Slogan Nerd-Gedanken
Karneval der Rollenspielblogs

Von Null auf Plot: Drei Tipps zum Impro-Spielleiten

Im Februar 2017 widmet sich der "Karneval der Rollenspielblogs" dem Thema "In letzter Sekunde". Greifenklaue organisiert diesen bunten Reigen für die ganze Familie - die perfekte Gelegenheit, mal ein bisschen aus dem SL-Nähkästchen zu plaudern, denn in meiner Karriere als Spielleiter gibt es so manche Begebenheit, die wirklich auf den allerletzten Drücker fabriziert war. Glücklicherweise haben das die Spieler nie bemerkt - hoffe ich.

Es gibt Sätze, die ich als Rollenspiel-Spielleiter zu hassen gelernt habe. Beispielsweise "Kannst Du bitte für mich übernehmen?" 
Zum ersten Mal begegnete mir dieser Satz vor über zehn Jahren auf dem Ultima-Online-Rollenspielshard "Oldworld", auf dem ich als einer der Quest-und Bau-Gamemaster unterwegs war. Quest-GM bedeutet, dass man sich Plots für die Spieler auf dem Server ausdenkt und sie in allerlei spannende, lustige, verrückte Begebenheiten verwickelt.
Ich habe mir damals das Thema "Fantasy-Welt" zu Herzen genommen und die Spieler ganz gerne in Situationen verstrickt, bei denen sie mit Ideen und Köpfchen besser voran kamen als mit purer, brachialer Gewalt - ein Schwert schwingen und 'nur' Monster umkloppen kann schließlich jeder.
 
Damals war eine Quest angesagt, bei der etwa zwanzig Teilnehmer darauf warteten, einer seltsamen Untotenplage auf einer Halbinsel im Süden der bespielten Karte auf den Grund zu gehen. Organisiert werden sollte das Ganze von einem meiner Quest-GM-Kollegen, der sich etwa zwei Minuten nach Start mit der legendären Meldung "Mein Aquarium ist umgefallen, ich muss wischen gehen - kannst du mal für mich übernehmen?" verabschiedete. 
Dazu muss man sagen, dass es kein 5l-Aquarium war, bei dem man mit ein paar Tüchern etwas hätte retten können. Nein, der besagte Mit-GM hatte ein badewannengroßes Riesenteil im Wohnzimmer stehen, mit dem er mal eben die gute Stube geflutet hatte. Nachvollziehbar, dass so etwas wichtiger war als Online-Rollenspiel.
Blöd, dass ich absolut ahnungslos war, wie die Planungen für den Plot aussahen und was sich der Mit-GM bei seinen Vorbereitungen gedacht hatte. Es gab ein verwittert aussehendes Fischerhäuschen, die üblichen GM-Tools und eine abgeranzt gestaltete Gegend - mehr nicht. Und die Spieler rückten an und waren schon wild darauf, dem angesagten Geheimnis auf den Grund zu gehen...

Ich beschloss, mir erstmal Zeit zu kaufen. Bei Ultima Online waren Skelette und Zombies zwar keine besonders starken Gegner, aber in rauhen Mengen waren diese auch für eine gut gerüstete Kriegertruppe eine Herausforderung. Vor allem, wenn man ein fieses Möp von GM ist, der hintendran noch einen Skelettmagier stellt, zu dem sie sich erstmal durchkloppen mussten.
Während die Spieler nach einigen Stimmungsemotes mit Aufräumen beschäftigt waren, teleportierte ich mich in das abgeranzte Haus und überlegte fieberhaft, was denn nun der Grund für die Untotenplage sein könnte. Bis mir endlich die erlösende Idee kam: Es war eine Fischerhütte, also warum nicht die Geschichte eines Fischers erfinden, der seine Frau durch ein Unglück verloren hatte und schließlich freiwillig ins Meer ging - nur um dann als ewiger Widergänger sein Unglück über die gesamte Umgebung zu bringen. 

