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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Vorfreude


Manchmal kündigten sich Veränderungen mit kleinen Dingen an. Diese Veränderung war sogar recht gewaltig, würde auf die weitere Entwicklung des Sturmregiments einen sehr großen Einfluss ausüben. Zudem kam die Veränderung im üblichen, staubtrockenen Verwaltungston des Kriegsministeriums, dass Lieutenant Lienas van Arden den Text erstmal drei Mal lesen musste, um ihn in allen Eventualitäten zu verstehen (und dabei nicht einzuschlafen).
Noch immer schlummerte die Textdatei in ihrem Posteingang und fristete unter Dutzenden anderer Nachrichten, die täglich dort aufschlugen, eine recht gemütliche Existenz. Dass dem Sturmregiment nun sowohl die Mittel für die Bildung einer hundert Mann starken Sondereinsatztruppe, die sich aus den vorhandenen Soldaten rekrutieren sollte, als auch gleich ein neuer Einsatz zugebilligt wurden, tat einfach nur gut. Es roch geradezu nach Aufbruch, und auch Captain Stryder-Garrde hatte mehr als nur vorfreudig gewirkt. Wenn sie bedachte, wie demotiviert er die letzten Wochen durch den Stützpunkt geschlichen war, schien er nun wie ausgewechselt - ein Gefühl, das sie inzwischen nur zu gut kennen gelernt hatte. 
Das war eine Hinterlassenschaft der Zeit beim Geheimdienst. Ein ehemaliger Agent lebte wohl nur wirklich, wenn er eine klare Aufgabe vor sich hatte, die nicht nur aus Flimsikram und irgendwelchen Routinetätigkeiten am Schreibtisch zu tun hatte. Sie lächelte sachte, während der kalte Wind des jaguadanischen Winters ihr direkt ins Gesicht blies. Der neue Auftrag war schon jetzt überaus erfreulich und versprach einiges an Abwechslung. Vielleicht blieb ihr auch die Gelegenheit für einen privaten Ausflug, wenn sie sich ohnehin dort befand.

Schon waren die ersten Leistungs-Tests innerhalb der Einheit im Gange, um die Soldaten auf ihre Eignung abzuprüfen. Spezialeinsätze erforderten nicht nur eine hervorragende Konstitution, sondern auch ein ruhiges Herz, einen klugen Kopf und idealerweise eine Menge an Zusatzfähigkeiten. Bei so einigen der Soldaten wusste Lienas genau, was sie konnten, weil sie diese im Einsatz erlebt hatte. Aber man konnte nie alle Männer und Frauen kennen, und die Akten verrieten einem nur einen Bruchteil des Notwendigen. Über die eigentliche Belastbarkeit schwiegen sich Akten gerne aus, und auch darüber, ob jemand mit einem Lächeln einer Gefahr entgegen trat oder mit einem dermaßen destruktiven Fatalismus, dass es alle anderen der Einheit mit herunter riss.
Gerade wenn sie beim kommenden Auftrag Erfolg haben wollten, würde es Leute brauchen, die Spaß am Spiel hatten, die eine Rolle verkörpern konnten und darin überzeugend waren. Sie schmunzelte bei der Erinnerung daran, wie überrascht Private Olin gewesen war, als er spät am Abend zum Trainingsparcours zitiert worden war und von Captain wie Lieutenant gleichermaßen auf sein Können mit der Schusswaffe abgeprüft wurde. Dass sie Olin dann auch im Nahkampf gegenüber treten durfte, um ihn vom Ansturm auf sein Ziel abzuhalten, war für Lienas der vergnüglichste Teil des Abends gewesen. Vermutlich hatte er sich sehr gewundert, plötzlich ihr Kampfmesser an der Kehle zu spüren.

