Ernsthaft, liebe Entwickler von "The Secret World": Habt ihr euer Game mal einem Langstrecken-Eigentest unterzogen? Mal diese Momente erlebt, in denen man nur durch einen lauten, unartikulierten Schrei überhaupt noch weitermachen will, anstelle den Screen/die Tastatur/die Maus an die Wand zu werfen?
Denn diese Momente gibt es bei TSW definitiv, und nicht zu knapp. Einerseits sind die verschiedenen Horrorszenarien wirklich gut umgesetzt. Es gibt wirklich kranke und spaßige NPCs, die Stories sind gut erzählt, man möchte wirklich gerne weitermachen und mehr über die verschiedenen Gebiete und die Plagen erfahren, von denen sie heimgesucht werden.
Andererseits gibt es da so einige Spielelemente, bei denen ich mich wirklich frage, wieso man die nach immerhin zwei Jahren der Existenz dieses Spiels, die Beta-Zeit nicht mitgerechnet, nicht ändern konnte. Denn mit diesen Flaws reißen die Entwickler mit dem Arsch wieder ein, was sie mit den tollen Stories und den Szenarien mühsam aufgebaut haben.
Meine persönlichen 5 Hass-Elemente will ich euch hier nicht vorenthalten:
1. Das antiquierte Todessystem mit Grau-in-Dunkelgrau-Optik
Wenn man die Kräfte seines Charakters bei MMOs überschätzt hat, gibt es die virtuelle Engine-Klatsche, BÄM!, der Charakter landet auf dem Boden, frisst Dreck und man muss Beschädigungen bei der Ausrüstung hinnehmen, wenn man wieder aufsteht. TSW versüßt einem den Charaktertod noch durch dieses Ultima-Online- und WoW-artige Todessystem, bei dem der Charakter an einem bestimmten Spawnpunkt erscheint und von dort aus zur Leiche zurücklaufen muss.
Wäre an sich nicht schlimm, wenn die Welt nicht in dunklen Schattierungen getaucht wäre, bei denen man nur noch mit Mühe den Weg erkennen kann. Alle sonst bekannten Orientierungspunkte verschwimmen im Einheits-grau-in-grau und wenn man sich einmal blöderweise in der freien Natur verirrt hat und mit Felslandschaften kollidiert, wird es schreikrampfverdächtig.
Warum durfte es nicht ein System sein, bei dem man wie bei SWTOR auswählen kann, ob man direkt am Ort des Geschehens wieder aufsteht oder bei einem der Spawnpunkte in sicherer Umgebung? Nein - entweder man belebt sich am Wiederbelebungspunkt meist ohne Repariermöglichkeit in der Nähe wieder und muss sich mühsam den Weg zurück erkämpfen, oder aber man rennt durch die düstere Umgebung und muss hoffen, dass am Todesort nicht noch zwanzig blutlüsterne Gegner warten, die einen dank niedrigem Lebensbalken bei Wiederbelebung gleich postwendend zurückschicken. Spaß ist was anderes!
2. Riesige Mob-Aggrorange auch bei niedrigstufigen Mobs
Die meisten MMOs machen es vor, nur TSW braucht eine Sonderlösung: Normalerweise verlieren Mobs ihre Aggrorange gegenüber hochstufigen Spielercharakteren, man kann also ohne Probleme durch ein Gebiet mit niedrigstufigen Mobs laufen, ohne dass die einem dauernd nachrennen. Bei TSW haben alle Mobs immer dieselbe Aggrorange, was dazu führt, dass auch der ultimative Mysterienschlächter mit Highendausrüstung beim Spaziergang durch das zombieverseuchte Kingsmouth ein paar Horden hinter sich herzieht. Was bei Zombies kein Problem ist, da man sie in der Regel gut abhängen kann, wird bei Mobs mit "Heranzieh-" oder "Slow-" Fähigkeiten zu einem Spielspaßkiller besonderer Güte.
Gerade die Verschmutzten im Mondsumpf von Blue Mountain sind da echte Herzchen - man muss nur seinen Fuß in den Sumpf setzen und wird schon von verdreckten Totengeistern in das nächste Schmutzloch gezogen. Das sind keine Gegner mehr, aber es nervt unendlich, nicht zuletzt, weil man bei durch Questen zwingend notwendige Laufwege nicht so gestalten kann, dass man solche Mobs vermeidet. Das ist für mich die Art von sinnlosem Timesink, die mich bestimmte Gegenden und Mobs einfach vermeiden lässt.
3. Das ewige Inventarchaos
Gerade beim Zerlegen von Waffen fühle ich mich bei TSW im vorigen Spielejahrhundert: Um an Materialien (Metall, Feuer, Erde, Wasser oder Runen) für die Herstellung hochwertiger Waffen und Ausrüstung zu gelangen, muss man aufgefundene Waffen und Ausrüstungsgegenstände per Handwerksmenu zerlegen. Wäre kein Problem, würden die gewonnenen Materialien trotz gleichartiger Ressource nicht hartnäckig verweigern, sich in einem sauberen Stapel zu stacken - man bekommt, wenn es ganu blöd läuft, zig verschiedene kleine Stapel derselben Ressource, die man manuell zusammenfügen muss. Bei insgesamt vier Elementen und acht Runensorten in fünf verschiedenen Qualitätsstufen kann man sich vorstellen, wie das Inventar nach einem ausgiebigen Auseinandernehmen aussieht.
