"Und in der Lunge hat sie eine Wucherung," sagt die Tierärztin und blickt mich ernst an. "Sie", meine nun bald vierzehnjährige Katzenlady Nadz, sitzt schwer atmend und noch immer von dem mehr als ungewollten Röntgenbild aufgeregt in ihrer Transportbox, vermutlich zum ersten Mal an diesem Tag froh über die sie umgebenden Plastikwände. Gerade hatte sie sich noch die Lunge aus dem Leib geschrieen, wie jedes Mal, wenn beim Tierarzt mehr an Untersuchung anstand als nur ein bisschen Abtasten.
Die erschreckten und schockierten Blicke der anderen Tierbesitzer im Wartezimmer sind für mich schon absoluter Alltag, wenn ich mit Nadz zum Tierarzt muss - sie hat eine durchdringende, wütende Stimme, wenn irgend etwas passiert, das ihr nicht gefällt. Sie hasst Tierärzte, und noch mehr hasst sie die Fahrt im Auto zum Tierarzt, während der sie im fünf-Sekunden-Abstand miaut. Ihre absolute Obergrenze liegt übrigens bei sechs Stunden Dauermiauen. Umzüge und den Transport im Auto zum künftigen Wohnort mag meine Katzenoma nämlich auch nicht.
Was habe ich mit dieser Katze nicht schon alles erlebt! Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem sie in mein Leben kam, die letzte eines kleinen Kontingents von Tierschutzkatzen, die über ein Projekt des Tierschutzvereines auf den Straßen von Istanbul aufgelesen und nach Deutschland gebracht worden waren. Katzen mit ungewisser Vorgeschichte sind selten beliebt bei willigen Neubesitzern, und schüchterne Katzen wie Nadz, die nicht sofort auf den potentiellen Dosenöffner zulaufen, um sich bei ihm einzuschmeicheln, schon dreinmal nicht.
Bei dieser Katze musste man Geduld haben, und ich hatte sie. Also saß ich damals eine ganze Weile auf dem Boden und ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, um zu mir zu kommen. Sie schnüffelte vorsichtig an meinen Händen, stellte fest, dass dieser herumsitzende Mensch auch ganz gut streicheln kann und adoptierte mich als künftigen Ernährer.
Seitdem war ich 'ihr Mensch', wahlweise Katzenfuttertütenöffnerin, Katzenkissen, Kratzbaum, Dauerstreichler und Katzenkloausräumer. Und sie war mir eine treue Gefährtin, keinen-Bock-Tage-Wegschnurrerin, flauschige Fußwärmflasche, liebevolle Trösterin und Dekorationszerstörerin mit der ganzen Hingabe ihres kleinen Katzenherzens. Natürlich hat Nadz ihre Macken - das Pinkeln auf Handtücher und Teppiche hätte nicht unbedingt sein müssen, ebensowenig ihre Angewohnheit, beim Futter extrem mäkelig zu sein. Das grauenhafte Verhalten beim Tierarzt ist da nur ein Tüpfelchen auf dem i.
Es gibt viele Situationen, in denen sie Angst hat, und sie fremdelt gerne andere Leute erstmal ausgiebig an, bevor sie Vertrauen fasst. Wer weiss, was in ihrem Vorleben so alles passiert ist - ich bin stolz darauf, dass sie mir inzwischen im wahrsten Sinn des Wortes aus der Hand frisst und sich untersuchen lässt. Seit Wochen hatte sie ihr Futter noch mäkeliger behandelt als sonst und war mager geworden. Ich glaubte noch, dass das ein erstes Anzeichen ihres Altersprozesses sein müsse, aber als sie Durchfall bekam, war es Zeit für einen Besuch beim Tierarzt.
Und nun das: eine Geschwulst in der Lunge, sehr klein noch, aber vorhanden, und etwas, bei dem man nicht mehr viel tun kann, ausser eben abzuwarten. Hoffen, dass es nur langsam wächst, gut beobachten, ob sie irgendwann zu leiden anfängt, um dem entgegen wirken zu können. Alle anderen Sachen bekommt man medikamentös in den Griff (die alte Dame bekommt, wie es einer echten Oma gebührt, nun Herzpillen!), nur diese eine nicht.
