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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Ein scharfes Schwert



Der Thronsaal war prächtig gestaltet und bot dem umher schweifenden Blick von Lieutenant Lienas van Arden reichlich Gelegenheit, sich an einigen faszinierenden Details aufzuhalten. Wieder rief sie sich ins Gedächtnis, was sie über Haus Elentaar wusste - es war eines der älteren Adelshäuser von Alderaan, inzwischen allerdings relativ nahe davor, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die einige Jahre zurückliegenden Kämpfe gegen einen Kilik-Schwarm, der sich auf dem Gebiet der Elentaars hatte niederlassen wollen, hatten das Haus letztendlich die politische Unabhängigkeit gekostet, da Count Orcin Elentaar schließlich Haus Thul um Hilfe hatte bitten müssen.
Inzwischen war die Kilik-Krise überwunden und dem gebirgsgeprägten Land von Haus Elentaar waren die Folgen dieser Zeit nicht mehr anzumerken, der Frieden war zurückgekehrt. Aber das zerrissene Innere des Hauses lag selbst jetzt noch offen dargeboten vor den Blicken aller, die klug genug waren, darauf zu achten.

Das Blitzen und Blinken konnte Lienas nicht täuschen. Die goldverzierten Stuckelemente an den Wänden und der Decke waren kunstvoll gearbeitet, ganz im Geiste dessen, wofür sich Haus Elentaar nun rühmte. Die Musik anlässlich der Erbfolgefeier klang erlesen, selbst für das Gehör einer Offizierin, für die derlei am besten sehr viel Rhythmus hatte und laut war. Baroness Carvalis, die älteste Tochter des Hauses, bot ein Violinestück dar, für das andere Leute eine Menge Credits in einem Konzertsaal bezahlen mussten, um es hören zu dürfen - und Lienas bekam den Musikgenuss nahezu kostenfrei. Aber nur nahezu.
Als das Musikstück endete und der Applaus der Anwesenden aufbrandete, straffte sich Lienas innerlich. Dem Ablaufplan nach würde nun der entscheidende Teil des Abends kommen, wegen dem sie hier herumstand, in Galauniform, mit einer peinlichen, dunkelblauen Schärpe auf der Schulter. Was sich wohl Avanum Jiros dachte? Der Private First Class stand unbeeindruckt hinter ihr, eine schweigende Säule der Zuversicht inmitten eines Raumes voller Ungewissheiten. Dass sie ihren Schüler mitgenommen hatte, basierte auf einer kühlen Kalkulation - und Instinkt.

Er war längst soweit, mehr als nur die Theorie zu lernen, es war an der Zeit, dass seine Übungen auch praktischer Natur wurden. Seine Beobachtungsgabe war vielversprechend, ebenso sein Instinkt. Da sie ihrem neuen, alderaanischen Familienanhang bis auf Elira ganz generell misstraute, war ein zusätzliches Augenpaar, das gänzlich unbeeindruckt beobachten konnte, eine wertvolle Ergänzung. Bislang war sein Benehmen tadellos gewesen, und die anwesenden Damen hatten den schmucken Soldaten in seiner Galauniform ebenfalls bemerkt. 

Innerlich schloss sie eine Wette mit sich selbst ab, welche ihn am Ende des Abends wohl abschleppen würde und musste beim Gedanken daran, vermutlich Recht zu behalten, sachte schmunzeln. Dann lenkte Elira Lienas' Aufmerksamkeit auf sich, als sie mit dem kleinen Olvan auf den Armen zu ihr trat und ihr den Säugling behutsam übergab. Die Augen ihrer Schwägerin strahlten, und ihr Lächeln verriet nicht, dass ihr das Herz schwer sein musste angesichts dieses Momentes, an dem eigentlich ihr Ehemann Arric hätte anwesend sein sollen, den Platz seiner Schwester einnehmen.  
Es ist, wie es ist, dachte Lienas mit einem Anflug von Bitterkeit. Manches hatte man einfach nicht in der Hand, zumindest nicht so, wie man es sich vielleicht wünschte.