Wo andere Spiele das Stacken durch Doppelclick anbieten, muss man bei TSW den Stapel anheben und manuell herumschieben. Das kostet Zeit und ist unpraktisch ohne Ende. Ganz zu schweigen davon, dass Glyphen (die zusätzliche Werte für Ausrüstung und Waffen geben, wenn man sie mit diesen kombiniert) überhaupt nicht stackbar sind, nicht einmal bei gleicher Sorte und Qualitätsstufe. Auf dem Bild sieht man links mein Inventar nach einer Auseinandernehm-Runde, und rechts mein Bankfach - nur ein Teil davon, bei dem alles einzeln sortiert sein muss.
Dass es auch anders geht, zeigt GW2 - hier gibt es sogar einen Button, mit dem man Ressourcen automatisch vom Inventar ins Bankfach transferiert und dort automatisch auf begonnene Stapel stackt - das vermisse ich bei TSW wirklich schmerzlich.
4. Solo-Instanzen für Gruppenspieler
Wer auch immer diesen Mist erfunden hat, gehört mit Heilbuild durch alle vorhandenen Solo-Instanzen des Spiels gescheucht und so lange dort eingesperrt, bis er mindestens den Endkampf auf Solomon Island hinbekommen hat!
Als passionierte Gruppenspielerin ziehe ich meistens mit meinem Lebensgefährten und meinem besten Kumpel durch virtuelle Welten, so auch TSW. Wir haben uns recht früh für eine Rollenverteilung entschieden - ich bin dabei der Heiler, mein Kumpel spielt den Tank, mein Lebensgefährte den DDler. Das funktioniert bei Questlösungen in freier Wildbahn hervorragend, bei Dungeons, wenn noch zwei brauchbare DDler dabei sind, ebenso gut - nur die Solo-Instanzen, die bei der Haupt-Storyquest eigentlich dauernd vorkommen, die werden zur totalen Qual, wenn man als Heiler oder Tank kein zweites Schadensdeck zusammengebaut hat. Denn manche dieser Solo-Instanzen sind ohne eine riesige Menge Schaden einfach nicht lösbar.
Gerade für Spieler auf niedrigen Stufen, die ihre Punkte erstmal in nur ein Deck gesteckt haben, um ihre Rolle gut ausfüllen zu können, ist das eine Frustquelle besonderer Art. Ich selbst habe das auf leidvolle Art lernen müssen - ich brauchte insgesamt fünf Anläufe für den langen Kampf gegen den Solomon-Island-Endgegner Beaumont und habe ihn auch nur dann ausgesprochen knapp geschafft, als ich Schadensfähigkeiten für übrige Punkte kaufte. Abgesehen davon schiebt einen die Spielmechanik früher oder später ohnehin ins Gruppenspiel, weil viele Quests alleine nicht mehr lösbar sind.
Warum also werden die Spieler künstlich gezwungen, ihre Storyquests alleine durchzufechten? Wenn ich schon in Gruppe spiele, dann doch bitte alles - Gegner hätte man sicher auch schwerer machen können, wenn die Spielmechanik feststellt, dass ein Spieler nicht alleine unterwegs ist. Das ist einfach nur unausgewogenes Balancing, und sicher kein Empfehlungsgrund.
Warum also werden die Spieler künstlich gezwungen, ihre Storyquests alleine durchzufechten? Wenn ich schon in Gruppe spiele, dann doch bitte alles - Gegner hätte man sicher auch schwerer machen können, wenn die Spielmechanik feststellt, dass ein Spieler nicht alleine unterwegs ist. Das ist einfach nur unausgewogenes Balancing, und sicher kein Empfehlungsgrund.
5. Öffentliches Verkehrssystem und totale Zentralisation
Wer sich zwischen den drei Hauptzonen Solomon Island, Ägypten und Transsylvanien bewegen will, muss Agartha benutzen, das Nahverkehrssystem der geheimen Welt - es besteht aus Portalpunkten in die jeweiligen Gebiete, die mit verschiedenen Wegen miteinander verbunden sind. An sich keine schlechte Sache, aber nur der Weg zu den Eingängen der Solomon-Island-Gebiete ist direkt mit dem Anfangspunkt verbunden. Nach Ägypten oder Transsylvanien springt man von der höchsten Ebene auf tiefere Wege hinunter, die man meistens nicht einmal besonders gut sieht - Vorbeispringen inbegriffen. Da frage ich mich jedes Mal, wofür das gut sein soll - nach dem vierten Vorbeispringer auf dem Weg ins "Belagerte Farmland" führt das bei mir nur zu Unmut.
Auch warum es nur in London, der Templer-Metropole, eine Bank gibt, bei der man seine Sachen einlagern und das Auktionshaus benutzen kann, erschließt sich mir nicht wirklich. Haben die Illuminaten in New York und die Drachen in Seoul nicht genug Geld, um sich ein Bankhaus leisten zu können? Oder gibt es da eine Verschwörung, bei der die Templer alle verbliebenen Bankhäuser zu sich gezwungen haben? Fragen über Fragen - jedenfalls zwingt es alle Spieler auf einen Spot, was an Abenden mit vielen anwesenden Spielern bei Leuten mit nicht so fittem PC für so manches Lag und damit für Frust sorgt.
Eigentlich ist TSW kein schlechtes Spiel. Aber angesichts dieser Flaws, denen man auch immer wieder begegnet, vom nicht ganz alltäglichen Skill- und Deck-System ganz zu schweigen, wundert es mich nicht, dass viele Spieler auf durchsichtigere und praktischere MMOs ausweichen. Was angesichts der coolen Stories und innovativen Schleich- und Recherchequests wirklich schade ist. Viel sinnlos verschenktes Potential ...
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