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Rezension: Splittermond - Die Welt von Lorakis

Das ferne Lorakis lockt mit einer Welt voller Abenteuer, beleuchtet von drei Monden. Einer dieser drei Monde ist der namensgebende für das neue deutsche Rollenspiel-System „Splittermond“ und hat die Geschichte von Lorakis nachhaltig verändert: Er barst auf und seine Splitter fielen auf die Welt herab, hinterließen Krater, zerstörten Gebirge und Landschaften. Doch auch viele hundert Jahre nach dem folgenschweren Zerbersten des Mondes beeinflussen die Mondsplitter das Geschehen auf Lorakis: Die Legende sagt, dass Lebewesen, die während der nach wie vor stattfindenden Mondsplitterschauer geboren wurden, diese in sich aufnehmen und durch die Kraft eines Mondsplitters zu außergewöhnlichen Personen heranwachsen, gestützt von der in diesen enthaltenen Macht …


Wer sich als Spieler oder Spielleiter einen eigenen, tiefgreifenden Eindruck der Welt von „Splittermond“ verschaffen möchte, bekommt vom Uhrwerk-Verlag nun mit dem Quellenband „Die Welt“ ein 280 Seiten umfassendes Werk in die Hand gelegt, dazu eine zweiseitige, farbig bedruckte Karte im A1-Format. Diese bietet auf der einen Seite das derzeitig bekannte Lorakis, auf der anderen Seite  ein Stadtplan von Ioria mit Bezirksüberblick und eine Weltkarte von Lorakis im Stil historischer Weltkarten des realen Mittelalters nach Berichten zeitgenössischer lorakischer Seefahrer.
Die gebundene Ausgabe von „Die Welt“ zeigt zudem an den Innenseiten des Bandes vorne eine lorakische Weltkarte ohne Beschriftung und eine Weltkarte mit farbig markierten Einflusszonen der verschiedenen Herrschaftsbereiche, dazu ein Lesebändchen.

Genereller Aufbau

Neben einem Vorwort und der Einleitung, dem Impressum und einer Übersicht der Autoren und Illustratoren ist „Die Welt“ grob in drei Bereiche unterteilt: Einem kurzen Einblick in die Welt und ihre verschiedenen Völker, einer sehr ausführlichen Beschreibung der verschiedenen Länder und ihrer politischen, kulturellen wie geografischen Eigenheiten, und weiterführende Informationen zum täglichen Leben der Bewohner von Lorakis wie Kriegführung, Wissenschaften und Sprachen.

Bei allen Länderbeschreibungen wird mit einem Übersichtskasten die Landschaft samt Klima vorgestellt, ebenso erhalten Flora und Fauna sowie Aspekte des Handels und der Verkehrswege Würdigung. Daneben werden die wichtigsten Ansiedlungen, der aktuelle Herrscher und wichtige Persönlichkeiten des jeweiligen Landstriches vorgestellt. Ein kleiner Abschnitt der Weltkarte zeigt, wo sich der jeweilige Teilbereich befindet, dazu gehen längere Texte auf die lokale Geschichte, Glauben, Lebensgewohnheiten der dort beheimateten Völker und andere wissenswerte Details ein – was je nach Landstrich auch etwas ausführlicher ausfallen kann.
Illustrationen lockern die Beschreibungen auf, dazu gibt es bei vielen Ländern noch ein Wappen abgebildet. Neben den generell sehr sehenswerten Illustrationen fällt jedoch auf, dass oftmals halbe Seiten zugunsten eines sauberen Satzes freigelassen wurden – anstelle eines recycelten Platzhaltersymbols wäre es hier sicherlich schöner gewesen, noch einige Informationen mehr zu erhalten, vielleicht auch eine Kurzgeschichte oder die Erzählung eines Einwohners über das jeweilige Land.

Eine interessante Neuerung bieten die sogenannten weißen Flecken auf der lorakischen Landkarte, die bei jedem Teilbereich extra einzeln aufgeführt und auf dem jeweiligen Kartenabschnitt gekennzeichnet sind. Ein weißer Fleck ist ein Ort oder auch eine kleinere Landschaft, der von den Spielentwicklern nicht ausgearbeitet wurde und deswegen von den Spielleitern selbst mit Leben gefüllt werden kann – je nachdem, wie es zu einem Abenteuer oder einer Kampagne passend erscheint. Wer die kleinteilige, überregulierte DSA-Landschaft negativ kennengelernt hat, dürfte diesen Aspekt sicherlich als angenehme Abwechslung empfinden. Hier bleibt genug Raum für langfristiges Ansiedeln der Spieler-Helden und dem Aufbau eines eigenen Lehnens oder die Geschichten der jeweiligen Spielleiter, ohne mit einer offiziellen Version der Welt zu kollidieren.


