Gegen vier Uhr heute morgen habe ich es aufgegeben und mich ins Bett geworfen - den Wahl-Liveticker, das Warten auf die Entscheidung über die vielen, vielen Staaten, in denen das Ergebnis 'too close to call' war. Die Staaten, in denen bereits ein Ergebnis feststand, waren die absolute Minderheit, und für ein sich abzeichnendes Kopf-an-Kopf-Rennen war ich dann doch zu müde. Während sich in Amerika und im Rest der Welt also die Kommentatoren die Zungen heiß redeten, zog ich mir die Decke über den Kopf.
Angesichts des Ergebnisses heute morgen hätte ich es auch gerne dabei belassen.
Von den beiden Kandidaten, die mir beim Gedanken daran, dass sie einmal über Atomcodes verfügen würden, übles Magengrimmen verursacht haben, hat dann auch noch derjenige gewonnen, den ich noch weniger als Präsident der USA sehen wollte als die Konkurrentin: Donald Trump.
Donald Trump, dessen Wahlkampf vor allem durch Beschimpfungen, Hasstiraden und persönliche Attacken geprägt war, wird nun durch das amerikanische Volk in seinem grenzwertigen Allgemeinverhalten bestätigt.
Ein Mann, dessen verbaler Abfall durch seinen Twitter-Account in die weite Welt getragen wurde, dessen Ansichten zum Umgang mit Frauen gelinde gesagt beschämend sind, der sich nach wie vor weigert, seine Finanzen offen zu legen, der ist nun der designierte 45. amerikanische Präsident, in einer Reihe mit Männern wie George Washington, Abraham Lincoln und Franklin D. Roosevelt.
Dass sein Wahlkampfteam ihm kurz vor der Wahl den Twitter-Account aus der Hand nahm, damit er keine weiteren seiner berüchtigten spätnächtlichen Attacken posten konnte, lässt hoffen, dass es auch in Zukunft irgendwen gibt, der ihn davor bewahrt, seine Meinungsäußerung über so ziemlich alles mögliche frei von der Leber weg in Social Media-Kanäle zu hämmern.
Denn künftig ist er nicht mehr nur eine Privatperson, die das höchste Amt der USA zu erlangen versucht, sondern derjenige, der dieses Land vor den Augen der Restwelt verkörpert. Was er im Überschwang von Frustration über politische Verhandlungen mit Regierungschefs der ganzen Welt posten könnte, will ich mir nicht wirklich ausmalen.
Die tendenziöse Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten, in
denen Donald Trump zum Antichristen gestempelt und Hillary Clinton zur
verlässlichen Alternative stilisiert wurde, verursacht mir aber ein ebenso schlechtes Gefühl wie das, was kontinuierlich aus Trumps schriftlichem Schandmaul heraus drang:
Selbst in der Wahlnacht gab es in den deutschsprachigen Medien eine sehr klare Bevorzugung von Clintons Präsidentschaft, O-Töne favorisierten die erfahrene Politikerin und versuchten sie als Menschen zu erklären, der stets durch die Skandale ihrer Umgebung geprägt wurde. Wer den Namen Clinton hört, denkt auch heute noch an 'that woman' und überlegt sich, was man so alles mit Zigarren anstellen kann, wenn man nur will. Dazu noch diese Sache mit den extern gespeicherten Emails, ein möglicherweise pädophil veranlagter Freundeskeis und Untersuchungsanschuldigungen des FBI, passend lanciert wenige Tage vor der Wahl.
Sind das Kandidaten, die man ernsthaft als Präsidenten sehen möchte, in der Verantwortung für ein Land mit einem großen Militärapparat, der überall auf der Welt engagiert ist?
Aber Amerika hat entschieden, in einer demokratischen Wahl. Ob uns das Ergebnis gefällt oder nicht, wir müssen es akzeptieren, solange auch wir einer demokratischen Ordnung folgen.
Donald Trump hat das Rennen gemacht, egal, wie sehr die Medien, Künstler, Politiker und wer-auch-immer noch dagegen sprach. War er der bessere Showmaster? Oder hat er schlichtweg etwas bedient, das auch in Europa zunehmend ein Problem wird?
Denn Trumps Wahl ist eine der Frustrierten, eine der Alleingelassenen, eine der Bürger, die in den letzten Jahren zunehmend unter den Rädern der Hochfinanz und einer immer reicher werdenden Elite platt gewalzt wurden. Die sich nun hilflos fühlen und vor allem wütend. Wer keine Perspektive mehr hat, ist umso leichter bereit, einer Alternative zu folgen, Hauptsache, irgend etwas bessert sich für das eigene, als schlecht und perspektivlos empfundene Leben.