"Werte Angehörige des Hauses Elentaar, verehrte Repräsentanten des Sith-Imperiums, geschätzte Freunde und Verbündete seit so vielen Jahren!" Die Stimme von Count Orcin dröhnte mit Leichtigkeit durch den Raum, und wieder einmal musste Lienas feststellen, wie sehr er einer ausgewachsenen Nekarr-Wüstenkatze glich - bis auf die Zähne natürlich. Sein Haar wallte wie eine Mähne über seine Schultern, und auch mit seinen neunundfünfzig Jahren war der Adelige noch immer eine mehr als stattliche Erscheinung. Seine schöne und acht Jahre jüngere Ehefrau Isadora galant am Arm führend, zeigten beide Staatsroben in den Farben des Hauses - weiß, silber und dunkelblau.
"An diesem Abend habe ich Euch alle zu uns gebeten, um vor dem Angesicht derer, die unserem Haus die Treue halten, das jüngste Mitglied unserer Familie willkommen zu heissen und ihn offiziell in die Erbfolge mit aufzunehmen - Olvan van Arden-Elentaar, der erste Sohn meiner Tochter Amelira und ihres Gemahls Arric." 
Höfliches Klatschen folgte, jedoch nicht zu laut, um den in seinen Decken eingewickelten Säugling nicht zu wecken. Wie es das Protokoll vorsah, hob Lienas den kleinen Olvan vorsichtig empor und zeigte ihn den anwesenden Gästen und Höflingen. Glücklicherweise schien ihr Neffe auch den festen Schlaf von seinem Vater geerbt zu haben, denn er regte sich nicht und schlummerte gemütlich in ihrem Arm weiter. 
Nur die ausgesprochen saure Miene von Baron Ontaris, dem ältesten Sohn des Counts, passte nicht so recht zum feierlichen Anlass. Obwohl er bereits seit mehreren Jahren verheiratet war, hatte sich von seiner Seite noch kein Nachwuchs eingestellt. Nun bei der Einsetzung seines Neffen in die Erbfolge zusehen zu müssen, gefiel ihm ganz offensichtlich nicht.

"Da sein Vater jedoch im Krieg geblieben ist und wir nichts über seinen Verbleib wissen, sieht es unsere Tradition vor, dass er unter die Obhut eines Vormundes gestellt wird, damit dieser seine Interessen wahrt." 
Gerade die älteren Anwesenden nickten deutlich, anscheinend war dieses Vorgehen nicht ungewöhnlich, oder entsprach zumindest dem, was man in einem solchen Fall üblicherweise tat. Nun trat Elira an die Seite von Lienas, eine reichverzierte samtene Schwertscheide samt Waffe darin in beiden Händen haltend. 
"Es liegt bei der Mutter, sich für einen Vormund zu entscheiden, und so überlasse ich meiner Tochter, der Baroness Amelira van Arden-Elentaar, die Wahl." Dutzende Blicke richteten sich auf die hinreißend schöne junge Frau, die in diesem Moment lang wie die Verkörperung des Stolzes und des starken Willens einer sehr alten Familie wirkte. Ein sirrender Klang erfüllte die Luft, als Elira das Schwert aus der Scheide zog, eine sichtbar alte Waffe, die in hervorragend gepflegtem Zustand war. Sie reckte die gleißende Klinge im vielestaltigen Licht des Raumes empor und räusperte sich.

"Ich, Amelira, zweite Tochter des Hauses Elentaar, übergebe hiermit die Vormundschaft an die älteste Schwester meines Gemahles Arric, auf dass sie Schmerz, Furcht und Tod von meinem Sohn Arric fernhalten möge, von jetzt an bis zu jenem Zeitpunkt, an dem es mein Gemahl wieder selbst zu tun in der Lage ist. Dies ist mein Wille als die Frau, die dieses unschuldige Kind auf die Welt gebracht, gewiegt und genährt hat!"
Mit einer herrschaftlichen Geste überreichte sie die Waffe an Lienas, welche auf ein leichtes Kopfneigen Eliras hin vortrat, bis zum obersten Absatz jener Stufen, die zu den anwesenden Gästen hinab führten. Rauh lag der Griff der Waffe in der Hand der Offizierin. Dieser Teil des Schwertes bewies ihr sofort, dass es irgendwann einmal zum Kämpfen benutzt worden war. Ein rauher Griff erleichterte es, eine Klinge mit schwitzigen Händen zu führen. 
Als Lienas das Schwert langsam wog, fühlte sie sofort, wie gut es ausbalanciert war. Es würde eine reine Freude sein, mit einer Waffe wie dieser zu kämpfen, zu fühlen, wie sie zum verlängerten, tödlichen Teil ihres Armes wurde. Aber heute musste sie damit etwas anderes tun. Auch sie hob die Waffe nun an, führte sie hoch empor, um zeremoniell ihre Bereitschaft anzuzeigen, den kleinen Olvan zu verteidigen.