Zudem haben die Entwickler bei jedem Land einen Grundkonflikt mit eingebaut – sei es ein schwelender Herrschaftsstreit zwischen zwei Thronfolgern, ein Glaubenskonflikt mit extremen Positionen, ein Streit zwischen verschiedenen Rassen oder aber ein Grenzkonflikt mit den angrenzenden Nachbarn – der Spielleitern viel Stoff für eigene Ideen bieten kann, wenn man nicht auf vorgefertigte Abenteuer zurückgreifen möchte. Dieser Mut zum Raumbieten für Eigenes, ohne den Spielleitern zu vieles vorzugeben, scheint mir nicht minder bemerkenswert als die 'weißen Flecken' und lässt auch bei künftigen Publikationen darauf hoffen, dass ein ähnlicher Kurs weiter verfolgt wird.

Die Länder von Lorakis

Dragorea: Wer sich dem europäischen Mittelalter zugewandt fühlt, kann sich in diesem von den Ruinen der Drachlingen bestimmten Teil des lorakischen Kontinents zuhause fühlen. Neben den größeren Reichen Selenia und Patalis bieten auch die kleineren Monarchien reichlich Stoff für Freunde der klassischen Feudalherrschaft mit Rittern, Burgen und höfischen Werten, auch die Frage der Wichtigkeit des Glaubens ist bei vielen der beschriebenen Reiche ein entscheidendes Thema.
Bei den verheerten Landen und dem sie bewachenden Wächterbund können die Spieler-Helden direkt auf die Verheerungen durch den Mondfall stoßen und müssen sich mit der dort ganz anders funktionierenden Magie und einer Menge alter Geheimnisse auseinandersetzen.
Freunde von Fremdrassen kommen in Dragorea auch nicht zu kurz – die in Westergrom angesiedelten Zwerge, die jagdorientierten Vaigarr-Wargen und die im Immersommerwald lebenden Alben bieten reichlich Möglichkeit für spannende Kampagnen oder ein stimmiges Helden-Zuhause.

Die Frostlande: Im harschen Norden von Lorakis sind die Lebensbedingungen außergewöhnlich schwierig, doch gerade die wandernden Vargen der Raugarr und die Frynjord-Zwerge haben sich diesen sehr gut angepasst. Auch dem streitbare Reitervolk der Jogodai (die recht mongolisch angehaucht scheinen) gelingt das Überleben durch nomadische Lebensweise.

Takasadu: Fernöstlich wird es in Taskadu: mit Zhoujiang nimmt ein dem alten China ähnelndes Reich Einzug nach Lorakis, selbst die beschriebene Ämterlaufbahn für Minister und Beamte  und die Verehrung von Ahnengeistern sind recht nahe am historischen Vorbild angesiedelt. Auch Kintai, welches von einer albischen lebenden Göttin beherrscht wird, erinnert mit seiner strikten Hinwendung zu Perfektion und Schönheit sehr an die Grundsätze des historischen Japan, gewinnt aber durch die kulturellen Eigenheiten der Schwertalben und die verschiedenen Clans wieder an eigenem Profil. Auch die Untotenstadt Esmoda lockt mit einem jahrhunderte alten Fluch und einer ganz auf das Unleben ausgerichteten Kultur.

Die Smaragdküste: Der Süden von Lorakis bietet einiges an Dschungeln und glühenden Savannen, bei denen auch exotischere Völker wie die Naga oder Matua nicht zu kurz kommen. Wer sein Glück und große Reichtümer sucht, kann dies in diesen gefährlichen und spannenden Ländern reichlich finden – aber auch den Tod, der in mannigfaltiger Gestalt lauert. Friedliche Südlandinseln bieten Entspannung für Reisende, während sich andere in den tiefen, dämpfigen Urwäldern verlieren können.

Arakea: Der von tropischen Urwäldern beherrschte Subkontinent Arakea bietet eine von uralten Geheimnissen durchzogene Landschaft, auf der die Grenzen zwischen den einzelnen Herrschaftsbereichen immer wieder verschwimmen. Die Dämmeralben leben in ihren Wäldern eins mit der Natur, während der Jaguardschungel ganz nach atztekischem Vorbild kleine miteinander im Konflikt lebende Stadtstaaten bietet. Der wohl schönste Ort dürfte das Archipel der Mahaluu sein, der mit traumhaften Stränden und ewiger Glückseligkeit verführerisch lockt – wer es spannender mag, darf in den Dschungelreichen von Gotor auf Artefaktjagd gehen oder sich unter die Piraten von Marakatam mischen.

