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Buch

Rezension: Das LARP-Gewandungsbuch

Die faszinierende Elfenmagierin, der strahlende Paladin, der abgerissene Bettler und die weitgereiste Händlerin haben beim LARP (=Live Action Roleplay) eines gemeinsam: Ohne die passende Kleidung wirken sie in ihren jeweiligen Rollen nicht halb so interessant. Doch auch wenn sich die Vielfalt des Kleidungsangebots in den bekannteren Shops in den letzten Jahren deutlich gesteigert hat, passen diese Sachen von der Stange selten jedem.
Spätestens, wenn man irgendwie aus der Norm herausfällt, die Körperform zu groß, zu klein oder vielleicht zu kurvig geraten ist, muss man sich nach einer Alternative umsehen. Warum also nicht selbst zu Nadel und Faden greifen und die gewünschten Gewandungsstücke selbst herstellen, genau so, wie man sie sich in Form und Farben wünscht?

Genau mit dieser Problemstellung beschäftigt sich Autor Robert Albrecht im gut 160 Seiten dicken, schick gestalteten »LARP-Gewandungsbuch«, welches Einsteigern wie auch erfahreneren Spielern eine vielseitige Hilfe an die Hand geben soll, sich eigene Gewandung zu nähen und Anfängerfehler zu vermeiden. Dabei darf man hier keine anpassbare Schnittmustersammlung erwarten – denn diese will das Buch bewusst nicht bieten.
Vielmehr geht es darum, zu zeigen, aus welchen Bestandteilen eine breite Variation an larpgeeigneten Kleidungsstücken des Mittelalters der beginnenden Renaissance bestehen und wie man diese auf nachvollziehbare Weise herstellen kann.

Dafür gliedert sich das Buch in mehrere Bereiche: Die Einleitung samt Grundlagenteil, in welchem nicht nur ein Planungsleitfaden für die Erstellung vom zum Charakter passender Gewandung samt nützlichen Grundfragen zur gespielten Rolle wartet, sondern auch eine Materialkunde passender Stoffe und deren Verarbeitung, Grundinformationen zum Nähen und eine bebilderte Anleitung für verschiedene, händisch ausführbare Stiche sowie Kleidungsverzierungen sowie ein Unterkapitel zum Thema Körperformen und dazu passender Gewandungsstücke. Überlegungen dazu, welche Kleidungsstücke zu verschiedenen Fantasyvölkern passen könnten, runden den Grundlagenteil ab.

Insgesamt 8 Bildertafeln mit gezeichneten Kostümen und Rollenvorschlägen stimmen auf den Hauptteil des Buches ein, der sich mit den verschiedenen Kleidungsarten beschäftigt. Jeweils mehrere Variationen von Hosen, Kleidern und Röcken, Kopfbedeckungen, Torsobekleidung und Mänteln oder Umhängen werden in schematischen Bildern dargestellt und in verschiedenen Stadien der Herstellung gezeigt.
Ein Baukastenkapitel, in welchem Ärmel- und Kragenvariationen vorgestellt sowie die Herstellung von Taschen, Beuteln und Handschuhen beschrieben werden schließt neben einer Übersicht über Bezugsquellen von Stoffen und Accessoires das Buch ab.


Als ich dieses Buch zum ersten Mal in die Hände bekam, dachte ich mir spontan: Ich wünschte, ich hätte das zu Beginn meiner aktiven LARP-Zeit schon gehabt, denn diese begann auch damit, dass ich mir eigene Kleidungsstücke zu nähen versuchte. Mein erster Versuch war ein Surcot in Form des (zu Recht) geschmähten Wappenlappens, die darauf folgenden Projekte waren nicht viel besser – es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich zu verstehen begonnen habe, wie Kleidungsstücke ‚funktionieren‘ und worauf man achten muss, wenn man eigene Dinge entwirft.
Sehr viele Fehlversuche hätte ich mir dank des »LARP-Gewandungsbuchs« sparen können, da es dem Autor erfreulicherweise gelingt, die Thematik auch für absolute Anfänger nachvollziehbar und ausführlich genug darzustellen, dass kaum Fragen offen bleiben.

