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Comic

Spannender Trip nach Outer Space - Die Bokanovsky-Tales sind zurück

Echte Comicfans erinnern sich sicherlich mit Wehmut an das Magazin SCHWERMETALL, in dem zwischen 1980 und 1999 vielfältige und künstlerisch anspruchsvolle Comics für Erwachsene im deutschen Sprachraum erschienen sind. Die teilweise sehr erotiklastigen Stories brachten das Magazin damals auch in Konflikt mit dem deutschen Gesetz - aber den wirklich dauerhaften Ruhm des Originalmagazins Métal Hurlant und seiner beiden Ableger Heavy Metal und SCHWERMETALL brachten Künstler wie MOEBIUS, Boris Vallejo, Milo Manara, Paolo Eleuteri Serpieri mit ihrer ungewöhnlichen Sicht und ihrem unvergessenen Können mit sich.

Zu diesen Kreativen dürfen sich auch die Musal Brothers mit ihrer Serie "Bokanovsky Tales" zählen - Michael Musal, der als Zeichner für den unverwechselbaren Stil verantwortlich ist, und sein Bruder Thomas Musal als Autor - eines ihrer bekannten deutschen Projekte ist der mehrteilige, bei Ehapa erschienene Funny "Die Zeitzocker".
Schon damals erhielten die "Bokanovsky Tales" viel positive Aufmerksamkeit - unter anderem auch vom Zeichnerkollegen MOEBIUS höchstselbst. Zweiundzwanzig Jahre nach dem ersten Erscheinen ihres Weltraumopus haben sie sich nun dafür entschieden, die "Bokanovsky Tales" erneut herauszubringen, dieses Mal für ein englischsprachiges Publikum. Das Neue daran: Finanziert wird die Neuauflage per Crowdfunding über die amerikanische Plattform Kickstarter. 

Ich hatte die Gelegenheit, Michael Musal zur aktuellen Kickstarter-Kampagne und den "Bokanovsky Tales" einige Fragen zu stellen - hier einige exklusive Infos zu den Hintergründen und der Entscheidung für das ungewöhnliche Finanzierungsmodell - garniert mit einigen Bildern aus der kreativen Werkstatt von Michael Musal.

Nerd-Gedanken: Beschreibe doch bitte kurz den "Duke" und die Bokanovsky-Tales für die Leser, die ihn und seine Welt noch nicht kennen.

Michael Musal: Das kann Tom sicher besser, aber das visuelle kann ich beschreiben: es ist ein ziemlich nüchterne Zukunftswelt ohne Popcorn, Blinkenlights, irre Toaster und billige Gadgets. Outer Space ist hier so, wie es ist: das dunkle Nichts mit einer Menge riesiger Steine, Gase, Wirbel, und ohne magische Mystik - trotzdem ist es schön. Es ist glaubwürdig - so könnte es sein. Wer Gravity gesehen hat, weiß, was ich meine.
Wir beschreiben ein Universum, das immer noch von Gier, Dummheit und Gewalt bestimmt wird, und in dem Marmaduke Bokanovsky seine Selbstachtung wahrt, in dem er seinem Gewissen folgt, auch wenn er sich damit jede Menge Ärger einhandelt. Er ist kein naives Raumfahrerkasperle, sondern ein erwachsener Mensch, der Probleme mit Hirn und Mitgefühl löst, aber auch knallhart und schnell durchgreift und aufräumt, wenn es sein muss.
Seine Lebensgeschichte ist dabei sehr wechselhaft: im Kinderheim aufgewachsen, durchläuft er nach einer Ausbildung zum Computer-Operator eine militärische Karriere, die im Kommando über ein eigenes Raumschiff gipfelt. Als man ihn zum Admiral befördern will, kündigt er und macht sich als freier Transporteur im Raum selbständig. Als Vater von zwei Töchtern und nach zehn Jahren Ehe durch den Mord an seiner Frau viel zu früh verwitwet, hat er das Leben mit all‘ seinen Licht- und Schattenseiten kennengelernt. Der Duke hat in jedem Fall viel zu erzählen.



Nerd-Gedanken: Wie kamt ihr auf die Idee, es bei der Neuauflage der "Bokanovsky-Tales" mit Crowdfunding zu versuchen? Was reizt Dich daran besonders? Warum macht ihr das "Bokanovsky"-Crowdfunding bei der amerikanischen Plattform "Kickstarter" und nicht im europäischen Raum, zum Beispiel bei der deutschen Plattform "Startnext" oder anderen - immerhin sind die ursprünglichen Stories im deutschen "Schwermetall" erschienen?