Ich spawnte mir eilig zwei, drei leere Bücher-Items und begann, Tagebucheinträge eines fiktiven Forschers zu schreiben, der vor den Spieler-Helden versucht hatte, den Grund für die Untotenplage herauszufinden. Währenddessen hatten sich die Spieler durch die Untotenhorde gemetzelt und waren bereit, das Haus zu erkunden. 
Also beschrieb ich die verratzte Umgebung, die ärmlichen Verhältnisse, in welcher der Fischer und seine Frau einst gelebt hatten, ebenso die liebevollen Details, die dennoch von einer glücklichen Liebe künden konnten - einige Spieler haben sich viel Mühe gegeben, das Haus auf den Kopf zu stellen und wurden prompt damit belohnt, dass sie die Forschertagebücher fanden.
Um es ihnen aber nicht zu leicht zu machen, spawnte ich noch ein paar weitere Skelette - immerhin war der Fluch nicht gebrochen - und machte ordentlich Rabatz dadurch, dass ich beschrieb, wie ein Sturm aufzog. Sie mussten also unter Angriffen und Zeitdruck versuchen, das eigentliche Rätsel zu lösen - wie man denn den ruhelosen Geist des Fischers davon überzeugen konnte, von seinem Wüten abzulassen.

Wenn ich ehrlich bin: ich wusste es auch nicht, eine Musterlösung hatte ich mir nicht zurecht gelegt. Aber ich war bereit, gute Ideen der Spieler zu honorieren - denn das ist es, was mir für einen gelungenen Plot wichtig ist: dass die Spieler ein Erfolgserlebnis erhalten, das sie sich durch ihre Ideen und ihren Mut zum Ausprobieren verdienen. 
Einer der Spieler kam dann auch prompt auf den Gedanken, all die kleinen Dinge, die aus der Fischerhütte ein Zuhause machten und sicherlich aus dem glücklichen Eheleben des Paares stammten, einzusammeln. 
Ich hatte das Wasser nahe der Fischerhütte brodeln lassen, um anzuzeigen, dass sich dort der ruhelose Geist befand, und dorthin brachten die Spieler alle Gegenstände, opferten sie sozusagen dem Geist, um ihm zu zeigen, dass er eigentlich mit seiner Frau wieder vereint sein könnte. Einer der Spielercharaktere war zudem ein strenger Gläubiger der Totengöttin, der ein Gebet für die verstorbenen Eheleute sprach und seine Göttin beschwor, den ruhelosen Fischer in ihr Reich aufzunehmen - die Idee fand ich so rührend und schön, dass ich den Spielern den Erfolg gerne gönnte. Der Fischer ließ sich besänftigen und die Totengöttin ließ seinen Geist sich mit dem seiner Frau vereinen - noch ein bisschen mehr Stimmungsemotes, und der Sturm legte sich, ließ das Gefühl zurück, dass es Erlösung gegeben hatte.

Später wurde mir gesagt, dass die Teilnehmer die Story als sehr anrühend und tiefgründig empfunden hatten - und das für einen Plot, den ich mir innerhalb von ein paar Minuten aus dem Ärmel hatte schütteln müssen, weil bei einem anderen GM 'Land unter' geherrscht hatte. Es hat mich sehr erleichtert, dass trotz viel Improvisation Stimmung und Spannung entstanden waren. 
Auch in den Jahren danach, wann immer ich mal schnell einspringen musste und innerhalb kürzester Zeit irgend etwas Interessantes zusammen basteln durfte, habe ich mich an das gehalten, was ich bei meinem ersten Impro-Einsatz gemacht hatte:
  • Erschafft ein Problem, das zur Grundsituation passt
    Egal ob das nun ein zu überwindendes physisches Hindernis ist, ein zu lösendes Rätsel, oder generell eine Schwierigkeit aller Art, gebt euren Spielern eine konkrete Herausforderung, mit der sie sich beschäftigen können. Wenn euch selbst nicht ad hoc etwas einfällt, empfehle ich Zufallstabellen im stillen SL-Kämmerlein zu horten (wie wäre es mit einem erschreckenden Bordell-Besuch?) und sich eine passende auszusuchen - manchmal hilft auch schon der Zufall, eine passende Situation zu schaffen.
    Alternativ lasst euch durch die Gegebenheiten inspirieren - überlegt, was euch als Spieler in der Grundsituation interessieren würde, was euch nun herausfordern würde tun zu müssen, was ihr gerne spielen würdet, wärt ihr an der Stelle der Spielercharaktere. Oder aber ihr überlegt euch, welche kurzzeitigen Plots ihr bisher gut fandet und was euch daran gefallen hat - auch daraus lässt sich immer wieder eine gute Idee ziehen.