Gerade die Hinweise zu verschiedenen Nähstichen und Versäuberungsmöglichkeiten für Säume helfen, schon bei einfachsten Gewandungsteilen einen ‚fertigen‘ Look zu erzielen. Auch die Erläuterungen zu den verschiedenen Werkstoffen und für welche Arten von Kleidungsstücken sie geeignet sind, bieten nützliche Hilfen für jeden, der sich mit der Thematik Nähen ein bisschen mehr beschäftigen möchte. Der vorgeschlagene »Nähplaner«, mit dessen Hilfe man die Gewandung und den Einkauf für diese systematischer gestalten kann, ist in jedem Fall eine wichtige Anregung, um Materialchaos zu vermeiden und zu viel zu kaufen.

Ausführlicher gewünscht hätte ich mir das Kapitel über die Körperformen und die dafür geeigneten Kleidungsstücke, da zwar viele Beispiele genannt werden, die Bebilderung durch die gezeichneten Grundschemata aber recht karg ausfällt. Anhand von Fotos von real existierenden Gewandungen wäre dies sicherlich anschaulicher geworden, ebenfalls hätte man die Nutzung von Accessoires wie Gürteln, Schals und anderen Dingen noch einbinden können, um die jeweilige optische Wirkung zu verstärken.
Die verschiedenen, in den einzelnen Kapiteln näher beleuchteten Kleidungsstücke bieten einen guten Querschnitt an vor allem mittelalterlich angehauchter Mode, mit der man eine Vielzahl an Rollen ausstatten kann. Bei den meisten Modellen der Anspruch an das Können des Nähenden im Anfänger- bis Fortgeschrittenenbereich verortet, sodass die Einstiegshürde nicht zu hoch gelegt wird, um zu einer schönen Gewandung zu gelangen. Nichts frustriert schließlich mehr als ein Berg von Einzelteilen, die man ewig nicht zusammen bekommt.
Auch der Gedanke des Nähbaukastens hilft, die Kreativität der Nähenden anzuregen und ihnen auf einfache Weise zu zeigen, wie viel generell möglich ist. Allen Nähanregungen gemein ist, dass man über eine gewisse Vorstellungskraft verfügen sollte, um die gezeigten schematischen Bilder auch im Kopf umzusetzen – hier wären vielleicht noch einige Hinweise aus der Praxis hilfreich gewesen, oder aber ein kleiner Exkurs zum Umgang mit der Schneiderpuppe, falls man sich eine solche leisten möchte.


Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Tipps und Schnittmusteranregungen über das pure Mittelalter und Renaissanceanklänge hinausgehen würden – schließlich stammt eine Vielzahl von LARP-Rollen aus dem phantastischen Umfeld und sollte mehr sein als ‚nur‘ Mittelalter mit bunteren Stoffen. Anregungen für breitere Schultern, fantasygerechte Verzierungen und das Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe wie Metallapplikationen oder Stickereien wären hier noch das Tüpfelchen auf dem ‚i‘ gewesen, immerhin sind solche Kleidungsstücke in bekannten Serien wie »Game of Thrones« inzwischen massenweise zu sehen dürften für viele Spieler eine Wunschvorstellung sein.
Aber das ist kein ‚Muss‘, sondern ein ‚Kann‘ - mit dem vorliegenden Buch bekommen gerade Anfänger eine nützliche, ausführliche Hilfe in die Hand, mit der sie alle Grundlagen erlernen können, sofern sie willens sind, sich auch mit etwas Theorie und der Übertragung der Schnittanleitungen auf zu ihren Körpern passende Schnittmuster auseinander zu setzen. Man merkt an vielen Ecken die Erfahrung des Autors, die er auf eine nette und gut verständliche Art und Weise vermittelt. Zumindest mir hat dieses Buch wieder viel Lust aufs Nähen gemacht – Ziel erreicht!

Fazit: Sehr hilfreiches Einsteigerwerk für alle, die sich ihre LARP-Gewandung selbst herstellen wollen und lernwillig sind. Neun von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:

Titel: Das LARP-Gewandungsbuch: Tipps und Anleitungen für Live-Rollenspieler
Autor: Robert Albrecht
Buch-/Verlagsdaten: Zauberfeder Verlag, Taschenbuch, März 2016, 160 Seiten, ISBN-13: 978-3938922606, 29,90€


Das Rezensionsexemplar wurde vom Zauberfeder-Verlag zur Verfügung gestellt - vielen Dank dafür!

Über Gloria H. Manderfeld

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