Michael Musal: Mich begeistert die Möglichkeit, das Publikum bewerten zu lassen, was man an Ideen hat. Wir versuchen heraus zu bekommen, ob hier nur Fans zum Ausgeben von noch mehr Geld gebracht werden, oder ob man völlig Fremden wirklich neue oder originäre Sachen vorstellen kann.
Bokanovsky ist ein Relaunch, und man erfährt jetzt diese beiden Dinge. Allerdings muss man bewerten:
Wenn Bokanovsky bei Kickstarter nicht voll finanziert wird, heißt das für uns nur, dass es nicht die richtige Plattform war. Das Ganze hat auch die Funktion, meinen Studenten und Freunden in der Online Drawing Class zu zeigen, wie das Procedere des Crowdfunding in der Praxis mit einem eigenen Projekt geht.
Außerdem bleibt es ja nach wie vor unsere Aufgabe, nicht nur wie früher mit den amerikanischen Kollegen auf gleicher Augenhöhe zu agieren, sondern auch amerikanische Leser zu begeistern. Es gibt viele Sachen, die so angelegt sind wie Bokanovsky, was den Anspruch angeht…Publikationen von Neil Gaiman, Will Eisner, und vielen anderen.

Dazu wollen wir keine Einmischung von unqualifizierten Verlagsmitarbeitern mehr. Unsere Geschichten wurden von einer der höchsten Instanzen für uns, von MOEBIUS* selbst, anerkannt und gewürdigt. Wie sich gezeigt hat, ist der deutsche Herausgeber dann vor Neid fast geplatzt und hat versucht, unseren Erfolg herunterzuspielen. Für weiteres Engagement fehlte dem Verlag durch unternehmerisches Versagen auch das Geld, weshalb er sieben Jahre später in Konkurs ging.
Bekommen wir das Geld also von den Kunden direkt, wird der Comic genau so bei unseren Lesern ankommen, wie wir ihn kreiert haben. Es liegt uns auch daran, keine Wasserköpfe von Verlagsmitarbeitern samt deren ausufernden Dienstreiseurlauben auf Kosten der Autoren zu finanzieren.
Das Geld, welches die Verlage einbehalten, sind sie vor allem in Deutschland nicht zur Hälfte wert – insbesondere, wenn man ihr wenig unterstützendes Verhalten den deutschen Künstlern gegenüber in Betracht zieht. Das ist sowohl in Spanien als auch in England, Kanada und den USA gegenüber inländischen Künstlern ganz anders. 

Als Ausländer sind die Chancen, bei einem interessanten amerikanischen Verlag angenommen zu werden, nicht sehr gut - der Eintritt auf diesen Markt wird also über die Hintertür "Direktmarketing" nötig sein. Ein besonderer Reiz ist das für uns nicht - es ist schlichtweg notwendig.
Und weil es sonst nichts Neues wäre: Wir sind uns relativ sicher, dass die deutschen Leser den Import grundsätzlich und prinzipiell vorziehen. Die Deutschen brauchen den exotischen Touch, es muss foreign sein - im Gegensatz zu Amerikanern, Engländern und Franzosen, die sind genau andersrum gepolt. Ich bewerte das nicht, ich stelle es nur fest. Aber das heißt nicht, dass wir nicht auch die deutschen Plattformen mal ausprobieren werden.

Nerd-Gedanken: Bei der Kickstarter-Kampagne erwähnt ihr, dass der weltbekannte und inzwischen leider verstorbene Zeichner Moebius die "Tales" für gutes Filmmaterial hielt. Wie steht es denn mit einer Verfilmung, gehört das noch zu euren Träumen?

Michael Musal: Wir glauben, Bokanovsky hat bereits in der Filmwelt Spuren hinterlassen. Im Übrigen werden Filme heute so produziert, dass mit der Zusage eines bekannten Schauspielers die Pre-Production beginnen kann. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, ob einer der angesprochenen und vorgeschlagenen Schauspieler das Script annimmt.
Es geht also bezüglich der Verfilmung nur um die Kommunikation in den exklusiven Sphären, auf welche die führende Filmindustrie der Welt die Sache reduziert hat. Nimmt man sich vor, die Sache zu verfilmen, ist das auch möglich. Was eine Verfilmung hinauszögert, sind die Royalties** und sonstige Vertragsbedingungen. Alle wichtigen Größen Hollywoods umgehen dieses Royalties-Theater dadurch, dass sie ihre eigenen Produktionsfirmen besitzen.