"Ich, Lienas van Arden, Tante von Olvan van Arden-Elentaar, gelobe hiermit, sein Schwert, Schild und Lehrer zu sein, bis sein Vater Arric diesen Platz wieder einnehmen kann. Mein Leben für sein Leben, diese Klinge, um seinen Leib zu schützen!" Damit hatte sie dem Protokoll genüge getan, aber die Blicke der Anwesenden bewiesen ihr, dass sie noch nicht überzeugt waren. Das Schmierentheater auf Alderaan-Art hatte einfach nicht gut genug funktioniert. Ob es an den imperialen Uniformen lag, die Lienas und Avanum Jiros trugen? 
Vielleicht lag es auch daran, dass Haus Elentaar nicht als besonders kriegerisch galt und seit Jahren schwach war, so schwach, dass es sich hinter den Rockschößen von Thul verbergen musste. Oder aber die exzentrische Art des Counts konnte die Zweifel nicht zerstreuen, dass die Zukunft des Hauses gesichert war - sie konnte es nicht sagen, dafür kannte sie diese Leute noch nicht gut genug. Aber sie konnte ein Zeichen setzen.
Kurz glitt Lienas' Blick über die Umgebung, dann ging sie, Olvan im Arm und das Schwert in der Hand, einige Schritte die Treppe hinab herunter. Die Gäste wichen zurück, einige blickten überrascht andere neugierig, als die imperiale Offizierin einen kleinen Holztisch ansteuerte, auf dem Schalen mit kandierten Früchten standen. Aber Lienas hatte überzuckertes Naschwerk ohnehin noch nie gemocht.

Sie gab dem Tischchen mit ihrem auf Hochglanz polierten schwarzen Stiefel einen ordentlichen Tritt in Richtung der Mitte des Raumes. Heftig schepperten die Schalen auf den Boden, das klebrige Zeug verteilte sich auf blankgewienertem Marmor. Nun war auch Olvan erwacht und krähte vergnügt aus dem Inneren der Decken heraus. Mit einem entschlossenen Lächeln auf den Lippen ließ Lienas das Schwert einmal um ihr Handgelenk wirbeln und rammte es mit Wucht in das Holz des Tischchens, sodass es dort stecken blieb und wie eine tödliche Warnung glänzte.
"Ich halte Furcht, Schmerz und Tod von meinem Neffen fern, und merken Sie sich eines: Wer ihm etwas antun will, muss erst einmal an mir vorbei!" Ihre Worte hallten durch den Raum, und mit einem Mal waren die Anwesenden vollkommen aufmerksam. Auch Elira blickte sie überrascht an, doch war es Count Orcin, der zu klatschen begann. 
Nach und nach fielen alle anderen ein, bis sich schließlich das glucksende Jubeln des kleinen Olvan in den Applaus der Anwesenden mischte. Nun wirkten sie deutlich überzeugter ..

Mit einem Ruck zog Lienas die Klinge aus dem Tischchen und ließ sich von Elira die Schwertscheide an der Schärpe befestigen. Doch erst als sie die Klinge in die reich verzierte Scheide zurück schob, entspannte sich endlich auch der Gesichtsausdruck von Baron Ontaris. Später würde Lienas ihren Schüler fragen müssen, ob ihm auch dieses interessante Detail aufgefallen war - das bislang wichtigste des Abends.
"Wohlan, ein glückliches Haus, das von einem so scharfen Schwert beschützt wird .." erhob der Count wieder die Stimme und flocht in seine folgende Rede noch einige schmeichelhafte Plattitüden ein, welche die strahlende Zukunft seines Enkels in reichhaltigen Farben ausmalte. Und während sich die Zeremonie fortsetzte, hielt Lienas das kleine Bündel Mensch im Arm, die Gedanken weit fort in einem ganz anderen Teil der Galaxis. Dort hatte sich ein folgenschwerer Kampf zwischen einem imperialen und einem republikanischen Kampfschiff zugetragen, der vom Ministerium nach wie vor totgeschwiegen wurde ... und dort wäre sie tausendmal lieber gewesen als in einem prächtigen Thronsaal auf Alderaan, inmitten von distinguierten und prächtigen Gästen, für die das alles keinerlei Bedeutung hatte.

Über Gloria H. Manderfeld

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