Vor einigen Tagen schickte mir mein bester Kumpel den Link zu einem Spiele-Trailer, der in dieser Form auf der E3 gezeigt worden sein soll. Üblicherweise sind die Sachen, die ich in Linkform von ihm zugesteckt erhalte, eher lustiger Natur, doch dieses Video war anders. Weder er noch ich konnten darüber lachen, lustig war daran wirklich gar nichts.
Wer selbst einen Einblick wagen will, hier der Link, allerdings sollten zarter besaitete Gemüter die ersten drei Minuten skippen:
Es handelt sich um einen Extended Director's Cut des Trailers von "Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain", das die allgemeine Spielmechanik und das Setting vorstellt. Die Art und Weise, wie das geschieht, lässt mir allerdings ganz tief etwas im Magen grummeln. Gerade die ersten Minuten des Videos sind gelinde gesagt unappetitlich. Man wird Zeuge einer Folter mit elektrisch aufgeladenen Kontakten an einer gefesselten jungen Frau, die sich vor Schmerzen auf ihrem Stuhl windet. Man beobachtet die Ausbildung von Kindersoldaten, denen von einem Ausbilder die richtige Handhabung einer MP gezeigt wird.
Man wird Zeuge davon, wie ein Mensch mit einem Sack über dem Kopf mit Wasser gefoltert, verprügelt und dann im Lauf erschossen wird. Man muss dabei zusehen, wie aus dem Bauch einer lebenden jungen Frau nach ausgiebigem Gewühle in deren inneren Organen, bei dem auch mal der Darm sichtbar herausquillt, ein rot blinkendes Paket, wohl eine Bombe, herausgeholt wird - während das Opfer dabei zuckt, schreit und der Blick durch die Kameraperspektive allzu oft auf den geöffneten Bauch gelenkt wird. Das Opfer erschlafft nach Beendigung der Suche und es ist davon auszugehen, dass es die Prozedur nicht überlebt hat. Dies alles in derart realistischen Renderszenen, dass die Grenze zu einem Spielfilm langsam verwischt.
Insgesamt dauern diese Szenen knapp drei des neun Minuten langen Videos, das uns eigentlich Gameplay und Spielmechaniken vorstellen soll.
Ich stelle mir dabei - ohne das Spiel, sein Setting oder die darin handelnden Charaktere bewerten zu wollen, denn dafür kenne ich die Metal Gear Solid-Reihe zu wenig - einige Fragen:
- muss man Folterhandlungen wirklich so drastisch und deutlich zeigen, die Aktion als solche dem Betrachter darbieten wie einen Ausschnitt aus einer hässlichen Reality-TV-Show? Oder hätte es nicht ausgereicht, die Szenerie anzudeuten - beispielsweise durch das Verschleppen eines Opfers in einen geschlossenen Raum, aus dem der Spieler/Betrachter nur Schreie hört? Oder muss das Grauen heutzutage minutiös ausgeleuchtet sein, damit es den Spieler überhaupt noch packt?
- muss ein solches Video wirklich öffentlich zugänglich auf Youtube gezeigt werden? Die kleine "M for Mature" Markierung zu Beginn des Videos kann in keinem Fall verhindern, dass Kinder oder Jugendliche dieses Video betrachten - also die absolut unpassende 'Audience' für Szenen mit derartig hoher Gewalt- und Leidenskonzentration
- muss für die höhere Werbewirkung wirklich ein solches Maß an Schockszenen eingebaut werden, damit inmitten einer reizüberflutenden Messe wie der E3 die Leute aufmerksam werden? Welchen Zweck erfüllen die Szenen sonst - ausser, dass sie einen kleinen Blick auf die später im Spiel handelnden Charaktere und deren Beteiligung an derlei Gräul geben?
Ich bin beileibe kein zartbesaiteter Spieler oder will meine persönliche Moralvorstellung anderen zwangsweise aufdrücken. Auch ich spiele Spiele, in denen meine Charaktere durch Gewalt NPCs zu Boden ringen und ganz eindeutig töten - mein Sith bei SW:ToR grillt seine Gegner mit lila Lichtblitzen, meine Magierin bei Neverwinter Online wirft ihre Gegner mit Luftwirbeln durch die Gegend und ballert ihnen Eisbrocken mitten ins Gesicht. Spiele wie Dragon Age, Mass Effect, KotoR und andere Rollenspiele kommen nicht ohne die Nutzung von Waffen, Gewalt und tödlicher Magie aus.
Aber ich finde, es besteht immernoch durch die grafische, nicht übermäßig realistische Wirkung und fehlendes Blutspritzen ein Abstand, der dem Spieler deutlich macht, dass er sich hier nicht in der Realität bewegt, sondern in einer simulierten Umgebung. Eine sehr realistische Grafik wie die von Metal Gear Solid lässt die Grenze zwischen real und simuliert langsam aufweichen, verstärkt die Immersion auf eine Weise, in der das Spielerlebnis den Spieler richtig packen kann. Und vielleicht nicht mehr loslässt, auf positive wie negative Weise.
Wir leben heutzutage in einer Gesellschaft, die immer weniger darauf achtet, wo Grenzen sein sollten. Wir ergötzen uns am Leiden anderer, wenn es nur hübsch in Shows wie Germany's next Topmodel oder DSDS verpackt und lässig von einer Stimme aus dem Off kommentiert wird. Wir haben keine Hemmungen mehr, uns un Alkohol zu ertränken und das immer normaler zu finden - Jugendliche, die Komasaufen gehen, fühlen sich allzu leicht als Helden. Inzwischen scheint mir die Entwicklung in Richtung 'immer mehr, immer heftiger, immer mehr' so beschleunigt, dass vielen Menschen nicht einmal mehr auffällt, was sie als normal und durchschnittlich erachten. Folter und Gewaltdarstellung sollten aber für uns nicht normal werden.
Warum ich dies schreibe? Vielleicht in der Hoffnung, dass es noch den einen oder die andere da draussen gibt, die es ähnlich sehen. Die aufgerüttelt werden oder auch nur sagen: Das ist zuviel. Ich hoffe noch darauf.
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