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Comic

Rezension: Shakes & Fidget

Es waren einmal zwei strahlende Helden, die auszogen, die Welt ein klein bisschen besser zu gestalten … nein, nicht wirklich. Gnomenmagier Fidget und Menschenkrieger Shakes versuchen vor allem eines in der bunten, skurrilen Welt eines nicht ganz unbekannten Computerspiels: zu überleben und mit den Herausforderungen, die ihnen die Onlinewelt stellt, irgendwie klar zu kommen.

Dabei machen sie sich einige sehr seltsame Freunde (beispielsweise den Heil-Paladin, der seine Manatränke lieber für sich behält, anstelle sie mit Fidget zu teilen, da er seine Rolle für die wichtigste innerhalb der Gruppe hält, egal ob gerade auch Schadensausteiler gebraucht werden oder nicht) und einige sehr ausdauernde Feinde (wie den untoten Schurken, der auf sehr kreative Weise stets versucht, Shakes und Fidget an die Gurgel zu gehen und durch aberwitzige Zufälle immer wieder darin ausgebremst wird, den finalen Erfolg zu erzielen).

Gerade als langjähriger World-of-Warcraft-Spieler dürfte man in den Shakes und Fidget-Comicseiten eine Menge sehr vertrauter Elemente wiederfinden – sei es eine Quest aus dem ehemaligen Startgebiet der Menschen, bei dem die Köpfe von Banditenanführern dem Questgeber gebracht werden müssen, sei es der immer wiederkehrende Besuch beim Wiederbelebungs‘engel‘ mit der riesigen Resurrection-Wumme, die den Wiederbelebten ganz verquirlt im Kopf zurücklässt, seien es die dutzendfachen Anspielungen auf andere Spielmechaniken wie seltsames Loot in den verschiedensten Mobs oder die Notwendigkeit für Magier, eine ganze Menge Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um ihren Manavorrat wieder aufzufüllen – alles wird von den beiden Autoren mit viel Humor und erfrischend pointiert aufs Korn genommen.

Viele Fragen, die man sich als gerade als Anfänger-Spieler selbst irgendwann mal gestellt haben dürfte, finden Eingang in die von Details manchmal schier berstenden Panels des Comics und sind ebenso für den großen Erfolg der einstmals nichtkommerziellen Serie verantwortlich wie die Neigung der Autoren, sich durch ihre Charaktere einmal ordentlich auf die Schippe zu nehmen. Damit schafft es das Comic, nicht nur Gaming-Fans anzusprechen, sondern auch Leser unter jenen zu finden, die gut präsentierten Humor zu schätzen wissen:
Leider dürfte für Leute, welche das zugrundeliegende MMORPG nicht kennen, so mancher Gag nicht exakt zu erschließen sein, witzig bleiben die einzelnen Seiten dennoch. Ebenfalls gelingt es  Oskar Pannier und Marvin Clifford, das seltsame Verhalten so mancher Mitspieler treffend einzufangen, ohne bösartig oder verletzend zu werden – so bleibt man als Leser mit dem Wunsch nach lockerer, entspannter Unterhaltung gerne dabei.

Allenfalls der mehrere Seiten umfassende, am Ende des Comicbandes angesiedelten Storyarc um die Schatzkarte wirkt ein bisschen nachgeschoben und zündet nicht unbedingt, da er sich mit einigen sehr großflächigen Panels behilft, welche im starken Gegensatz zu der sonstigen sehr detailreichen Arbeit des restlichen Bandes stehen. Hier hatte ich beim Lesen den Eindruck, es sei darum gegangen, offene Seiten noch irgendwie zu füllen, die durchbrochene Erzählstruktur von meist maximal innerhalb von zwei Seiten erzählten Themenbereichen wirkt hier irritierend. 
Aber auch diese Story ist unterhaltsam und lustig, wenngleich die Highlights ganz klar eher im vorhergehenden Teil des Comicbandes angesiedelt sind. Spätestens, als Shakes und Fidget eine Gilde gründen oder versuchen, mal etwas anderes zu spielen als ihr angestammtes Lieblingsspiel, geht einem Onlinegamer ordentlich das Herz auf und man kann in eigenen Erinnerungen dieser Art schwelgen.

Technisch gesehen ist die Entwicklung von Zeichner Marvin Clifford von den ersten Panels an zu bemerken, da der cartoonhafte Strich im Lauf der Zeit sicherer und dynamischer wird; ebenfalls entwickelt sich das Coloring von der mangaesken zweistufigen Farbschattierung hin zu Glanz- und Lichteffekten, die das Setting deutlich aufwerten. Wie viel davon der Einfluss der bei der Colorierung zusätzlich genannten Kim Haibach und Kaja Reiniki ist, kann ich nicht sagen, aber das Ergebnis gefällt und macht das Gefühl einer vielschichtigen, leuchtenden, glitzernden und schimmernden Fantasywelt greifbarer. 

Die einzelnen Seiten sind klassisch mit je vier Panel-Reihen gestaltet, welche ihren umgebenden Rahmen auch gerne einmal sprengen oder ganz darauf verzichten, was eine der Handlung angemessene größere Dynamik simuliert; ab und an streuen die Autoren auch Splash Panels ein, welche einen größeren Szenenausschnitt umfassen und damit beispielsweise bei Kampfszenen besonders hervorstechen. Geschickt wird immer wieder die Grenze zwischen traditioneller Comic-Kunst und dem moderneren, gelösteren Ansatz überschritten. Damit bleibt Panniers und Cliffords Arbeit zeitgemäß und passt sich dem gewählten, ebenfalls modernen Grundthema eines MMORPGs samt der damit verbundenen Möglichkeiten und Limitierungen an.

Inzwischen ist die dem Comicband zugrunde liegende Webcomic-Serie leider eingestellt, doch Fans der beiden nicht immer ganz heldenhaften Helden können sich im Spiel »Shakes und Fidget« in der aus der Serie entstandenen, eigenständigen und von WoW unabhängigen Spielewelt verlustieren. Marvin Clifford veröffentlicht inzwischen eine auf seinen Erlebnissen im ‚realen Leben‘ basierende Webcomic-Serie (»Schisslaweng«), Oskar Pannier hat sich der auf Diablo basierenden Webserie »Hell Yeah!« gewidmet.

Fazit: Für World-of-Warcraft-Fans ein Muss-Kauf, für Comicfans auf jeden Fall unterhaltsamer Stoff. Neun von zehn möglichen Punkten.


Buchdetails:
Titel: Shakes & Fidget
Text: Oskar Pannier
Illustrationen: Marvin Clifford
Coloration: Marvin Clifford (Kim Haibach, Kaja Reinki)
Buch-/Verlagsdaten: Zauberfeder Verlag, 14. Januar 2015, gebundene Ausgabe, 80 Seiten, ISBN-13: 978-3938922484, 19,90€

Dieses Rezensionsexemplar wurde vom Zauberfeder Verlag zur Verfügung gestellt - vielen lieben Dank dafür!

Über Gloria H. Manderfeld

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