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Adventure

Rezension: Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten

Der Vogelfänger Geron hat im beschaulichen Andergast kein einfaches Leben, seit vor dreizehn Jahren ein bösartiger Seher auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und den damaligen Jungen Geron als den Auslöser großen Unglücks bezeichnet. Durch seine magiedilettantische Grundbegabung wirkt Geron tatsächlich recht oft wie jemand, dem das Pech folgt, da er die magische Kunst beherrscht, Dinge zu zerstören. Um seinen missgünstigen Mitmenschen zu beweisen, dass doch etwas Gutes in ihm steckt, nimmt er an einem Rätselwettbewerb teil, bei dem der Gewinner eine besondere Gunst des andergaster Königs gewinnen kann. 

Doch bevor Geron aus seinem guten Abschneiden bei dieser Queste einen langfristigen Nutzen ziehen kann, nimmt die in der Stadt herrschende Krähenplage überhand. König Efferdan I. beauftragt den jungen Vogelfänger, das für den bevorstehenden Besuch der Königin von Nostria, den traditionellen Erzfeinden der Andergaster, vorbereitete Gemach krähenfrei zu machen. Natürlich geht dabei wieder etwas zu Bruch und Geron kann sich nur dadurch rehabilitieren, dass er die Krähen aus der ganzen Stadt verscheucht. 

Als ihm sein Ziehvater den guten Rat gibt, es mit einer Abwehrtinktur zu versuchen, schöpft Geron neue Hoffnung - allerdings braucht es für dieses Mittelchen eine echte Fee, die der Vogelfänger einfangen soll. Als von Geron verlangt wird, für das Anti-Krähen-Mittel die Fee Nuri zu töten, trifft er eine folgenschwere Entscheidung und Andergasts düsteres Schicksal nimmt seinen Lauf ...

Das 2012 von Daedalic Entertainment veröffentlichte erste Adventure im "Das Schwarze Auge" ist von Aufbau und Spielgefühl her ein absolut klassisches "Point&Click"-Adventure alter Schule, bei dem es gilt, verschiedene Hotspots in den in liebevoller Handarbeit gemalten Hintergründen zu finden und Gegenstände ins Inventar aufzunehmen. 
Für die Lösung der verschiedenen Rätsel müssen diese Gegenstände sinnvoll eingesetzt oder kombiniert werden, mit den anderen in der Geschichte vorkommenden Figuren Gespräche geführt und damit nützliche Informationen erlangt werden. 
Bei "Satinavs Ketten" werden alle diese Tugenden bedient, die man als Adventurefan zu lieben und gleichzeitig zu hassen gelernt hat - denn bei manchen Rätseln muss man schon sehr um die Ecke denken, um auf die Lösung zu kommen. Vor allem die Feenwelt hat mich vor einige harte Nüsse gestellt, die im Nachhinein überraschend nachvollziehbar und logisch schienen, während des Findungsprozesses aber einige Male zu dem Gefühl beigetragen haben, laut schreien zu wollen.

Die Rätseldesigner waren aber fair genug, dass es mit genug Ausprobieren schaffbar ist, solange man genug Durchhaltevermögen hat, um wirklich alles in einer Szene nutzbaren Hotspots durchzuclicken und sich auch nicht zu schade ist, erneute Gespräche mit den NPCs zu führen. Auch die im bequemen Spielmodus anclickbare Komfortfunktion, mit der Hotspots erhellt angezeigt werden, erleichtert das Rätseln gerade für Neulinge im Genre, da nicht alle offensichtlich zu erkennen sind. Besonders schön fand ich, dass einige Rätsel auch auf den DSA-Hintergrund Bezug genommen haben und man es als Kenner ein klein bisschen leichter hatte, auf die Lösung zu kommen.
Es ist nur schade, dass die Lösungswege extrem linear angelegt sind und man kaum die Gelegenheit erhält, auf alternative Weise eine Problemstellung zu umschiffen - die einzigen beiden Male, bei denen ich derartiges entdecken konnte, sind in der Steamversion des Spiels mit einem Extraerfolg markiert.
Viele liebevolle Details warten: Der Marktplatz von Andergast
Das generelle Storytelling schafft es dabei, mit einer sehr einfachen Geschichte zu beginnen, bei der man langsam an das Setting in Andergast und an Gerons Lebensgefühl herangeführt wird, um dann im Anspruch und der Wichtigkeit der Aufgabe deutlich anzuziehen. Man hilft ihm zunächst bei kleineren Aufgaben und verfolgt seine Hoffnung, sich aus den Vorurteilen seiner Umgebung zu befreien, nur um vor einem weitaus größeren Problem zu stehen, dem sich der junge Vogelfänger mutig stellt und dabei über sich hinauswächst.
Dabei ist auch Gerons Sidekick, die Fee Nuri, geschickt gewählt worden, da es ihr immer gelingt, durch ihre fröhlich-kindliche Art Gerons Ernst zu kontern und den Spieler ein bisschen zum Schmunzeln und Nachdenken zu bringen.  Es ist daher gut nachvollziehbar, wie sich die Beziehung zwischen Geron und Nuri entwickelt und dieser so manches Risiko auf sich nimmt, um die etwas weltfremde junge Dame zu retten.

