Slogan Nerd-Gedanken
Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Mehr Lametta, mehr Sorgen


Die Kabine war winzig und sie stank. Wie auch immer es dieser Geruch nach ungewaschenen Körpern, jahrealtem Schmutz und verschimmeltem Essen geschafft hatte, sich im Durastahl der Schiffswände festzusetzen, er war dermaßen hartnäckig, dass auch die altersschwache Klimaanlage nicht dagegen ankam. 
Dieser Geruch war Schuld daran, dass Lienas van Arden nicht schlafen konnte. Der neben ihr in eine Decke eingerollt liegende Mann schien sich daran weit weniger zu stören und schnarchte leise vor sich hin. Alles nur wegen der Tarnung. Ein Flug mit ihrer Phantom zu einer Relaisstation, von der aus sie einen Linienflug in den Huttenraum genommen hatten. Wechsel der Identitäten. Ein schneller Vorgang, zwei andere ID-Sticks. Schon waren aus Avanum Jiros und Lienas van Arden zwei Galaxistouristen geworden. Mr. und Mrs. Janossan, die Nar Shaddaa besuchen wollten. Einfache Leute mit einfachen Bedürfnissen und ein bisschen zu viel Geld. 

Der Huttenmond wimmelte von Leuten wie diesen, und sie würden in der Menge nicht auffallen. Eine gute Übung für ihren Schüler, und eine Erinnerung an alte Zeiten für Lienas. Dazu die absolute Notwendigkeit, dort an einige Waffen zu gelangen, die sie im imperialen Raum nur schwer erhalten würde, ohne Fragen aufzuwerfen. Nar Shaddaa fragte nur nach einer Sache: Nach Credits. Alles andere war nicht wichtig.
Sie rollte sich auf die andere Seite und zog die Decke über ihre Ohren. Für ein paar Momente vermittelte ihr das einen vagen Anklang von Geborgenheit. Keine vollkommene Stille, aber doch wohlige Wärme. Doch auch wenn die Decke nicht stank, der restliche Raum tat es umso schlimmer. Ihre Gedanken kreisten, kehrten zurück zu dem Leben, das sie für einige Tage zurückgelassen hatte. 

Inzwischen nicht mehr Second Lieutenant, sondern First Lieutenant van Arden. Eine Beförderung nach einem Jahr Dienst im 17. Sturmregiment 'Dromund Kaas', ausgeführt von Händen von Lord Tragos selbst. Ein flüchtiger Moment Stolz, einige weitaus mehr schmerzhafte Augenblicke Bitterkeit. Sie hatte in diesem einen Jahr so viel erlebt, so viel erlitten. So viele Schmerzen, Verletzungen, so vieles, das sie mit sich schleppte. Ehrliche Gratulationen, anerkennendes Nicken. Du hättest es sein sollen, der mir die neuen Rangabzeichen ansteckt. Ein schmales Lächeln. Eine stille, sehr private Feier. Die Zeit war einfach gleichermaßen zu kurz und doch auch zu lang gewesen.
Und doch auch nichts, was sie daran hätte missen wollen. Jedes Lebewesen war die Summe seiner Erfahrungen, und unter ihren Erfahrungen waren viele gewesen, die sie weitaus mehr noch zu dem Menschen machten, der sie nun war. Ein Mensch, der hatte lernen müssen, wie man mit anderen über lange Zeit am selben Ort zusammenarbeitete und -lebte. Der Bindungen aufgebaut hatte, große und kleine. Der ein Teil von etwas war, nicht nur ein Detail unter vielen.