Die Uhr tickt für jeden, aber für Nadz tickt sie jetzt ein bisschen lauter als zuvor. Für meine wunderbare, liebevolle, schwierige und kluge Katze ist ein Ende mit einem Mal absehbar. Ein Gedanke, den ich bisher zur Seite geschoben habe, weil Katzen nunmal alt werden können, über zwanzig Jahre sind bei guter Pflege und Gesundheit durchaus drin.
Andererseits: Es macht umso mehr bewusst, dass die Tiere ein Geschenk sind. Ein oftmals anstrengendes Geschenk, als hätte der wohlmeinende Opa dem Nachwuchs zum Geburtstag ein Schlagzeug zukommen lassen, mit dem pünktlich um sieben Uhr morgens am Sonntag geübt werden muss. Aber doch ein Geschenk, das einem viel Freude bringen kann. Das selbstlos Liebe anbietet, wenn man traurig ist. Das Zuwendung spendet, wenn man bereit ist, geduldig und aufmerksam zu sein. Ein Geschenk, das einem das Leben unendlich bereichern kann.
Ich weiss nicht, wie oft ich diese Katze schon verflucht habe, wenn sie mich aus meinem (zugegebenermaßen leichten) Schlaf gerissen hat, weil sie Sonntag früh unbedingt Futter wollte oder sich durch nach und nach ereignende zufällige Zerstörung dafür gesorgt hat, dass ich keine Ziergegenstände mehr besitze. Aber die Momente, in denen mein Tag einfach wieder in Ordnung war, wenn sie mir ihren Kopf gegen die Stirn gedrückt und geschnurrt hat, sind definitiv weit in der Mehrzahl. A house is no home without a cat.
Ich hoffe, dass ich Nadz Leben noch lange Zeit begleiten darf und den letzten Schritt ohne Bedauern gehen kann, wenn es an der Zeit ist. Bis dahin wird die Herzpille jeden Abend zu Pulver kleingemahlen und im REWE-Schlecksnack vermengt, damit sie es nicht bemerkt. Denn Nadz gehört zu den Katzen, die Medikamente für gewöhnlich auch aus zehn Kilometer Abstand wittern und aus dem mit Futter gefüllten Napf alles ausfressen - nur eben das eine, präparierte Stück nicht, das dann anklagend in der Mitte des leeren Napfes liegenbleibt...
Wir haben aktuell 3 Katzen (daher bin ich über deinen Post gestolpert) die zu uns gekommen sind nachdem wir unseren Hund einschläfern ließen.
AntwortenLöschenEr hatte einen Tumor, der in die Wirbelsäule eingewachsen ist und ihn Stück für Stück hüftabwärts immer weiter lahmen ließ, bis er sich eigentlich gar nicht mehr bewegen konnte.
Im Nachhinein hasse ich mich dafür, dass wir ihn so lange haben leiden lassen.
Es war seiner unwürdig nicht mal mehr selbständig und kontrolliert "aufs Klo" gehen zu können.
Daher mein Rat/Tipp...warte nicht zu lange.
Entscheiden musst du dich über kurz oder lang vermutlich eh für den letzten Schritt.
Behalte sie im Auge und lass ihr ihre Würde!
Ein gut gemeinter Rat...
Keine Sorge :) im Augenblick ist das 'Ding' noch sehr klein und laut TA hat sie noch kein Leiden oder Beeinträchtigungen. Es ist eine gute Ärztin, die sie mit viel Einfühlungsvermögen dazu gebracht hat, sich zumindest abtasten zu lassen, ohne dass das Gekreische losgeht - und wenn es Zeit wird, dann werde ich nicht zurückschrecken. Dafür ist sie mir zu lieb und teuer, sie aus Eigensucht leiden zu lassen. Hat sie nicht verdient.
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