Vorthin Olin war nicht wirklich der beste Schütze, das hatte das Zielschießen unter erschwerten Bedingungen allzu deutlich ergeben, aber im Nahkampf verfügte er über den richtigen Instinkt und ein gewisses Maß an Kreativität. Mit einem Helm war Lienas während eines Trainingskampfes noch nie beworfen worden, und es hatte sie genug überrascht, um Vorthin Olin im Auge zu behalten. 
Zudem würde sein Fell den Cathar-Soldaten zu einer sehr guten Tarnung auf Triple Zero machen, weil die meisten nicht vermuten würden, in einer an Rassen gemischten Gruppe an Fremden Imperiale vorzufinden. Die saure Miene des Captains war amüsant gewesen - Stryder-Garrde war wie viele hochrangige Offiziere ein unverhohlener Rassist und ihn dabei zu beobachten, wie er sich künftig im Einsatz mit dem direkten Kontakt zu einem Nichtmenschen schlagen würde, erheiterte sie schon jetzt insgeheim. Ganz abgesehen davon, was er wohl mit seiner furchtbaren, zurückgegelten Frisur anstellen würde, um getarnt nicht sofort als imperialer Offizier aufzufallen. Diese Frisur schrie den linientreuen Imperialen geradezu heraus.

Lienas selbst hatte ein eher indifferentes Verhältnis zu anderen Rassen. In die meisten konnte sie sich nicht genug einfühlen, um sie als angenehm zu empfinden, und sie fühlte sich in der Gesellschaft von Menschen am wohlsten. Dennoch, solange der Private seine Arbeit gut machte und dem Imperium gegenüber loyal blieb, hätte er ihretwegen auch vier Arme, drei Schwänze und grelle neonfarbene schuppige Haut haben können.

Unter der Rüstung und dem standardisierten Helm sah man ohnehin nicht, wer darin steckte. Und wenn man mit effizienzverliebten, rotäugigen und blauhäutigen Chiss klarkommen lernen konnte, die sich durch die Bank weg für etwas besseres zu halten schienen als alle anderen, dann eben auch mit felligen Soldaten. Oder grünen. Oder schuppigen.

Es war ungemein erleichternd, sich aus dem Fort bewegen zu können, raus aus den einengenden, allzu hohen Mauern. Noch war es zwar nur ein Lauf über das freie Land, gemeinsam mit Master Sergeant Blex, aber es war ein Anfang. Er hatte es verstanden, als sie ihm davon erzählt hatte, wie sehr sie es vermisste, einfach nur laufen zu können, ohne stets nur immer dasselbe zu sehen. Dauernd irgendwelche Runden im Fort selbst zu drehen, war einfach nicht dasselbe wie querfeldein zu laufen, bis sie so müde wurde, dass man eine ganze Weile irgendwo an einen Stein gelehnt sitzen musste, um sich zu erholen. 
Die noch immer bestehende Terrorwarnstufe hatte sicherlich ihren Sinn. Sie sorgre dafür, dass keine unnötigen Risiken eingegangen wurden und die Soldaten dort blieben, wo sie hingehörten. Die Einlasskontrollen an den Toren des Forts waren besonders streng, man durfte nur zu zweit überhaupt hinaus. Und doch - für jemanden wie Lienas war es wie ein Käfig aus Durabeton. Sie schätzte es, alleine zu sein, alleine zu laufen und dabei ihre Gedanken zu klären. 
Dass sie es nicht mehr tun durfte, war inzwischen einfach nur belastend, da half auch jede andere Art des Trainings nicht mehr aus. Natürlich war ihr der Gedanke mehrfach gekommen, sich einfach wegzuschleichen. Die Torwachen zu täuschen und sich ein bisschen Privatsphäre zu ergaunern - aber wenn es herauskam, würden die Wachleute ebenfalls darunter leiden und das wollte sie den Soldaten nicht antun. 