Und nun würde sie all das aufs Spiel setzen müssen. Alles, was sie im Lauf ihrer gesamten Dienstzeit an Gefallen und Geld hatte anhäufen können, steckte in diesem einen Unternehmen. Wenn es gelang, dann würde sie von Neuem beginnen müssen, sich einen doppelten Boden zu schaffen. Wenn es nicht gelang, war sie Schuld am Tod guter Männer. Aber wenn es nicht gelang, würde sie selbst tot sein und dann wäre es nicht mehr von Bedeutung ... dennoch war dieser Gedanke kein Trost. Nichts an alledem konnte ein Trost sein.
In all den Jahren war sie als Agent genau deswegen gut gewesen, weil sie so gut wie nichts zu verlieren gehabt hatte. Weil sie sich keine Gedanken um das Morgen gemacht hatte. Das war heute anders. Sie wusste, es würde eine Lücke für einige geben, wenn sie nicht zurückkehrte. Wenn sie es nicht schafften, Arric aus der Blacksite des SID zu befreien, würde sein Sohn ohne Vater aufwachen, seine Frau würde ihn vermutlich niemals wiedersehen. Es musste einfach gelingen. Wie lächerlich der Rest der Galaxis in diesem Moment doch schien.
Die vielen Leben, die ihre Kriege führten, die von Leid und Blut und Schmerz berührt wurden, daran reiften oder zerbrachen. Für Lienas reduzierte sich das Ganze auf ihren Bruder. Nur ein einziges Leben unter so vielen. Hoffentlich würden sie noch rechtzeitig kommen. Bevor er zerbrechen würde. Bis ins Innerste versehrt, irreparabel verletzt. Sie durfte nicht an das Mögliche denken, das wusste sie. Doch trotz aller Konzentration auf das Jetzt schweiften ihre Gedanken immer wieder zum Vielleicht. Zu Arrics Vielleicht.

Private Wheest war gereift. Vielleicht sogar zerbrochen. Es gab einen riesigen Unterschied zwischen der jungen Frau, die vor wenigen Wochen zu einem Spezialeinsatz abkommandiert worden war, und jener, die ein Stoßtrupp des Regiments auf einem Kriegsplaneten gerettet hatte. Nach tagelangen Entbehrungen und Todesangst war ihr Blick hart und leer gewesen, zu Tode erschöpft war Theila Wheest mit den Kameraden in das Evac-Shuttle gestolpert. 
Kein Vergleich mehr mit der bockigen, trotzigen Person, die aus Langeweile oder Lust am Abenteuer gemeinsam mit einem Sklaven ein Swoopbike geklaut und dabei erwischt worden war. Die sie auf Anweisung von Sith Xzari, welcher der Sklave gehörte, mit dem Stock gezüchtigt hatte, wie es bei straffälligen Militärangehörigen nun einmal der Fall war. So ganz glaubte Lienas noch nicht an einen Wandel. 
Irgendwann ebbte jeder Schock ab und man kehrte zur Normalität zurück. Erst dann würde sich erweisen, ob die gelernte Lektion nachhaltig genug für Wheests rebellisches Wesen war. Mutig genug war sie, aber alles andere würde sie noch lernen müssen. Zumindest hatte sich Admiral Veidt, der angesichts eines katastrophalen Fehlschlags noch immer von einer erfolgreichen Mission sprach, das ganze Interesse des Lieutenants gesichert. Jeder hatte irgendwo Dreck am Stecken, und je höher der Rang, desto mehr Dreck. Es war eine Faustregel des IGD, und diese hatte sie immer bestätigt gefunden. 

