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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Stunde des Wolfes



Lautlos setzte die X-70B Phantom im Sand auf, der sich unter den Landefüßen des Raumschiffs aufgewirbelt hatte. Dann kam der schlanke, elegante Rumpf vollkommen zur Ruhe, wurde vom kalten Wüstenwind wie in einer nachlässigen Liebkosung fast zärtlich berührt. Sand strich über die makellose Lackierung, die für den nächtlichen Einsatz perfekt geeignet war und Lichtreflexionen einfach schluckte.
Als sich die Landeluke öffnete, huschten drei imperiale Soldaten ins Freie, die Körper vollständig von ihren Klima-Kampfanzügen verhüllt. Die moderne Helmtechnik erlaubte den dreien eine hervorragende Nachtsicht, während sie zügig auf ihren Zielpunkt vorrückten. Die Feuchtfarm lag still und friedlich inmitten leichter Dünenverwerfungen voraus, die Bewohner mochten den Schlaf der Gerechten schlafen oder auch nicht - zumindest rührte sich niemand dort.

Und zur Stunde des Wolfs war es auch eher unwahrscheinlich, dass einfache Leute, Feuchtfarmer mit einem harten Tagesablauf, sich aus ihren Betten begeben würden. Schweigend rückte das kleine Team vor und überwand den Abstand zwischen dem hinter einer Düne gelegenen Landepunktes des Schiffs und den zu der Farm gehörigen Gebäuden mit geübter Schnelligkeit, leicht geduckt, sobald sie in die direkte Sichtweite des Hauptgebäudes kamen. Als die erste Gestalt in der Reihe eine geballte Faust anhob, kamen die drei sofort zur Ruhe, verharrten so unbeweglich wie Steinstatuen im Sand der Jahrhunderte.

Lieutenant Lienas van Arden aktivierte den Wärmebildmodus ihrer empfindlichen Helmkamera und scannte den vor ihr liegenden Bereich ab. Vier rötliche Erhebungen im unter der Erde gelegenen Wohntrakt des Hauptgebäudes. Wie bei allen Feuchtfarmen auf Tatooine befanden sich die wirklich wichtigen Räumlichkeiten unter der Erde - selbst Pflanzen wurden unterirdisch gezogen, weil die mörderische Sonne des Planeten alles Leben auf der Oberfläche verbrannte. Nur wenige Lebewesen konnten inmitten der ewigen Sande überleben, und auch nur deswegen, weil sie sich an die Umgebung über viele Jahrhunderte hinweg daran angepasst hatten.
Die Offizierin sandte die Aufnahmen an ihre beiden Teammitglieder - Private First Class Muller und Private Jandis waren ihre erste Wahl für diesen Einsatz gewesen und sie hatte sie bekommen. Zwei zuverlässige, linientreue Imperiale mit der entsprechenden Sonderausbildung für Kommandounternehmen. Erstklassiges Material für Spezialaufträge, das sie in einer Umgebung mit überschaubaren Parametern erproben konnte. Bislang war sie nicht enttäuscht worden.

Als sie das Zeichen für weiteres Vorrücken gab, reagierten die beiden sofort. Muller aktivierte das Cloaking-Signal für die technischen Gerätschaften der drei, um eventuelle Sicherheitsmaßnahmen der Farmerfamilie zu täuschen, doch es war nicht nötig gewesen. Entweder verließen sich die Farmer auf ihre einsame Lage oder aber sie vertrauten ihren Nachbarn - die Imperialen konnten sich ungesehen und ungehört auf das abgesenkt gelegene Rund des Hofes schleichen. Jandis aktivierte seinen portablen Scrambler, um nun auch alle eventuell ausgehenden Funksignale zu stören, egal wie unwahrscheinlich es sein mochte, dass dies geschah. Die Stunde des Wolfes hieß nicht von ungefähr so.
Die meisten Humanoiden erlitten während dieser Zeit, zwischen drei und vier Uhr Morgens, einen deutlichen Knick in ihrem Biorhytmus, begleitet mit dunklen Gedanken. Der beste Zeitpunkt für einen Angriff. Muller erreichte die Tür des Haupthauses zuerst und erprobte die Klinke - offen. Die Farmerfamilie schien wirklich vertrauensselig zu sein.


