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Buch

Rezension: Windjäger

Nebel hüllen den Erdboden ein und machen das Leben auf der Oberfläche gefährlich, wenn nicht gar unmöglich, da dort viele schreckliche Kreaturen lauern. Die Menschen haben sich in festungsartige, riesige Türme auf den Berggipfeln zurückgezogen, welche jeweils eigene Luftschiff-Flotten unterhalten und unterschiedliche Ziele verfolgen. In stetiger Konkurrenz zueinander, versuchen die mutigen Luftschiffkapitäne der verschiedenen Türme, als Freibeuter gegeneinander anzutreten und für ihren Heimatturm eine gewaltige Prise herauszuholen, ohne es mit den jeweils offiziellen Verteidigungsflotten des Gegners zu tun zu bekommen.

Ein Leben, das nach Abenteuern und Spannung klingt, viel besser als das Höhere-Töchter-Pensionat  von Lady Hadshaw. Gwendolyn Lancaster, die einzige Erbin des Hauses Lancaster in Turm Albion, entscheidet sich für den Weg in die Verteidigungsgarde des Turmes, um den engen Regeln für Aristokratinnen zumindest ein wenig entkommen zu können und ihre Familie in der Garde zu vertreten. Doch mit ihrer reichlich selbstbewussten Art löst sie gleich eine kleine Katastrophe für ihre Mitkadettin Bridget aus, welcher sie ungewollt ein Duell verschafft ...

Als jedoch der zu Turm Albion gehörende Kapitän Grimm mit seinem Luftschiff »Raubtier« in eine Falle der Flotte von Turm Aurora gelockt wird, kann das stolze Schiff dem Hinterhalt nur mit Mühe und Not entkommen. Zu Turm Albion zurückgekehrt, um sich mit dem Gedanken auseinander zu setzen, dass für die dringend nötige Reparatur seines Schiffs nicht genug Geld aufzubringen ist, läuft Grimm durch einen Zufall in einen militärischen Stoßtrupp von Turm Aurora, welcher eine Invasion vorbereiten soll ...


Schon bei der Romanreihe um den modernen Magier Harry Dresden zeigte Autor Jim Butcher, dass es ihm an kuriosen und vielseitigen Ideen sowie einem sehr kernigen Humor nicht mangelt: Mit dem Roman »Windjäger« ist ihm der Auftakt in eine neue Serie gelungen, die in einer Art Fantasy-Steampunk-Version der Erde spielt und neben reichlich viktorianisch anmutenden Sitten und Gebräuchen auch spannende Luftschiffgefechte und eine sehr spezielle Form von benutzter Magie zu bieten hat. 
Mit einer Handvoll höchst unterschiedlicher Protagonisten zieht der Autor den Leser sofort in seine Welt aus Nebeln, Luftkämpfen und Intrigen, die zu einem unvermeidlichen Krieg führen.

Gerade der Kontrast zwischen der stolzen, eigensinnigen Gwendolyn, die mit allen Privilegien ihres Ranges aufgewachsen ist und dadurch ihr Selbstbewusstsein kultiviert hat und der unsicheren, vorsichtigen Bridget, die aus einer zwar ebenso edlen, aber verarmten Familie stammt und daher eine sehr viel bodenständigere Erziehung genossen hat, macht die Erzählung lebendig und abwechslungsreich. Auch der Kniff, Bridgets ständigen Begleiter, den Kater Rowl, mit einem eigenen Erzählstrang zu bedenken und den Leser damit auch vertraut zu machen, dass Katzen als eine der Interessensfraktionen in Turm Albion von Wichtigkeit werden, lässt die Neugierde auf kommende Ereignisse nur wachsen.

Meine Lieblingsfigur neben dem ziemlich sarkastisch-katzentypisch arroganten Rowl ist jedoch Kapitän Grimm, der zu Unrecht aus der albionischen Flotte gechasste Kommandant eines aussergewöhnlichen Schiffes. Trotz seiner Betätigung als Freibeuter, der mit Vorliebe auroranische Handelsschiffe überfällt, hat er sich seinen Ehrencodex bewahrt und steht jederzeit mit aller Kraft für seine Mannschaft ein, was ihn nicht nur zu einem guten Anführer macht, sondern ihm auch eine Menge Sympathiepunkte gewinnt. 
Während er trotz aller Enttäuschungen in der Vergangenheit tut er sein Möglichstes, um Turm Albion zu verteidigen und wird damit zum idealen Begleiter für die Spezialmission, auf die der Archon von Turm Albion die ausgewählte Heldengruppe schickt.

Doch auch die Nebenfiguren wurden mit detailverliebter Kreativität bedacht und entworfen: der schrullige Meisterätheriker Ferus und sein nicht minder verschrobenes Lehrlingsmädchen Folly, der kriegerstämmige Cousin Gwendolyns, Benedict, die verschiedenen Besatzungsmitglieder der »Raubtier« und natürlich der Archon von Turm Albion selbst vervollkommnen die Welt spannender Gestalten. Selbst ihre Gegner auf der Seite von Turm Aurora nötigen dem Leser wenn nicht Sympathie, dann zumindest Respekt ab, da gerade die skrupellose Magiewirkerin Miss Cavendish auf eine sehr hintergründige Art und Weise als gefährlich dargestellt wird, bei der man im Grunde mit allem rechnen muss. 
Jim Butcher gelingt es dabei, gerade durch Andeutung ihrer Grausamkeit zu wirken anstelle direkter Beobachtung, sodass sich daraus ergebende Kopfkino einen ziemlichen Gruselfaktor mit sich bringt. Die besondere Form der Magiewirkung in der Welt der Türme hat es mir generell angetan: zwar erlebt man ein paar Mal mit, wie Meister Ferus und Folly ihre Fähigkeiten einsetzen, aber die tiefergreifenden Erklärungen fehlen noch und lassen für den Folgeband offene Fragen zurück.

Die Erzählung von »Windjäger« ist dabei eine klassische Abenteuererzählung und fokussiert sich sehr stark auf die Actionanteile. Dennoch kommt Charakterentwicklung nicht zu kurz, sodass innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge keine Langeweile aufkommt und man den nächsten Kapiteln und den Ereignissen bei den anderen Protagonisten interessiert entgegen blickt. Hier kommt definitiv Jim Butchers Routine als Autor zum Tragen, da es ihm jederzeit gelingt, das Gefühl zu vermitteln, dass der Leser eine wichtige und entscheidende Entwicklung begleitet. 
Die Vermischung von Fantasy- und Steampunkelementen gibt dem Autor eine Menge Freiheit für weitere Schwierigkeiten, die im Weg unserer Helden landen könnten, was sich schon durch die im Kampf eingesetzten Bestien gezeigt hat. »Windjäger« hat mich gleich von Beginn an gefesselt und lässt mich mit Spannung auf den kommenden Roman blicken, bei dem die Erzählung und die bereits im vorliegenden Buch spürbare Entwicklung der Charaktere  weitergeführt werden.

Fazit: Sehr gelungener und spannender Auftakt einer neuen Buchreihe in einer vielschichtigen Fantasy-Steampunk-Welt. Neun von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel:  Windjäger
Originaltitel: The Aeronaut‘s Windless (01 Cinder Spires)
Autor: Jim Butcher
Übersetzer: Andras Helweg
Buch/Verlagsdaten: Blanvalet Taschenbuch Verlag, März 2016, Taschenbuch, 768 Seiten, ISBN-13: 978-3734160004

Das Rezensionsexemplar wurde vom RandomHouse-Bloggerportal zur Verfügung gestellt - vielen Dank! 

Über Gloria H. Manderfeld

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