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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Gewalt ist doch eine Lösung


Ihr Schädel dröhnte, als der Mandalorianer seinen Kinnhaken durchgezogen hatte. Trotz Helm war die Wucht des Schlages deutlich zu spüren, und in diesem Moment war Lieutenant Lienas van Arden froh darum, dass sie sich der Weisung, gerüstet zu kämpfen, gebeugt hatte. Ein Schlag dieser Art gegen das unbehelmte Kinn hätte ihr sicher ein blaues Ei beschert, das die kommende Woche weithin sichtbar davon gekündet hätte, dass ihr Kampfgegner wusste, was er tat.
Sie blieb ihm nichts schuldig, vor allem den Tritt nicht, den er ihr bei seiner Eröffnung zu geben versucht hatte. Ob ihn das Manöver erstaunte, ließ er sich nicht anmerken, aber sie zog eine ganz gewaltige innere Befriedigung daraus, dass er fast eingeknickt wäre. Am Ende des Trainingskampfs schwitzte sie und der stetige, leise Schmerz in ihrer linken Schulter war vergessen, hatte jenem Triumphgefühl Platz gemacht, das sie immer beschlich, wenn sie mit einen herausfordernden Gegner kämpfen durfte. Und beide lachten. Der Spaß an der Sache kam nicht zu kurz, er war von Anfang an greifbar gewesen. Wenn man bedachte, dass Lienas nur der Einspringer für Staff Sergeant Limsharn war, der beim gemeinsam mit den mandalorianischen Söldnern vereinbarten Training dann doch dienstlich verhindert gewesen war - und ihr dieser Kampf vielleicht sonst entgangen wäre? 

All das war eigentlich auf Master Sergeant Kreldos Mist gewachsen und hatte sich als erstaunlich brauchbar erwiesen. Schon seit einigen Jahren arbeitete das Imperium immer wieder mit mandalorianischen Söldnern zusammen, seit der Ruf des Mandalore zu den Waffen erfolgt war. Auch das Sturmregiment hatte ein gerüttelt Maß an Söldnern abbekommen, wenngleich sich die letzten nicht gerade mit Ruhm bedeckt hatten. Die unnötigen und vor allem vermutlich dem jugendlichen Alter der beiden Hauptquerulanten geschuldeten Konflikte hatten Lienas bezüglich Mandalorianern vorsichtig gemacht, aber auch nicht ausgeschlossen, sich eines Besseren belehren zu lassen.
Und das war nun geschehen - Kreldo hatte einige brauchbare Kämpfer für ein gemeinsames Training interessierter Soldaten von Fort Asha engagiert und die Mandalorianer hatten gehalten, was versprochen worden war: Neue Ansätze im Kampf, neue Techniken, spannende Taktiken. Ein voller Erfolg, und was sie wirklich nicht erwartet hatte, war eingetreten: Der Kampf hatte Lienas' inneres Selbst wieder wachgerüttelt, das seit der katastrophal schiefgelaufenen Mission auf Coruscant überaus und vor allem überall angeschlagen gewesen war. Gefangen, schwer verletzt, nun mit einem kybernetischen Ersatzteil im Körper, schlechter hatte es nicht laufen können. 