Die drei Soldaten glitten in das Innere des Gebäudes und schlossen die Tür sofort hinter sich. Sie bewegten sich langsam voran, die Waffen gereckt, um einem möglichen Angriff entgegen treten zu können, sich nach den Anzeigen ihrer Nachtsichtgeräte im Helm orientierend. Es war düster im Inneren des Hauptgebäudes, als sie die Treppe hinab gingen, die zu den Wohnräumen führte. Lienas rief das Grundschema des Hauses auf dem kleinen Helmdisplay auf und schickte Muller und Jandis in die Richtung des Kinderzimmers, sie selbst übernahm den Schlafraum der Eltern.
Die Bewegung vor ihr fühlte sie mehr als sie diese sah, tappende Schritte eines traumverhangenen Erwachsenen, die ihn zum Abtritt führten. Eine Nische, in die sich die Offizierin schnell presste, um ihn von hinten anzufallen, eine Hand auf Mund und Nase gedrückt.

Wie leicht wäre es, den tausendfach eingeübten Ruck durchzuführen, Wirbel gegen Wirbel, ein Leben innerhalb eines Momentes ausgelöscht. Doch sie tat es nicht, und nach kurzem Zappeln, dem von ihrer Hand aufgefangenen Protestlaut sank der Farmer in die Knie, neuen Träumen entgegen. Der Captain hatte betont, dass es bei dieser Vorausmission keine zivilen Opfer geben sollte, und daran hielt sie sich unbedingt. Blut war zu diesem Zeitpunkt der Operation nicht erforderlich. Wir sind keine Schlächter.
Routiniert legte sie dem Farmer Knebel und Fesseln an, schob ihn beiseite, aus dem Weg. Jandis' Signal im Helmdisplay gemahnte sie zur Eile. Zeitgleich zündeten die Soldaten die Betäubungsgasgranaten, die sie eigens für diesen Zweck mitgeführt hatten. Die Luftfilter ihrer Helme verhinderten, dass das betäubende Gas auf die drei Angreifer irgendeine Wirkung hatte. Mit etwas holprigem Poltern rollten die Granaten in die beiden Räume und zogen eine dunkelgrüne Spur des Gases hinter sich her.

Als die Farmersfrau aus dem Schlaf aufschreckte, konnte Lienas ihr überraschtes, dann zu Tode erschrockenes Gesicht genau sehen - das Entsetzen über die unerwartete Besucherin malte sich in einem Moment überdeutlich in ihre Züge, dann erschlafften diese bereits merklich und die hagere, verlebt wirkende Frau Anfang Vierzig kippte nach hinten zurück aufs Bett.
"Beide eingeschlafen," meldete sich Jandis' rauhe Stimme, und Lienas bestätigte ebenfalls. Sie fühlte den Puls der bewusstlosen Frau, bevor sie begann, diese fachgerecht zu fesseln und zu knebeln. Erst als alle vier - das Farmerehepaar und die beiden jugendlichen Söhne, die ihrem Vater erstaunlich ähnlich sahen -  versorgt waren, begannen die drei Soldaten, ihre Gefangenen aus dem Haus zu tragen.
Die vier würden für einige Zeit unwillige Gäste auf der Phantom sein und nach dem erfolgten Einsatz wieder in ihrem Heim abgesetzt werden - das war die sicherste Variante. Sie in irgendeinem Nebengebäude zu deponieren und allen möglichen Eventualitäten auszuliefern, beinhaltete zu viele ungewollte Variablen. Lienas blickte auf die Zeitanzeige, während sie mit Muller die schlafende Farmersfrau aus dem Haus schleppte. Jandis hatte einen der Schiffsdroiden herbeordert, der beim Tragen behilflich sein würde und bereits einen der Söhne abtransportierte.