  • Gebt euren Spielern ihren Interessen entsprechend etwas zu tun
    Während die Spieler dabei sind, das Problem zu lösen, ist es wichtig, ihren Interessen zu folgen und ihnen diesen entsprechend etwas zu bieten. Sind Leute dabei, die gerne ausführlich erkunden, gebt ihnen was zum stöbern. Gibt es Leute, die gerne kämpfen, gebt ihnen einen oder mehrere Gegner - wenn ihr eure Spieler ein bisschen kennt (was gerade bei einer Tischrunde der Fall sein sollte), dann findet ihr sicher etwas, das sie ein bisschen herausfordert.
    Schaut euch an, was die Spieler tun, versucht ihnen zu zeigen, dass Eigeninitiative belohnt wird. Wenn ein gläubiger Charakter inbrünstig betet, könnte seine Gottheit ihm einen winzigen Tipp geben. Wenn ein Charakter gute Fragen stellt, gebt ihm einen weiteren Hinweis - so kann man auch indirekt den anderen Spielern zeigen, dass nur Anwesenheit nicht zur Lösung führen wird.
    Läuft es ganz schwierig, weil niemand wirklich von sich aus Initiativen zeigt, dann bleibt euch immernoch die Möglichkeit, den klassischen Weg zu verfolgen - durch Gegnerhorden durchprügeln lassen, um am Ende den Endgegner umzuhauen. Kann ja auch mal Spaß machen!

  • Klammert euch nicht an eine Ideallösung
    Bei Impro-Plots halte ich es für ganz schlimm, bei der angestrebten Lösung einen konkreten Lösungsweg vorzugeben - denn immerhin habt ihr euch diesen Lösungsweg auch erst sehr kurzfristig ausgedacht. Es kann, wenn man nur eine einzige mögliche Lösung vorgibt, also Lücken und Irrtümer geben, die euch vielleicht gar nicht auffallen, für die Spieler aber fatal sein können, weil sie sich im schlimmsten Fall in irgendeine Sackgasse verrennen und total frustriert werden, weil es nicht weitergeht.
    Wenn also gute Ideen aufkommen, honoriert das ruhig - selbst wenn es etwas total anderes ist als das, was ihr euch gedacht habt. Man kann nie alles an Möglichkeiten im Kopf haben, vor allem nicht kurzfristig - und ein bisschen Spaß muss für euch als Spielleiter ja auch drin sein. Am Ende ist das Ziel, dass der Weg für alle interessant war.
Bei improvisierten Plots gibt es eigentlich keinen goldenen Weg - das bringt die Natur einer improvisierten Story nun einmal mit sich. Wenn ihr aber offen für die Ideen eurer Spieler bleibt, dann lässt sich auch aus solchen Situationen etwas tolles machen, ohne dass ausser euch niemand ahnt, dass das Ganze eine kurzfristige Erfindung war.
Und wie sieht es bei euch aus? Habt ihr schonmal kurzfristig entstandene Plots geleitet? Wenn ja, wäre ich sehr gespannt darauf, was ihr da gemacht habt und wie es bei den Spielern ankam :)
Bis heute weiss ich übrigens nicht, wieso das Riesenaquarium umfiel - aber man kann ja schließlich nicht jedes Rätsel lösen!

Über Gloria H. Manderfeld

3 Eure Meinung zu den Nerd-Gedanken:

  1. Sehr unterhaltsam zu lesen :) Nimmt einem ein bisschen die Angst, die in solchen o.ä. Situationen aufkommen kann!

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    1. :) Es ist einfach viel weniger schlimm, als man manchmal denken möchte. Herausfordernd ist es, klar, aber ich finde, man lernt als SL da auch einiges dazu. Gerade eben flexibel zu sein.

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  2. Dr. Akhere Liebeszauberwirker Danke Dr. Akhere Ihr Liebeszauber ist aktiv und hat keine Nebenwirkungen, wie Sie gesagt haben. Danke, Sir, dass Sie mich mit meiner E-Mail-Adresse vereint haben
    Akheretemple@yahoo.com oder WhatsApp ihn unter +13153161521

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