Und jetzt: Ein völlig Unbekannter hatte sie als zurückschlagenden Sandsack benutzt und sie fühlte sich mit einem Mal wieder wie sie selbst. Sie musste ein paar Mal während des Kampfes lachen, und die Hochstimmung war geblieben. Von ihrem Gegner wusste sie nur den Namen und seine Beschäftigung - und dass er gut war. Und doch hatte er ihr etwas geben können, woran andere zu einem guten Teil gescheitert waren.
Aaray vom Dha'beviin-Clan. Übersetzt bedeutete sein Name 'Schmerz' - wie er wohl dazu gekommen war? Mandalorianer waren immer doppeldeutig, soviel hatte sie inzwischen erkannt. Die Farben ihrer Rüstung, die Bedeutung der Worte ihrer Sprache, ihr generelles Tun. Oberflächlich betrachtet wirkten sie geradlinig und unbeirrbar, doch kratzte man die Beskar-Kruste weg, entfaltete sich etwas sehr komplexes. Eine Herausforderung, ganz sicher. Eine Kultur, die sich so sehr von der imperialen unterschied, und in der sie doch genug Vertrautes entdeckte, um das Gefühl zu gewinnen, dass da irgendwo etwas war, dem sie sich verbunden fühlen konnte. Es war wie das kleine Bergdorf auf Alderaan, das man ihr als Lehen verliehen hatte. Als sie es besucht hatte, war sofort ein Gefühl der Verbundenheit dagewesen, hatte sie sich inmitten schroffer Gebirge, eiskalter Luft und dem würzigen Duft der Bäume und Gräser ankommen gefühlt. Wildes, ungezähmtes Land.
Captain Thrace hatte es angesichts ihrer schwarzen Stimmung mit Verständnis und gutem Zureden versucht, wie erwartet - und auch damit, dass er sie die Dinge in ihrem eigenen Tempo erledigen ließ. Dass er besorgt war, sie mit dieser Besorgnis jedoch nicht offensichtlich verfolgte. Auch wenn sie natürlich wusste, dass er sich Gedanken machte und diese Gedanken nicht zu unterdrücken waren. Er hatte ihr ein Ohr und eine Schulter geboten und ihre schwärzeste Wut und größte Unsicherheit gedämpft. 
Und schließlich durch seine Geduld dafür gesorgt, dass sie das meiste von dem hatte loslassen können, das ihr seit der Rückkehr von Coruscant immer und immer wieder im Kopf herumgezirkelt war. Versagen war nichts, was sie sich gestattete, und auf T-Zero hatten sie versagt. Hatte sie versagt, und von dieser Ansicht war sie nach wie vor nicht abzubringen - aber zumindest hatte sie sich jetzt wieder aufgerappelt, wissend, dass sie auch nach einem gravierenden Fehler Rückhalt ohne Vorwürfe erfahren konnte. Und er hatte geschwiegen, jenen Abend der Schwäche direkt nach der Rückkehr nicht erneut thematisiert - dafür war sie nach wie vor dankbar. Er hatte ihr die Rückkehr in die Normalität ermöglicht, den Alltagsdienst, die alltäglichen Sorgen, die so vertrauten Rituale wie ein paar gemeinsam gerauchte Kippen an der besonderen Säule vor dem Kasernengebäude. Langsam hatte das Gefühl nachgelassen, immer innerlich auf dem Sprung sein zu müssen, an jeder Ecke einen Feind vermutend. 
Er war einfach da gewesen, ohne Anspruch, ohne Hektik - und damit genau das Richtige getan. Sie würde vermutlich nie verstehen, warum er so wenig auf seine Kompetenz als Offizier vertraute, aber irgendwann würde sie es ihm vermutlich einprügeln oder auf die Haut tätowieren müssen, damit er es sich endlich merkte ...

Master Sergeant Blex hatte es mit knallhartem Realismus versucht, als sie fast ins Jammern abgeglitten war. Von einem anderen Veteranen zu hören, dass der Kampf  beider Leben und vermutlich auch beider Tod sein würde, hätte vermutlich jeden Zivilisten zutiefst irritiert. Für den demoralisierten Lieutenant waren es jedoch genau die richtigen Worte gewesen, hatten sie das Kinn trotziger recken lassen, um den Tatsachen ins Gesicht zu blicken: Ja, ihr Körper wollte ihr inzwischen nicht mehr so dienen wie früher. Sie steckte Verletzungen nicht mehr so gut weg wie früher - aber ihr Wille war ungebrochen, und dieser entschied letztendlich.
Dass ihr Blex ebenfalls etwas versprochen, einige Erlebnisse aus seinem Urlaub und seine Gedanken um seine seit langem unerreichbare Verlobte mit ihr geteilt hatte, tat sein übriges, um ihr das Gefühl von Normalität zurückzugeben - und das Wissen darum, dass ein Band, welches seit langer Zeit zwischen ihnen geschmiedet worden war, ein wenig mehr Festigkeit erhalten hatte. So unterschiedlich sie auch sein mochten, es gab Übereinstimmungen. Kameradschaft zwischen einem Offizier und einem Unteroffizier. Oder eben zwischen zwei Kämpfern, die genau wussten, wer sie waren. 