Die Ausrüstungskiste, welche er mit zum Haus gebracht hatte, beinhaltete den zweiten Teil der Operation, der nun vor den dreien lag. Erst nachdem sie die Neutralisierungsmittel für das Betäubungsgas im Haus verteilt hatten, konnten die drei ohne Helm arbeiten. Die morgendliche Dämmerung des Planeten mit den Zwillingssonnen tauchte die endlos wirkende Wüste in rötlichgoldenes Licht, ein einzigartiges Naturschauspiel, für welches die Imperialen absolut keinen Blick hatten. Sie lagen genau im Zeitplan, und dieser musste eingehalten werden. Gerade bei Missionen wie diesen musste alles im Zusammenspiel klappen.
Während Muller und der Droide den Farmer zum Schiff brachten, atmete Lienas die kalte Morgenluft des Planeten tief ein, bis es sich anfühlte, als seien ihre Lungen vollkommen davon durchdrungen. Obwohl hier so wenig wuchs, schmeckte die Luft Tatooines würzig. Urtümlich. Sie trug immer einen vagen Geschmack der Freiheit mit sich, eines Abenteuers, dessen genaue Ausmaße unbekannt waren. Vielleicht gerade weil dieser Planet so lebensfeindlich und gefährlich war.

Sachte vor sich hin lächelnd packte sie die Dinge aus, die sie in den nächsten Stunden dafür benutzen würden, um die kleine, unwichtige Feuchtfarm auf einer der unwichtigsten Staubkugeln der Galaxis in eine Falle zu verwandeln. Eine vertrackte Falle, um einen Machtnutzer einzufangen, wie es der Auftrag vorschrieb. Minen mit ausgeklügelten Drucksensoren, die rein mechanisch funktionierten und durch ihre Gallertumhüllung durch handelsübliche Scanner schwieriger zu finden waren - das neueste Spielzeug einer grausamen Militärtechnik frisch von der Front.
Captain Stryder-Garrde hatte ihr carte blanche gegeben - zum zweiten Mal schon, warum eigentlich? - und sie hatte diese genutzt. Dazu ganz normale Speerfallen mit angespitzten Metallstangen, die im Boden verankert waren - mit einer dünnen Trittfläche überzogen, auf der Sand aufgehäuft war. Sie würde beim Gewicht eines erwachsenen Humanoiden unweigerlich einbrechen. Stolperdrähte, die im Haupthaus auf Treppe und in den Gängen neugierigen Einbrechern das Leben schwer machen konnten - es gab so viele Dinge, die man ohne allzu viel technischen Aufwand unterbringen konnte, um einem Besucher den Tag so richtig zu versauen.

Erst als sich die Feuchtfarm in die unangenehme Variante eines Ferienparadieses für Masochisten verwandelt hatte, machten die Soldaten Pause. Sie hatten mehrere Stunden Hand in Hand gearbeitet, ungeachtet der aufgestiegenen Sonnen, und mussten sich in das Schiff zurückziehen. Der vertraute Geschmack eines Energieriegels auf der Zunge brachte das alte Gefühl zurück, das sie seit ihrem Ausscheiden aus dem IGD stets vermisst hatte.
Es war einfach etwas anderes, für den Einsatz auszubilden oder selbst auf einem zu sein. Das alles für eine Hypothese, den Geschmack des Verrats, für Vorsicht, die man niemals fallen lassen durfte. Von welcher Seite aus würde er kommen?
Der Droide brachte die Reste des Materials zurück zum Schiff, dann verwischten die Soldaten nach ihrer kurzen Mahlzeit ihre Spuren. Ab jetzt hieß es in einiger Entfernung warten, sodass das weite, die beiden Farmen umfassende Blickfeld jeden ankommenden Besucher sofort verraten würde. Die Phantom wurde in den Sand getaucht und verschwand unter den Dünen. Würde hier jemand Ausgrabungen starten, wäre es wohl eine höchst überraschende Entdeckung für den neugierigen Forscher.
Muller hatte die erste Schlafrunde gezogen und legte sich hin, während Lienas und Jandis mit dem Piloten Wache hielten. Glücklicherweise gab es für Soldaten immer irgendein Thema, über das man sich unterhalten konnte, um die Gedanken fern zu halten. Und die Erinnerungen...

Über Gloria H. Manderfeld

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