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Buch

Rezension: Lang lebe die Nacht

Nach den verheerenden Kriegen gegen Napoleon ist Europa im Jahr 1818 gerade so zur Ruhe gekommen. Überall müssen die Menschen lernen, wieder im Leben zurecht zu kommen, doch leichter ist es keineswegs geworden – übernatürliche Wesenheiten, Magie und seltsame Erscheinungen sind plötzlich Teil des Alltags geworden. Ideale Bedingungen für jene, die sich der Profession der Monsterjägerei zugewandt haben wie der ehemalige schweizerische Soldat Lucien, der junge Adelige Hagen und der geheimnisvolle Salandar. 
Nachdem sie ihren aktuellen Auftrag erledigt haben, werden die drei Männer in das weserbergische Leyen gerufen, wo sie durch den dort herrschenden Grafen von Eulenbach damit betraut werden, eine grausame Mordserie aufzuklären. Die örtlichen Polizeikräfte sind angesichts seltsamer Phänomene ratlos, und auch die drei Monsterjäger müssen schnell feststellen, dass dieser Fall keineswegs so leicht zu lösen ist, wie sie es sich erhofft haben.
Gerade die grauenvoll verzerrten Gesichter der bisherigen Opfer lassen vermuten, dass es sich beim Täter nicht um einen gewöhnlichen Mörder handelt – und schon bald stecken die drei Männer in einem schier undurchdringlich wirkenden Geflecht aus übernatürlichen Wesenheiten, geheimnisvoller Magie und verborgenen Gelüsten. Sie müssen sich einem Gegner stellen, der es zudem auch auf die Monsterjäger abgesehen hat …



Eigentlich besitzt dieser Roman eine ganze Menge Elemente, die mir gefallen. Thilo Corzilius hat einen gut zu lesenden, flüssigen Schreibstil, dessen Sprachgewandtheit Spaß macht. Viele kleine Details zeigen, dass sich der Autor mit der Zeit der napoleonischen Kriege beschäftigt haben muss, da es ihm gut gelingt, das Zeitgefühl und die Sprache der handelnden Personen realistisch einzufangen. Auch eine gewisse humanistische Bildung schimmert immer wieder im Text hervor und rundet das Leseerlebnis auf angenehme Weise ab.
Auch der Grundgedanke, einen tiefen Einschnitt in der europäischen Geschichte als Grundlage für einen eigenen Weltentwurf zu nehmen, der vielschichtig mit Sagengestalten, Monstern und Geistern angereichert ist, wirkt zunächst sehr reizvoll und hat mich schon vor Monaten verlockt, einen Blick auf 'Lang lebe die Nacht' zu werfen. Wer hier jedoch steampunkige und dampflastige Action erwartet, wird enttäuscht, die Ausformung der Magie und der Gegenspieler der drei Monsterjäger wirkt eher wie historische Fantasy und hat keinen sichtbaren Technikanspruch.

Warum das Buch für mich dennoch nicht funktioniert hat, lässt sich schwer mit nur einem Grund benennen. Zunächst wirkt der häufige Perspektivenwechsel sehr irritierend. Als Stilmittel ist dies sicherlich hilfreich, um einige Hintergründe besser zu beleuchten oder aber Spannung dadurch zu erzeugen, dass man die Aktionen des Gegenspielers genauer aufzeigt. In dieser Erzählung jedoch wird der Perspektivwechsel so häufig vorgenommen, dass es sehr schwer fällt, sich mit dem Ich-Erzähler Lucien irgendwie zu identifizieren.
Gerade Luciens bewegte Vergangenheit als Soldat, die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen ihm und einer faszinierenden leyener Frau und seine Lebenseinstellung hätten mehr Raum verdient, um ihn und durch seinen Blick auch die beiden anderen Mitglieder des Monsterjäger-Teams zu beleuchten. Überhaupt wimmelt es in Leyen von interessanten Charakterkonzepten – aber der Autor nutzt die Gelegenheit, die er sich dadurch selbst geschaffen hat, keineswegs.

Hintergrundgeschichten wie die der Försterin Maria werden lieblos in ein Kapitel geklatscht, anstatt sie dem Leser in spannenden Häppchen zu servieren. Hagens und Saladars Hintergründe treten vor der schieren Menge an übersinnlichen Phänomenen vollkommen zurück, auch die Auflösung des Geheimnisses um die Grafenfamilie wird unprätentiös präsentiert.
Eigentlich hätte es gar nicht so viele übersinnliche Wesen als Gegner gebraucht, hätte der Autor die Möglichkeiten der Charaktere besser genutzt. Selbst die in den ersten zwei Kapiteln angedeutete Dynamik mit sarkastischen Sprüchen, gegenseitiger Neckerei und doch deutlich sichtbarer Sympathie zwischen den drei Monsterjägern wird in den folgenden Kapiteln immer weniger deutlich, bis sie nahezu ganz erlischt. 
Manches Mal hatte ich auch den Eindruck, der Autor versuche, möglichst viel Inhalt in das Buch zu pressen, wolle diesen aber nicht allzu ausführlich beschreiben: Salandars Handlungen, obgleich sicherlich faszinierend, bleiben gegen Ende des Buches reine Hintergrundhandlung, die der Leser nur indirekt erfährt. 

Auch bei anderen Gelegenheiten bedient sich Corzilius dieser indirekten Art, viel Information in wenig Worte zu packen und vergibt damit viele Chancen, die Handlung plastischer und interessanter zu gestalten. So bleibt 'Lang lebe die Nacht' allenfalls ein netter Entwurf, den mehr Raum und ein kreativeres Lektorat zu einem wirklich guten Buch hätten werden lassen. Das ist umso ärgerlicher, da der Autor durchaus schreiben und interessante Figuren entwerfen kann – nur an der Ausführung hapert es dann doch merklich.

Fazit: Interessantes historisch-fantasylastiges Weltenkonstrukt, das jedoch bei fortschreitender Handlung immer mehr schwächelt. Fünf von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel: Lang lebe die Nacht
Autor: Thilo Corzilius
Buch-/Verlagsdaten: Feder&Schwert, August 2013, Taschenbuch, 256 Seiten, ISBN-13: 978-3867621908, 11,99€

Über Gloria H. Manderfeld

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