Nerd-Gedanken: Was hat euch damals bei der Schaffung des "Duke" und der "Bokanovsky-Tales" am meisten beeinflusst?

Michael Musal: Zum einen natürlich ein Thema, das in allem zentral ist: die Bekämpfung von Unrecht, die Schaffung von Gerechtigkeit, das Anprangern von Schweinereien, und zu zeigen, dass man die Wahl hat, und sich nicht wegen der eigenen Sicherheit an alles gewöhnen muss. Da kommst Du automatisch zum Abenteuer, weil das die Überhöhung eines selbstbestimmten Lebens ist, in Freiheit. Das, was jeder möchte.
Dafür erträgt man auch die Gefahr und die dunklen Seiten. Zum anderen der persönliche Werdegang von Thomas, der als Soldat beim Militärischen Nachrichtendienst während der Hochphase des Kalten Krieges alle Facetten einer militärischen Karriere erkundet hat und durch sein Wissen die Geschichte von Duke Bokanovsky vielschichtig und hautnah erzählen kann.

Nerd-Gedanken: Hat sich der "Duke" als Charakter über die vielen Jahre hinweg verändert? Wird er dem veränderten Geschmack der Leser und der politischen Weltlage angepasst?
Michael Musal: Er wird eher härter und cooler als angepasster. Sein Humor wird eher stacheliger. Das dürfte die angemessene Anpassung sein. Duke ist stabil - eine feste Größe, handwerklich gesprochen: er schafft es, die anstehenden Probleme zu lösen, weil er so ist, wie er ist.


Nerd-Gedanken: Wird es nach dieser Neuauflage ganz neue "Bokanovsky-Tales" geben?
Michael Musal: Sicher. Die neue Auflage beinhaltet ja bereits mindestens zwei ganz neue Stories, nämlich "Wetan Wars" und  “Double Trouble”. Ich werde zudem das „Making of“ in meinem Bokanovsky-Blog auf meiner Website michaelmusal.com dokumentieren.

Nerd-Gedanken: Welche Comic-Serien und/oder Zeichner könntest Du als Leser anderen Fans empfehlen?
Michael Musal: Alles von Moebius, von Al Willamson, Dave Stevens, Will Eisner, Mark Schultz, Alexis,… die Liste ist lang. Ich rate von allem ab, bei dem impotente Kostümkasper die Muskeln spielen lassen und Probleme mit Gewalt lösen, und die Figuren sich einfach ohne Motiv und Absicht sinnlos durch die Handlung ballern. Das ist wertlos, dafür sollte niemand einen Cent zahlen - das sollte es geben, aber warum nicht kostenlos? Die Geschichten wiederholen seit Jahrzehnten die selben Muster.

Neugierig geworden?
Dann schaut doch mal bei der aktuellen Kickstarter-Kampagne der "Bokanovsky-Tales" vorbei - dort gibt's noch mehr Infos zum geplanten Comic, noch mehr Bilder und natürlich auch einige wunderbare Gimmicks wie beispielsweise ein Video, das Michael beim Zeichnen über die Schulter schaut.
Auch die Boni für alle Backer können sich sehen lassen - nur wo bekomme ich jetzt 500£ her, um mich als Bösewicht im Comic verewigen zu lassen? Vielleicht sollte ich auch mal eine Kickstarter-Kampagne machen ... ;)
Danke an Michael und Thomas für das Interview und das bereitgestellte Material - ich drücke eurer Kampagne ganz fest die Daumen und hoffe, dass dieser tolle Comic-Klassiker mit einer erfolgreichen Kampagne zu neuem Ruhm gelangt. Mehr zu Michael Musal findet ihr übrigens auf seiner Webpage. Aktuelle Infos zu den Bokanovsky-Tales gibt's auch auf der Facebook-Seite.

* MOEBIUS: Der französische Comiczeichner Jean Giraud (1938-2012) veröffentlichte unter dem Pseudonym "Moebius" zahlreiche Comics mit phantastischen/SciFi Inhalten. Bekannt sind im Ausland seine Serien "John Difool" und "Blueberry"; er gilt als eine der herausragenden Persönlichkeiten des francobelgischen Comics und hat mit seinem ausdrucksstarken Stil, der oft auf begleitenden Text verzichtet und allein mit bildgewaltiger Darstellung arbeitet, den Weg für neue Erzähltechniken bereitet
**„Royalty“ ist der Fachausdruck für sämtliche Gebühreneinnahmen des geistigen Eigentümers aus der Verwertung/Nutzung seines Eigentums in Form von Lizenzen, Urheberrechten etc.

Über Gloria H. Manderfeld

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