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Rezension: Das Terminus-Experiment

Im Jahr 2060 hat sich so manches geändert – Großkonzerne halten faktisch die politische Macht in Händen, mythische Wesen bevölkern die Erde und Vampirismus ist eine Viruserkrankung, die staatlich registriert werden muss. Bekanntermaßen leiden Vampire unter dem Nachteil, sich nicht am Sonnenlicht bewegen zu können, doch dieser und andere Nachteile sollen nach dem Willen eines Londoner Geheimbundes Vergangenheit werden:
Der geniale Wissenschaftler Dr. Oslo Wake soll das unmöglich geglaubte schaffen und den Vampirismus-Virus so weit verändern, dass Vampiren der Aufenthalt unter der Sonne möglich wird. 

Erste Experimente haben bereits zu erschreckend brauchbaren Ergebnissen geführt, doch als der modifizierte Vampir Marco d'Imato bei einem Angriff des Vampirjägers Martin de Vries stirbt, werden auch vollkommen Unbeteiligte in die Angelegenheit hineingezogen. Rachel Harlan, erotische Tänzerin und Freundin des Künstlers Warren, muss feststellen, dass ihr Geliebter ihr über seine Herkunft nicht die Wahrheit gesagt hat, ist er doch der Bruder des Verstorbenen und längst ein unfreiwilliger Teil des erschreckenden Plans.
 
Als Warren entführt wird, scheint es, als könnte nur noch einer ihr helfen: Martin de Vries, selbst Vampir und ein Jäger seinesgleichen, der sich seine Menschlichkeit bewahrt hat. Rachel begibt sich mit einigen befreundeten Shadowrunnern tief in die Schatten, um ihren Geliebten freizubekommen, doch müssen sie bald feststellen, dass ihr Gegner weit erfindungsreicher ist als erwartet. Das veränderte Virus ist nur eine der Überraschungen, die Dr. Wake in seinem Labor entwickelt, und seine Auftraggeber haben keinerlei Hemmungen, ihre neu gewonnenen, schrecklichen Waffen an den Runnern zu erproben …


Auch der achtunddreissigste Roman des Shadowrun-Zyklus lässt den Leser in die Welt der Schatten abtauchen, diesmal nach Seattle. Neben all den bekannten mythischen Wesen fokussiert sich 'Das Terminus-Experiment' vorrangig das Thema Vampirismus und den sehr unterschiedlichen Umgang einzelner Personen mit diesem, und so wird auch die gesamte Erzählung aus den Blickwinkeln mehrerer Handelnder beleuchtet.
Sowohl der geniale Dr. Oslo Wake und sein Assistent Dr. Pakow, der skrupellose Marco d'Imato, das vampirische Oberhaupt der d'Imato-Familie, sein Bruder und zweiter Mann im d'Imato-Familienunternehmen Fratellanza julius sowie die Shadowrunner von der Gegenseite, Rachel Harlan, Vampirjäger Martin de Vries, seine Assistentin Short Eyes und die Albino Sinunu kommen zu Wort und verleihen den jeweiligen Szenerien durch ihre Gedanken und Reaktionen eine hohe atmosphäische Dichte. Die zumeist kurz gehaltenen Kapitel und der häufige Perspektivwechsel lässt ein hohes erzählerisches Tempo aufkommen, das zur abwechslungs- und actionreichen Erzählung passt.

Dabei gelingt es dem Autorenduo, die unterschiedlichen Blickwinkel sehr glaubhaft und den jeweiligen Charakteren angemessen darzustellen, wenngleich die Entwicklung von Rachel Harlan von der Tänzerin zur Shadowrunnerin sehr schnell und etwas unglaubwürdig vor sich geht, auch erscheint ihre Beschreibung aus Sicht der anderen Handelnden teilweise als recht übertrieben. Doch das ist dies die einzige deutliche Entgleisung bei der Charakterisierung der Handelnden, gerade wenn man die eigentlichen Bösen betrachtet.
Keiner unter ihnen handelt einfach nur, um böse zu sein, jeder verfügt über brauchbare und nachvollziehbare Motive, selbst die Handlungen des sich am Rande des Wahnsinns befindliche Marco d'Imato, den der Leser auf seinem geistigen Verfall begleitet, bleiben einigermaßen verständlich.

Die Erzählung selbst verfügt über einige überraschende Wendungen, sodass auch bei den großen Actionanteilen keine allzu große Langeweile aufkommt, wenngleich die pure Masse der vernichteten Gegner bisweilen unrealistisch wirkt und zu einem gewissen Spannungsverlust wegen des Gewöhnungseffekts führen kann.
Dabei ist der Grundgedanke, eine Shadowrunner-Truppe bei ihren Einsätzen zu begleiten, für das Genre und vor allem diese Buchreihe nicht gerade neu, wird aber durch die weiteren Handlungsebenen der Gegnerpartei aufgelockert.

Das Ende lässt genug offen, um Raum für eine Fortsetzung mit fast allen bekannten Protagonisten zu bieten, auch dass die eigentlichen Auftraggeber des Wissenschaftlers nur indirekt in Erscheinung getreten sind, lässt vermuten, dass eine weitere Erzählung an 'Das Terminus-Experiment' anknüpfen könnte.

Fazit: Solide Shadowrun-Unterhaltung, die das Feeling dieser düsteren Zukunftswelt gut transportiert. Wer eine klassische Runner-Story mag, kann hier zugreifen, darf aber nicht zu viel Tiefgang erwarten. Sechs von zehn Punkten.

Buchdetails:
Reihe: Shadowrun, Band 38
Titel: Das Terminus-Experiment
Autor: Jonathan Bond & Jak Koke
Buch/Verlagsdaten: Heyne, 2000, ISBN-13: 978-3453171107

Über Gloria H. Manderfeld

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