Pash-Anar: Das wichtigste Reich dieses Landstrichs ist zweifelsohne Farukan, das Reich des Padishah, welcher über viele kleinere, als Shahirate bezeichnete Teilreiche herrscht. Farukan erinnert kulturell sehr an den arabisch-indischen Orient und ist eines der am detailreichsten beschriebenen Länder von Lorakis. Jedes dieser Teilreiche interpretiert den für alle Farukani wichtigen farukanischen Ehrenkodex auf eigene Weise, daneben bringt jedes Shahirat eine besondere Lebensweise mit in das große Ganze ein. Neben der lebensfeindlichen Wüste im Süden des Landstriches bietet Pash-Anar noch sehr mysteriöse Rassen wie die uralten Lamassu oder die riesenhaften Nephilim.


Länder am Binnenmeer:
Die größte Stadt des Kontinents ist Ioria, Zielpunkt vieler Pilger und vollständig von Glaube und Religion bestimmt. Wer eine Weissagung sucht, findet sie im Orakel von Ioria – nur ist sie selten so hilfreich, wie es sich die Reisenden erhoffen. Der mertalische Städtebund erinnert in Aufbau und politischer Struktur an das Italien der Renaissance und bietet reichlich Platz für Intrigen und widerstreitende Interessen von Auftraggebern. Schädelkorsaren und die Seenomaden der Alfali runden das Bild eines vielfältigen Landstriches ab.

Generell kann ich nur davon abraten, diesen Quellenband in einem Rutsch durchlesen zu wollen – schon aufgrund der vielen Detailinformationen zu den einzelnen Reichen dürfte das nur schwer möglich sein. Auch mir ist es nur in kleineren Häppchen gelungen, dieses Buffet der spielerischen Möglichkeiten ausreichend zu würdigen und zu goutieren. Während der Tisch gerade bei Farukan und Dragorea überreichlich gedeckt ist, kommen mir doch einige Landstriche ein wenig zu kurz – bei den tiefen Dschungeln der Smaragdküste oder den Ländern am Binnenmeer hätte ich mir ein bisschen mehr Substanz gewünscht.

Die doch recht deutlichen kulturellen Ähnlichkeiten zu historischen Reichsgebilden sind einerseits verständlich, andererseits durch ihre gar zu große Offensichtlichkeit für geschichtlich interessierte Leser wie mich eher ärgerlich – hier hätte bei einem gänzlich neu kreierten Weltengefüge einfach noch etwas mehr an Eigenschöpfung drin sein können. Städte wie Esmoda zeigen nämlich, dass die Spielentwickler dazu ohne Probleme fähig sein dürften.

Weiterführende Informationen über Lorakis

Wer sich an den Hintergründen zu den verschiedenen Reichen und Kulturen noch nicht sattgelesen hat oder tiefer in die lorakische Geschichte eintauchen will, erhält im dritten Teil von „Die Welt“ reichlich Gelegenheit dazu. Doch auch die Mondpfade, welche von den in einigen größeren lorakischen Städten stehenden Mondportalen beschritten werden können und sehr weite räumliche Entfernungen überbrücken, werden detailreich beschrieben. Da der Götterhimmel von Lorakis mindestens so reichhaltig und vielfältig ist wie die einzelnen Landstriche, erhält dieser mit einer umfangreichen Tabelle der Aspekte, Regionen und empfohlenen Magieschulen Würdigung.

Auch Handel , Sprachen und Verkehr sowie die Formen der Kriegsführung und die benutzte Heraldik der verschiedenen lorakischen Reiche und Wissenschaften wie Heilkunst, Alchemie und Zauberkunde werden hier beschrieben.
Gerade wenn man sich erst noch in die Welt von „Splittermond“ einlesen möchte, um eine genauere Vorstellung von der die eigenen Charaktere umgebenden Welt zu erhalten, ohne dauernd den Spielleiter bemühen zu müssen, wird in diesen Kapiteln reichlich Stoff finden können, muss allerdings ein bisschen aufpassen, um sich durch einige Spielleiterinformationen den Götterhimmel betreffend nicht zu sehr zu spoilern. Wer eine „Splittermond“-Tischrunde leiten möchte, kommt um diesen Weltenband nicht herum, auch für reine Spieler dürfte er sich durch die Fülle an Einblicken in Land und Leute lohnen.

Fazit: Nahezu rundum gelungenes Werk, das bei keiner Splittermond-Spielrunde fehlen sollte – allein die Beschreibung der verschiedenen Länder macht schon Lust, diese einmal in einer Tischrunde zu 'besuchen'. Neun von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel: Splittermond - Die Welt von Lorakis
Autor: Thomas Römer (Hrsg.) und andere
Verlag: Uhrwerk, (15. Januar 2014), 288 Seiten, ISBN-13: 978-3942012775, 39,95€

Anmerkung:
Vielen lieben Dank an den Würfelhelden dafür, dass er mir dieses Buch zum Rezensieren weitergereicht hat :)

Über Gloria H. Manderfeld

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