Dass Blex mit der perfekten Idee gekommen war, hatte sie nicht erwartet, nahm es aber umso lieber hin. Er hatte vorgeschlagen, man könnte gemeinsam draußen laufen gehen - immerhin waren sie dann zu zweit unterwegs und würden durch die Tore hinaus gelassen werden - und sich dann ausserhalb der Sichtweite des Forts zu trennen, wenn man es wollte. Deswegen stand sie nun auf einer Klippe mehrere Kilometer vom Fort entfernt und ließ den Wind mit eisigen Fingern in ihr Haar greifen.
Die Luft schmeckte so klar und kalt, dass sie einige Minuten lang einfach nur tief durchatmete, dem Summen ihrer beanspruchten Muskeln lauschte und glücklich war. Es würde natürlich ein riesiges Donnerwetter geben, wenn das herauskam. Vermutlich von gleich zwei Captains und einem Colonel, der die Offizierin als unverantwortlich schimpfen würde, die dann auch noch einen Unteroffizier mit ihrem Verhalten ansteckte. 
Aber in diesem einen, perfekten Moment war ihr das ganz gleich. Der Druck, den sie in den letzten Tagen überdeutlich gespürt hatte, war endlich gänzlich von ihr abgefallen. Einen stillen Verbündeten an einer Stelle entdeckt zu haben, wo sie ihn nicht vermutet hatte, tat gut. Vor allem nach dem letzten Streit, den sie mit Blex geführt hatte - im Nachhinein war ihr klar gewesen, dass sie überreagiert und den Frust der Einsätze gegen die KI an der falschen Person ausgelassen hatte. Sich bei Blex zu entschuldigen war ihr nicht leicht gefallen, aber wenn man Dinge verbockte, musste man sie auch wieder ausräumen. Und nun waren sie wieder miteinander im Reinen. 

Der Kontrast zwischen Blex' und Captain Thraces Ansichten war für sie nach wie vor überraschend gewesen. Wo Blex nicht lange gebraucht hatte, um ihr Gefühl des Eingesperrtseins zu verstehen und eine Lösungsmöglichkeit zu finden, hatte Captain Thrace versucht, ihr die Sicherheit der Mauern schmackhaft zu machen. Vermutlich war es für ihn wirklich erleichternd, alle, die für ihn wichtig waren und mit denen er regelmäßig zu tun hatte, geschützt zu wissen. 
An einem Ort, an dem man immer wusste, wo sie sich gerade befanden, und bei dem man nicht darauf achten musste, ob einen jemand von hinten angriff. Dass sie sich automatisch immer so hinstellte, um die Umgebung optimal im Auge zu behalten, weil sie stets mit einem Angriff rechnete, war für ihn unvorstellbar. Vermutlich fiel es ihm nicht einmal auf. An manchen Tagen trat der Kontrast zwischen ihrer und seiner Welt sehr deutlich zutage, und sie scheiterte schon beim Versuch, sich in diese Denkweise einzufühlen, um ihn zu verstehen. 
Es war einfach nicht dasselbe, auf dem Dach der Kaserne zu stehen, umrundet von hunderten anderer Personen, von Geschützen, Mauern und Regularien - und hier auf einem einsamen Felsen irgendwo in der jaguadanischen Landschaft. Und doch:es war gut, dass Thrace so war, wie er war. Wäre er ein anderer Mann, hätte sich beider Umgang miteinander sicher ganz anders entwickelt.

Blex' Gestalt tauchte zwischen den Felsen auf, genau zum vereinbarten Zeitpunkt, und sie trat von der Klippe zurück, um sich ihm wieder anzuschließen. Sie nickten einander zu und machten sich auf den Rückweg, nun etwas langsamer nebeneinander her trottend, mit verschwitzten Gesichtern. Auch mit ihm konnte man gut schweigen, und das rundete den Ausflug für sie ab.
Als die Straße in Sicht kam, die direkt zum Haupttor des Forts führte, zog sie das Tempo wieder ein bisschen an und Blex tat dabei mit. Schließlich wollte man vor den Wachsoldaten ja nicht wirken, als würde man aus dem letzten Loch pfeifen. Mit einem leisen Verschwörerlächeln trabten die beiden zurück auf das Areal des Forts und trennten sich vor der Kaserne. 
Ja, so langsam geriet ihr Leben wieder in Bahnen, die ihr gefielen. Es gab Schwierigkeiten, und ausreichend genug davon. Aber jede Schwierigkeit war auch eine Herausforderung, an der es sich zu messen galt. An der man wachsen und aus der heraus man neues lernen konnte. Ganz egal, ob es nun ein beginnender Krieg auf Alderaan, ein verschwundener Bruder, Terroristen auf Jaguada, missliebige Sith oder ein verdeckter Auftrag auf Coruscant war. Und sie trat diesen Herausforderungen entgegen wie stets - mit einem Lächeln. Nur, dass es dieses Mal ein bisschen entspannter als sonst ausfiel.

Über Gloria H. Manderfeld

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