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Buch

Rezension: Dr. No

Nach James Bonds eher unerfreulich verlaufenen letzten Mission, bei der er vergiftet wurde und deswegen eine längere Zeit der Rekonvaleszenz benötigte, wird er nun nach seiner Rückkehr in den aktiven Dienst nach Jamaica geschickt. Der MI6-Chef bezeichnet die Bond erwartende Aufgabe als 'Urlaub' – immerhin geht es nur darum, dem verschwundenen örtlichen MI6-Vertreter und dessen Sekretärin nachzuforschen.
Daneben soll sich der genesene Geheimagent noch um eine Angelegenheit kümmern, die ein Vogelschutzverein der britischen Kolonialverwaltung eingebrockt hat: 
Der seltene Rosalöffler scheint aus seinen Brutplätzen auf der für die Guaranaproduktion benutzten Insel Crab Key verschwunden, und ein wohltätiger Vogelschutzverein, der die Nistplätze beobachtet hatte, musste den Tod der beiden Beauftragten hinnehmen. Da es sich bei der Insel um den Privatbesitz des chinesischen Dr. Julius No handelt und dieser den Behörden eher zugeknöpft entgegen tritt, liegt es an Bond, sich unauffällig um die Sache zu kümmern.
 
Schon kurz nach seiner Ankunft auf Jamaica wird Bond allerdings klar, dass sein neuer Auftrag bei weitem nicht so harmlos ist, wie er es sich gedacht hatte – immer wieder wird er von Chinesen beobachtet, Hinweise auf den verschwundenen Geheimdienstvertreter verlaufen im Sand, ein Anschlag auf Bonds Leben wird verübt. Dieser holt sich Hilfe beim einheimischen Fischer Quarrel und macht sich gemeinsam mit diesem daran, die abweisende Insel Crab Key zu erkunden. Doch die Methoden von Dr. No, seinen Besitz und die wertvollen Guanokormorane zu schützen, erweisen sich als ausgesprochen rabiat – und tödlich …


Wer heute 'Dr.No' hört, denkt in den meisten Fällen an die unvergessliche Szene der Kinogeschichte, in der Ursula Andress in der Rolle als Honey Ryder wie die schaumgeborene Venus aus dem Meer steigt. Auch in der Romanvorlage trifft Bond auf der Insel des Dr.No auf die schöne Muscheltaucherin, die dort allerdings noch Honeychile Ryder heißt. Wieder darf sich Bond auf Jamaica umtun, was Flemings Vorliebe für die Insel, die insgesamt drei Mal Schauplatz der Romanserie ist, geschuldet sein dürfte.

Das Erzähltempo des Romans beginnt gemächlich, als Leser kann man sich in Bonds Müßiggang nach seiner Vergiftung bei 'Liebesgrüße in Moskau' gut hinein versetzen. Auch die auf ihn wartende Aufgabe scheint zunächst harmlos, entpuppt sich jedoch als eine extreme, körperliche Herausforderung, als Bond von Dr. No durch eine Art Schmerzparcours geschickt wird, bei dem dessen Reaktions- und Leidensfähigkeit getestet wird. 
Gemäß Flemings immer wiederkehrenden Vorliebe, seine Hauptschurken als Mischlinge zu konzipieren, ist auch der sehr disziplinierte, wissenschaftlich orientierte Dr. No das Produkt einer Vereinigung zwischen einem deutschen Missionar und einer Chinesin.
Dr. No bleibt für den größten Teil des Romans im Hintergrund, Bond muss sich zunächst gegen dessen Handlanger und die Schutzmechanismen der Insel behaupten. Ab dem Betreten von Dr.No's Insel zieht das Erzähltempo rasant an, nur unterbrochen von einem kurzen Abschnitt des Kennenlernens von Dr. No, um die atemlose, ganz auf Bonds Überlebenskampf fokussierte Handlung bis zum Ende zu verfolgen. Dabei blieb Dr. No jedoch eher blass, nach dem fulminanten Vorgängerroman erschien die Gegnerseite eher gehemmt und weniger farbig.

Dagegen ist Bonds weibliche Gefährtin Honeychile eine interessante und vor allem selbständige Frau, die sich trotz widriger Umstände in ihrer Vergangenheit behaupten konnte und in all ihrer Naivität dennoch nicht wie ein Dummchen wirkt, das Bond wie eine reife Frucht in die Arme fiele. Wo der Schurke eher durchschnittlicher Natur ist, sind der Fischer Quarrel und Honeychile liebevoller und vielschichtiger beschrieben. 
Die farbigen und abwechslungsreichen Beschreibungen von Bonds körperlicher Anstrengung verdienen jedenfalls ein besonderes Lob – auch wenn sich der Parcours doch etwas hinzieht, wird er durch das Mit-Leiden mit dem Agenten nicht langweilig. Generell einer der guten, aber nicht besten Romane aus der Reihe.
Fazit: Solide Unterhaltung gemischt mit Karibik-Flair und interessanten Nebencharakteren. Sieben von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Reihe: James Bond 007, Band 6
Titel: Dr.No
Originaltitel: James Bond – Dr.No
Autor: Ian Fleming
Übersetzer: Anika Klüver, Stephanie Pannen
Buch/Verlagsdaten: Cross Cult, März 2013, Broschiert, 360 Seiten, ISBN-13: 978-3864250804, 12,80€

Über Gloria H. Manderfeld

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