Generell kann ich die wunderschön gemalten Szenenbilder gar nicht genug loben: sowohl die heimeligen als auch die weniger einladenden Gegenden sind passend umgesetzt und werden durch eine nicht zu gleichförmige Klangkulisse untermalt. Spätestens im verregneten Enqui kommt dies vollendet zum Tragen, da man die kurzen Ausflüge in regenfreie Gebäude irgendwann sehr zu genießen beginnt.
Auch die Musik fügt sich nahtlos in das Gesamterlebnis ein und passt durch den mittelalterlich-verspielten Stil sehr gut zum Spiel, sodass die Immersion dieser recht speziellen Welt schnell getriggert wird, wenn man sich darauf einlässt.
Vor allem der harte Kontrast zwischen dem märchenhaft-verträumten Andergast, das relativ dörflich-idyllisch im ersten Teil des Spiels daher kommt, und dem später verheerten Andergast, bei dem alle bereits bekannten Schauplätze in ihrer düsteren und dunklen Version gezeigt werden, hat für mich zur Stimmungsbildung während des Spielens enorm beigetragen. 
Bei den Animationen indes hätte ich mir gerade bei den CloseUps der Gesichter in Gesprächen mehr Frames gewünscht, da diese recht hakelig wirken. Auch Gerons Model ist nicht komplett sauber umgesetzt, da er bei einigen anderen Körperhaltungen als im Stehen verzogen und unproportional wirkt. Besonders aufgefallen ist mir das im Gespräch mit der Fee in den Traumgemächern, da schon auf den ersten Blick auch für Laien erkennbar ist, dass da etwas nicht stimmt.
Ein idyllischer Ruhepunkt inmitten der Gefahr
Wer als DSA-Fan ein Spiel erwartet, das vor allem den augenzwinkernden Humor und die skurrilen Charaktere des Rollenspiels wiederspiegelt, wird sicherlich zu einem gewissen Teil befriedigt. Doch wer Gerons und Nuris Reise bis zum Ende verfolgen will, sieht sich mit düsteren, erschreckenden Erlebnissen konfrontiert, die gerade den Helden Geron immer wieder verfolgen. Nach einem recht langen, langsamen Einstieg zieht die Intensität und auch Düsterheit der Story deutlich an. Mit dem großen Plan eines machtgierigen Widersachers konfrontiert, wirkt Geron manchmal fast zu zielgerichtet, er scheint nie an seiner selbstgewählten Mission zu zweifeln.
Hier hätte ich mir etwas mehr Reflektion gewünscht, doch ansonsten lässt das Storytelling keine Wünsche offen, da es einige unerwartete Wendungen innerhalb der Story gibt und selbst das Ende einen reichlich bittersüßen Beigeschmack in sich trägt. 

Geron als Held der Geschichte erweist sich überraschend vielschichtig, da er absolut kein strahlender Held ist, aus einfachen Verhältnissen stammt und sich nicht einfach aus seinen Problemen freikaufen kann, wie es ein Sohn aus einem besseren Hause sicherlich hätte tun können. Stattdessen muss sich Geron nicht nur mit der Queste um Nuri befassen, sondern auch gegen die Geister seiner Vergangenheit kämpfen und versuchen, sich von ihnen zu befreien - die klassische "Heldenreise"-Grundkonstruktion, welche in der Phantastik sehr große Beliebtheit erfährt.
Dass er während der Erzählung mit eben einem solchen Helden-Archetypus in Form des Ritters Zornbold konfrontiert wird, dessen Ehrencodex mehrfach deutlich zu merken ist, lässt Geron umso interessanter wirken. Mit solchen Elementen wird selbst für Spieler, die sich in der DSA-Welt kein bisschen auskennen, der Fantasyhintergrund greifbar und lebendig. Erklärungen zum Hintergrund von 'Das schwarze Auge' werden im Spiel dezent verpackt und sind so gestaltet, dass man auch als Weltenkenner nicht gelangweilt wird - vor allem Gerons Reaktion zu verschiedenen Büchern über Andergasts Geschichte und den ewigen Kampf gegen Nostria haben mich sehr schmunzeln lassen.
Wird die düstere, verfallene Mühle zu einer Falle für Geron und Nuri?
Abschließend kann ich bei "Satinavs Ketten" nur jedem Adventure-Fan empfehlen, sich an diese Perle zu wagen: Selbst wenn man mit DSA bisher keine Berührungspunkte hat, da hier eine abwechslungsreiche, bildgewaltige und interessante Story geboten wird, mit der man sich selbst mit einer Komplettlösung nebendran mehr als 12 Stunden gut unterhalten kann. Sehr zu empfehlen: die Komplettlösung von AdventureCorner, wenn es wirklich gar nicht weitergeht.

Fazit: Gelungene Fantasy-Abenteuer-Geschichte im DSA-Universum, die alle klassischen Adventure-Tugenden mitbringt. Acht von zehn möglichen Punkten.


Gamedetails:
Titel: Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten
Studio: Daedalic Entertainment
Publisher: Deep Silver
Erscheinungsdatum: 22. Juni 2012 (PC)
Genre: Point'n'Click-Adventure
Leitende Entwickler: Franziska Reinhard, Mark Wachholz

Über Gloria H. Manderfeld

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