Denselben Effekt erleben wir gerade in Deutschland: Hass auf syrische Flüchtlinge, die gerade mal ihr Leben retten konnten, denen aber vorgeworfen wird, dass sie ein Smartphone haben und Nike-Turnschuhe tragen. Hass auf Leute mit anderer Kultur, anderen Ansichten, einer anderen sexuellen Identität. Wo Trump eine Mauer bauen möchte, um Latinos aus den USA fernzuhalten, errichten zu viele längst eine solche in ihren Köpfen.
Während unsere Politiker sich immer weiter von den Sorgen und Nöten des verunsicherten Volkes entfernen, scheint das einzige, das noch zu helfen scheint, sie zu verunsichern. Als Gegenpol wählen viele, die nicht sonderlich weit hinterfragen, das populistische Gebrüll der AfD, ohne zu realisieren, dass diese Partei auch keine Lösungen zu bieten hat, sondern sich in möglichst lautem Geschrei verliert.
Geschrei bietet keine Lösungen.
Ich bin ein moderater Mensch, und laut schreiende Leute verursachen mir Unbehagen. Ich mag keine Extremmeinungen, keine Fanatiker. Ich glaube daran, dass man Konflikte vernünftig lösen muss, um eine dauerhafte Einigung oder zumindest einen für beide Seiten brauchbaren Status Quo zu erreichen. Mein Kandidat wäre der vernünftige, soziale Bernie Sanders gewesen, aber die Demokraten entschieden sich für Hillary Clinton.
Erschreckend, dass es eine Wahl der unbeliebtesten Kandidaten war, in einem Land, in dem so viel auf Beliebtheit getrimmt ist und schon die Highschool zu einem Zuneigungswettbewerb wird.
Erschreckend, dass es in den USA eine Bevölkerungsgruppe gibt, die sich so sehr von ihrer politischen Elite verlassen und verkauft fühlen muss, dass sie einen Menschen ins mächtigste Amt der Welt hebt, der sich ungebremst wie ein beleidigter Fünfjähriger benimmt.
Erschreckend, dass die Medienlandschaft weltweit es nicht mal ansatzweise geschafft hat, ohne deutlich sichtbare Tendenzen über die Wahlen und den Wahlkampf zu berichten. Dass Dinge verschwiegen oder bewusst unter den Teppich gekehrt wurden, um dieser Tendenz mehr Nahrung zu geben.
Erschreckend, dass überall Parteien mit extremem Gedankengut auf dem Vormarsch sind, weil die angestammten Parteien der bürgerlichen Mitte nur noch damit beschäftigt sind, sich gegenseitig Zucker durch Pöstchen und anderes in den Hintern zu blasen. Dass bewusst Nachteile für das wählende Volk in Kauf genommen werden, um den bequemen vorhandenen Zustand beizubehalten.
Erschreckend, dass die meisten Menschen noch immer nicht genug Verantwortung mitbringen, sich in politische Zusammenhänge einzulesen und sich eine eigene Meinung zu bilden, anstelle dem Geschrei anderer zuzuhören, weil es bequemer ist.
Für jemanden mit historischem Studienhintergrund riecht das alles verdächtig nach der Depression der 1920er Jahre. Was dieser Zeit gefolgt ist, lernen Schulkinder im Fach Geschichte.
Die Welt wird nicht untergehen, weil Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Noch ist Amerika eine Demokratie, egal, was man vom Wahl- und Zweiparteiensystem halten mag. Noch besteht die Chance, dass ein Präsident Trump durch die Unterstützung seiner Berater und eine wache politische Debatte nicht zu einem Debakel wird. Noch besteht die Chance, dass durch die Entscheidung gegen das amerikanische Establishment etwas Positives für die Bürger erreicht werden kann.
Ich hoffe es wirklich.
Ich hoffe, dass wir 2017 intelligenter und vorausschauender entscheiden, wenn in Deutschland die Bundestagswahl und damit die Entscheidung für eine neue Regierung ansteht. Denn vorsichtig sollten wir werden und nicht vergessen, wie leicht extreme Meinungen zu extremen Ergebnissen führen können.
God bless America. Wir alle werden es brauchen.
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Schön geschrieben, auch wenn das Thema ja leider sehr frustrierend ist.
AntwortenLöschen-Philipp
Danke .. ;) naja, letztendlich darf man sich nicht entmutigen lassen, denke ich. Wir haben es doch selbst in der Hand, etwas zu verbessern.
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