In den letzten Wochen hatte es viele neue Gesichter im Regiment gegeben. PFC Kavan Syko, der ehemalige Kriminelle von einem Planeten, dessen Beschreibung so unangenehm klang wie der dort gesprochene Dialekt. Ein Mann mit einem starken Willen, aber doch auch einer Neigung zu unkonventionellen Lösungen und recht viel Hunger auf das andere Geschlecht. Wenn er in der Einheit wildern würde, war das ein Garant für künftigen Ärger. Aber auch Private Rondas Talvar hatte in dieser Richtung einiges an Problempotential. Mit mehr weiblichen Militärangehörigen in der Einheit gab es auch mehr Versuchungen für Soldaten mit entsprechenden Vorlieben. 
Seine ungewöhnliche Impftaktik hatte Lienas schnell misstrauisch gemacht. Immerhin hatte sie seit vielen Dienstjahren die Breitbandimmunisierung immer in den rechten Oberarm gespritzt bekommen. Den Hintern blankziehen und sich auf einer Krankenliege vorgebeugt bereit zu halten war da dann doch eher weniger eine Weiterentwicklung des Ganzen - Lienas war sich immer noch nicht sicher, ob sie den Sanitäter für seine Blödheit auslachen oder für seinen Schneid bewundern sollte. Vielleicht eine Mischung aus Beidem.
Ob sich Talvar in der Woche Prüfung auf Herz und Nieren im Kaas City General Hospital beweisen würde? Ärzte mit jahrelanger Erfahrung würden ihn auf Eignung zur Weiterbildung als Mediziner prüfen - diese Chance hatte ihm Lienas verschafft. Für Talvar hoffte sie, dass in ihm mehr steckte als ein perverser Arschgrabscher.
Und Specialist Gerett Obyr. Ein ehemaliger Angehöriger des Imperialen Bergungsdienstes, dessen Akte so unauffällig war und dessen Verhalten in kleinen Details dazu überhaupt nicht passte. Eine personalisierte Waffe. Das stetige Bestreben, sich unentbehrlich zu machen. Seine kybernetischen Implantate, der geschickte Umgang mit dem Fallschirm. Es stimmte etwas nicht mit ihm, aber noch beobachtete sie nur. Wachsames Misstrauen einem Mann gegenüber, der Geheimnisse mit sich herum schleppte. Die Art Misstrauen, die sie als Agentin hatte überleben lassen. Vielleicht wurde es Zeit, ihm die ein oder andere Herausforderung zu bieten.

Worte. Viele Worte. Im Halbdunkel der stinkenden Kabine betrachtete sie den entspannten Körper ihres Schülers. Er schlief, als beschwerten ihn keinerlei Sorgen. Als gäbe es den Krieg nicht, die Sorgen um Arric, um das Regiment, um alles, was sie mit sich herum schleppte. Empfand sie Neid deswegen? Sie lauschte tief in sich und ließ die Frage unbeantwortet, sondern beobachtete die stillen Atemzüge Avanums aus halb geschlossenen Augen.
Hatte sie das Recht, ihn zu bitten, sie auf  diese Mission zu begleiten? Er hatte ungleich mehr Jahre vor sich als sie. Und vermutlich ruhigere Jahre, auch wenn er sich mit den verdeckten Taktiken beschäftigte. Ein klassischer Agent, immer auf dem Sprung, würde er nie sein. Dafür lagen seine Talente viel zu sehr darin, ein Teil eines Ganzen zu sein.
Sein Charme würde ihm immer dabei helfen, Verbindungen zu knüpfen, seine Lebenslust ihm sicherlich mehr als eine Eroberung gestatten, die sich als hilfreich erweisen konnte. Sie lächelte schief und drehte sich auf den Rücken. Eigentlich hätte sie auf ihren begabten Schüler vor allem stolz sein sollen, doch heute fühlte sie nur Wehmut. Einer mehr, für den sie einen Brief schreiben musste, den er vielleicht nie erhalten würde.