Private First Class Avanum Jiros, ihr unvermeidlicher und in so vielem auch unersetzlicher Schüler, hatte ihre miese Laune ebenfalls ertragen müssen. Neben seinen ausführlichen Eingangslektionen im Umgang mit der 'Mind Map', die sie für ihre geheimdienstliche Arbeit seit vielen Jahren als nützliche Stütze kennengelernt hatte, war es natürlich nicht ausgeblieben, dass er bemerkte, dass sie etwas mit sich herumschleppte. Und er hatte es aus ihr geduldig herausgekitzelt, unterstützt von jenem tauben und nervtötenden Gefühl, das ihr die Fieber- und Entzündungshemmer oktroyierten. Dazu raubten sie ihr seit den 18 Stunden im Koltotank auch noch jeglichen Geschmackssinn. Für einen Menschen mit ausgesprochenem Hang zum Genuss ein Grund mehr, um sich zu ärgern.
Vermutlich hatte er sich nicht anders zu helfen gewusst, aber insgeheim glaubte sie eher daran, dass er den Effekt sehr bewusst einkalkuliert hatte - er hatte sie schließlich in die Messe geschleppt und großzügig mit Alkohol versorgt. Hartem Alkohol, um genau zu sein. Jiros hatte all die Lektionen der vergangenen Monate offensichtlich gut im Gedächtnis behalten.

Flottensprit, der selbstgebrannte Schnaps, der als Tradition von den beiden Ex-Navy-Leuten Va'Tharr und Limsharn auf den Stützpunkt geschwappt war und den Lienas selbst noch zur Genüge auf der 'Emperor's Fist' kennengelernt hatte. Flottensprit war mit das Übelste, das man im weiten Umfeld bekam und erstaunlicherweise half er. Unterstützte die Wirkung des Medikaments, dass sie nicht nur angenehm besäuselt, sondern vor allem schmerzfrei wurde. Seitdem kippte sie jeden Abend ein Gläschen, um im Anschluss in Ruhe schlafen zu können. Jiros hatte sie zum ersten Mal vermutlich ziemlich besoffen erlebt. Und dazu geschwiegen an den folgenden Tagen, an denen sie wieder in korrekter Uniform und polierten Stiefeln zum Dienst erschienen war, den Offizier hatte heraushängen lassen, weil es zur Arbeit gehörte. Er hatte sich mit einem stillen Lächeln von ihr triezen lassen, weil das der Normalzustand war, mit dem beide gut zurecht kamen. Auch das würde sie nicht vergessen.

