die meisten Themen unpassend oder zu leichtlebig, um sie mit den Geschehnissen auf der Welt wirklich in Einklang zu bringen. Oder sollte ein Blog nicht auch ein Fluchtpunkt sein, an dem sich die Gedanken mit anderem als Furcht und Leid beschäftigen können?
Wir dürfen unsere Lebensfreude nicht aufgeben, und auch nicht aufhören, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, Meinungen auszutauschen, zu feiern - unser Leben in allen Facetten zu genießen. Das Leben kann manchmal sehr kurz sein.

5. Ich hätte ich mir gewünscht, dass die Flüchtlingsdebatte nicht mit den Gesprächen über den IS-Terror verknüpft worden wäre. Vielleicht sind tatsächlich kriminelle Menschen als Flüchtlinge getarnt nach Europa gereist. Aber heisst das, dass wir nun alle aussperren müssen, die vor Dingen flüchten, die auch hier passiert sind? Niemand, der eine so lange Reise auf sich nimmt, die Entbehrungen, die Ungewissheit über das weitere Schicksal, tut das, weil sein vorheriges Leben so bequem war, weil alles so friedlich und lustig war in der zurückgelassenen Heimat.
Meine Großeltern mütterlicherseits waren ebenso Flüchtlinge, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Deutschland gekommen sind, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Flucht, Vertreibung, Ungewissheit sind vielleicht Themen, die uns in unserer Lebensrealität nicht mehr so nahe stehen, aber wir müssen eigentlich nur mal fünfzig bis siebzig Jahre zurückblicken, um zu sehen, wie alltäglich so etwas sein kann. Dass so etwas erstaunlich schnell passieren kann. Und dass wir trotz Hartz IV, Minijobs und Arbeitslosigkeit eigentlich immer noch ein verdammt bequemes Leben haben.

6. Schon in der Vergangenheit gab es blinden Fanatismus, der vor allem zu Leid geführt hat. Während meines Studiums der Geschichte habe ich immer mehr den Eindruck gewonnen, dass die Menschheit generell nur schwer aus der Vergangenheit lernt und darin auch lieber die Beleidigungen und Schmähungen sucht, die ihnen andere zugefügt haben, anstelle zu überlegen, welches Verhalten man ändern muss, um ein friedlicheres Leben zu erreichen. Aber um diesen Blick zurück auch rationaler anzustellen, muss man den Menschen den Zugang zu diesem Wissen und zu den entsprechenden wissenschaftlichen Methodiken ermöglichen, damit sie sich ihr Bild selbst machen können, unbelastet vom Geschrei irgendwelcher Fanatiker, egal aus welcher Richtung sie nun stammen mögen. 
Wenn ich wählen könnte, würde ich die Waffen- und Kriegsbudgets dieser Welt in Bildung investieren. Vielleicht bringt es neue Leute hervor, deren erschreckende Ideen zu erschreckenden Entwicklungen führen. Aber hoffentlich eben auch genügend Menschen, die mit gesundem Menschenverstand gegenargumentieren, ohne Blut und Gewalt. Und ja, in mir steckt ein kleiner Idealist.

7. Zuletzt habe ich über die Ereignisse auf dieser Welt einfach nur den Kopf geschüttelt und das war leider nicht erleichternd, weil es nur eine Reaktion ist und keine Aktion. Ich will wach bleiben den Themen und Konflikten gegenüber, diskutieren, Meinungen vergleichen, und vielleicht damit auch Menschen aufrütteln, die der vermeintlich leichteren Lösung, die Schuldfrage auf bestimmte Schultern zu verteilen, allzu bereitwillig folgen. Solidarität mit den Opfern kann und darf nur der Anfang sein.

Über Gloria H. Manderfeld

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