Ob Colonel Sordan ein weiteres Mal ihre Briefe aufbewahren würde? Dieses Mal ging sie nicht davon aus, so leicht davon zu kommen wir bei anderen Einsätzen. Vielleicht wäre es ein letzter, faszinierender Kampf an der Seite ihrer Gefährten. Es würde ein guter Kampf werden. Zu schade nur, dass die Zurückbleibenden vermutlich nie davon hören würden, was wirklich geschehen war. Dafür mussten die Briefe ausreichen. Vielleicht würde sie ihr Versprechen, Captain Stryder-Garrde beim Versuch zu helfen, seine Tochter zu befreien, nie halten können. Aber sie konnte es weitergeben, an jemanden, der ihm an ihrer Statt helfen würde. So viel war ihr Vater ihm schuldig.
Amon Stryder-Garrde hatte nie viele Fragen gestellt. Vielleicht war es auch wegen ihres Blicks nicht nötig gewesen. Es ging um ihren Bruder, ihr Fleisch und Blut. Ebenso, wie es um Stryder-Garrdes Fleisch und Blut ging.
Ein Eifer, der tiefer reichte als jeder Schwur, den sie jemals ihren Dienstherren hatten schwören müssen. Auf manche Fragen konnte es eben immer nur eine einzige Antwort geben.
Viele Momente, in denen sich die beiden so verschiedenen Offiziere fast blind verstanden. Ob es an der gleichen Ausbildung lag? Aber hier war es Lienas, die keine Fragen stellte, sondern einfach hinnahm. Ein ganzes Jahr und viele einzelne Momente hatten den stoischen Offizier und seinen XO zusammengeschmiedet. Es würde kein leichter Brief werden, so viel stand fest. Vermutlich konnte es für das, was sie schreiben wollte, überhaupt keine richtigen Worte geben.

Wieder rollte sie sich auf dem Bett herum und wünschte sich in den Kaaser Dschungel zurück. In ein einfaches Zelt mit einer Kühleinheit, die ihre Energie illegal von einem imperialen Wachzaun bezog. Kleine, wunderbare Beweise zivilien Ungehorsams. Stille Wasser sind tief und schmutzig. Sie mochte die Art Tiefe, die zu diesem verborgen stehenden Zelt geführt hatte, und ebenso den Gedanken, dass sie einer der wenigen Menschen war, die diese Tiefe kannten. Ein kleiner Fluchtpunkt vor dem Alltag, gehegt und gepflegt wie eine kostbare Pflanze.
Fast hätte sie bei der Erinnerung gelacht.
Wer mit Carsson Thrace zu tun hatte, sah meistens doch nur den pflichtbewussten, arbeitsamen Offizier. Nicht den Mann, der sich an jeder Ecke, an der er stationiert war, kleine Inseln der Rebellion errichtet hatte, um sich ein wenig Freiraum zu verschaffen. Dass er das Wissen um diese Orte mit ihr teilte, nahm sie mit einem Lächeln an. Und Dankbarkeit, die sie nur selten wirklich zeigen konnte. Das würde sie verbessern müssen. Sie musste noch so vieles tun, so vieles zeigen, so vieles leben. Es durfte mit dem Angriff auf die Blacksite einfach noch nicht beendet sein.
Dieses Mal wollte sie leben. Zurückkehren. Wollte den Erfolg unbedingt, nicht nur für sich alleine. Dieses Mal war es anders als die vielen Male zuvor. Die geballte Faust an die Brust pressend, zog sie die Beine an ihren Körper und formulierte stumm die Worte, die sie in einem weiteren Brief schreiben würde. Der längste vermutlich, aber es würden nie genug Worte sein können. So viele Briefe. Es waren mehr geworden innerhalb dieses Jahres. Ein großer Teil von ihr empfand das als gute Entwicklung.

Ein leises Piepsen von der Com-Konsole der Kabine machte Lienas darauf aufmerksam, dass der Landeanflug auf Nar Shaddaa begonnen hatte. Zeit, in die Realität zurückzukehren. Avanum aufzuwecken - nein, noch nicht. Er sollte ruhig den Schlaf auskosten, den er brauchte. Sie würden noch genug Aufmerksamkeit und Kraft brauchen, um den Waffendeal mit Blex' Bruder durchzuziehen.
Ein goldenes Versprechen - sie würde sehen müssen, wieviel der Waffenschieber von seiner Seite aus einhalten würde. Wie vertrauenswürdig der Bruder eines Mannes war, an dessen Seite sie genug Blut vergossen hatte. Aus welchem Holz war wohl Cortes Blex, der Deserteuer, geschnitzt? Nar Shaddaa erwischte letztendlich doch jeden, der nicht gut auf sich Acht gab ...

Über Gloria H. Manderfeld

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