Gemächlich schlüpfte die Offizierin in die Handschuhe, die zu ihrer auf Beweglichkeit ausgelegten Gefechtsrüstung gehörten und blickte sich in der Trainingshalle um, die sie extra für diesen Zweck gemietet hatte. Es war ein nüchterner, neutraler Raum, ausgesprochen imperial. Aber er musste weder schön noch heimelig sein. Beleuchtung, Trainingsmatten auf dem Boden und ein Dach über den Köpfen reichten vollkommen. Hauptsache, man konnte sich hier gepflegt die Köpfe einschlagen, und genau das hatte sie an diesem Abend vor. Sie bezahlte den Mandalorianer aus ihrem Privatvermögen, das wesentlich mehr privat als Vermögen war, aber das war ihr die Sache wert. Fast jeder Credit, den sie in der letzten Zeit verdient hatte, war in ihre Kampfkasse geflossen, doch hier machte sie sehr bewusst eine Ausnahme. Es würde ihr guttun, den Kopf freibekommen. Sie wieder auf das Wesentliche zurückführen - und dafür war sie bereit, eine gute Summe zu investieren. So viel war sie sich selbst wert.
Vor allem, seit sie sicher wusste, dass Arric noch lebte. Nach wie vor nahezu unerreichbar, aber am Leben. Ihr republikanischer Kontakt hatte sich gemeldet, endlich, und die Nachrichten waren einerseits erfreulich, andererseits besorgniserregend gewesen. Wie hältst Du dich? Natürlich hatte er gefragt. Auch er war ein mitfühlender, empathischer Mann. Ein aufrechter Paladin, der am liebsten die halbe Galaxis gerettet hätte und sie mit dazu. Dabei war sie die Art Prinzessin, die nicht auf einen Prinzen samt teurem Raumschiff wartete, sondern selbst mit dem Blaster in der Hand zur Tat schritt. Lienas schmunzelte leicht vor sich hin, den Kopf schüttelnd. Stell Dir vor, sie haben mich zum Captain gemacht. Ihre Mundwinkel zuckten umso deutlicher empor, als sie sich den verrückten Humor des Schicksals bewusst machte. 

Die neuen Rangabzeichen standen ihm sicher gut, und die republikanische Captainsuniform machte sehr viel her - und damit verbunden war dieselbe Scheisse, die sie auch täglich erlebte. Verantwortung. Flimsikram. Behördenschwachsinn, von dem die Republik ohnehin bis unter die Halskrause angefüllt war. Es war gut zu wissen, dass er noch lebte. Dass es für ihn voran ging und dass man seine Leistung endlich anerkannte. Er hatte es wirklich mehr als verdient. Ob es dort drüben jemanden gab, der sich um ihn kümmerte, wenn er einen schwarzen Tag erlebte? Bestimmt. Hoffentlich mehr als nur eine Person. Hoffentlich viele, die ihm halfen, seine Last zu schultern, wo sie es wegen den unerheblichen Faktoren der Entfernung und der verschiedenen Fraktionen nicht konnte.
Immerhin hatte auch sie diejenigen, die ihr halfen, ihre Last zu tragen. Hilfe. Freundschaften. Beistand. Ist es so, wenn man irgendwo ankommt? Als sie die Gürtelschnalle geschlossen hatte, lehnte sie sich zurück und rief die letzten Tage wieder ins Gedächtnis. 
Und dann musste sie lachen. Lachen, wie sie im Kampf gelacht hatte, als ihr ein guter Treffer auf Aarays Körper gelungen, lachte wie er, als er diesen eingesteckt hatte wie eine Medallie. Lachte wie Blex bei der Erinnerung an das einwöchige Besäufnis mit seinem Bruder in dessen Wohnung auf Nar, wie Jiros, wenn ihn gerade wieder der Schalk ritt und er versuchte, mit einer frechen Bemerkung seine Grenzen auszutesten. 

Sie lachte beim Gedanken an Carssons vorsichtige Belustigung, austestend, wie gut es ihr wirklich wieder ging, lachte über die ganze verfahrene, komplizierte, schwierige Situation, den Blick von Stryder-Garrde beim Anblick ihres neuesten Offiziersutensils, über den verdammten Krieg in der Galaxis, der zu ihren Lebzeiten vermutlich nicht enden würde - und als sie nach Atem ringend inne hielt, fühlte sie sich seltsam beruhigt. Scheisse ja, das Leben war schwierig und neigte in letzter Zeit immer wieder dazu, ihr dicke Knüppel zwischen die Beine zu werfen, aber dafür gab es andere, die ihr wieder aufhalfen. Und ab und an war auch Gewalt eine gute Lösung. Manchmal musste man sich eben prügeln, um sich wieder wie die Person zu fühlen, die man war ...

Über Gloria H. Manderfeld

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