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Rezension: Tochter der schwarzen Stadt


Alenaxara aus der Familie der Undaros ist daran gewöhnt, sich durch ihr Leben schummeln und betrügen zu müssen. Auf der Flucht vor ihrer Familie einer ungewollten Heirat mit einem viel zu alten, aber reichen Mann landet die junge Frau in Terebin, der »weißen Stadt«, in welcher sie niemanden kennt.
Als ihr auffällt, dass sie anscheinend der Tochter des regierenden Fürsten sehr ähnlich sieht, versucht sie diese Ähnlichkeit zu nutzen, um sich Nahrung und Geld zu erschwindeln. Schnell wird ihr Schwindel enttarnt und Alena landet in einer von Terebins Gefängniszellen. Doch längst hat sie die Aufmerksamkeit des Strategos Thenar von Terebin, dem wichtigsten Berater des Fürsten, erlangt.

Denn das Fürstenhaus ist in Bedrängnis: Herzog Ectors Tochter Caisa soll, um einen langwierigen Kriegszustand mit den gefährlichen Skorpionprinzen zu beenden, einen der ihre heiraten – pikanterweise genau denjenigen unter ihnen, der einst Caisas Onkel grausam köpfen ließ.
Fürst Ector von Terebin möchte seiner Tochter diese Ehe gerne ersparen, und mit Alena als möglicher Doppelgängerin könnte der Schwindel gelingen – zumindest, wenn alle Pläne des Strategos sich so entfalten, wie dieser es sich ausmalt.

Allerdings hat er diese Pläne ohne die wechselseitigen Interessen anderer Adeliger, Prinzessin Caisa selbst und von Alenas Familie gemacht. So muss Meister Thenar nicht nur die widerspenstige Gossengöre dazu bringen, sich zur Prinzessin erziehen zu lassen, sondern auch an allen Ecken und Enden immer wieder Schadensbegrenzung betreiben, sodass das Schicksal Terebins mehr als einmal auf Messers Schneide steht …


Schon zu Beginn der Erzählung macht Autor Thorsten Fink eines deutlich: Das in Terebin herrschende Haus Peratis hat ein echtes Problem. Viele Feinde, politische Isolation und einen Krieg, den sich die Stadt längst nicht mehr zu führen leisten kann. Auch ohne die anstehende Hochzeit der einzigen Erbin Caisa hat Strategos Thenar, genannt »Meister Schönbart«, an allen Ecken und Enden alte und neue Problemherde zu betreuen.
Dass ihm das Schicksal in Form der jungen Alena eine bequeme Lösung für zumindest eines dieser Probleme vor die Füße wirft, macht die Angelegenheit nur komplexer, da Alena wirklich keine Traumkandidatin für die Ausbildung zur Prinzessin ist.

Im Grunde das perfekte Grundkonstrukt für eine spannende und abwechslungsreiche Story – und gerade zu Beginn der Erzählung erhält man als Leser genau das, was man erwartet. Alena erweist sich als rotzfrech und unwillig, sie muss sich in ihrer neuen Lernumgebung erst zurechtfinden und einfügen, dazu gibt es reichlich Herausforderungen für die anderen wichtigen Personen des Buches. Neben Alena darf der Leser sowohl Strategos Thenar als auch einer Schatten-Attentäterin namens Jamade folgen, welche dafür angeheuert wurde, Caisas Sicherheit zu gewährleisten.

Allerdings verliert sich die erzählerische Dichte etwa im Mittelteil der Geschichte – Möglichkeiten, die durch Nebenfiguren wie den aalglatten Hauptmann Generos mit eingebracht werden, werden relativ unspektakulär abgehandelt, Caisas Entwicklung erscheint gerade im Bezug der Bewertung durch ihre Umgebung ausgesprochen eindimensional, und Alenas Wandlung vom Saulus zum Paulus wird erstaunlich schnell vorangetrieben. Gerade bei einem Charakter wie Jamade hätte ich mir mehr Hintergrundinformation gewünscht, da ihre Art der Magiewirkung sehr interessant beschrieben war, auch Strategos Thenars Fähigkeiten bleiben eher am Rande erwähnt.

Ohne Jamades und Thenars Fähigkeiten hätte »Tochter der schwarzen Stadt« auch ohne Schwierigkeiten ins Low Fantasy Genre gepasst oder als Geschichte aus einer pseudomittelalterlichen, intrigenverseuchten Welt gelten können. Für meinen Geschmack wurden hier zu viele interessante Details nicht genutzt, was vielleicht auch daran liegen mag, dass Thorsten Fink einen Roman aus einer Welt vorgelegt hat, zu der er bereits eine Trilogie und einen abgeschlossenen Roman verfasst hat. 
Kennt man aber diese Welt des Seenbundes noch nicht, muss man sich vieles zusammenreimen und wird trotz Weltkarte ein bisschen mit Namen, Orten und Verflechtungen überfrachtet, ohne dass die für einen Fantasyleser ebenfalls interessanten Fragen nach Magie und Geheimnissen ausreichend beantwortet werden. Auch bleiben die meisten Nebenfiguren viel zu blass – Caisa, die das hochwohlgeborene Gegenstück zu Alena bildet, erscheint durch ihre Fixierung auf eine bestimmte Verhaltensweise sehr eindimensional. 
Alenas Lehrer sind pure Stereotypen, aus denen auch der zunächst interessant wirkende Tanzmeister letztendlich nicht herausstechen kann. Nicht einmal Strategos Thenar wird eine Entwicklung gegönnt, die angesichts der immer mehr werdenden Probleme, die nur er alleine lösen kann oder zumindest halbwegs durchblickt, aber durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre.

Sicher, viele der Figuren haben ein Geheimnis, irgend etwas, das ihren Charakter noch auf eine andere Weise beleuchtet. Aber wirklich tiefgreifende Konflikte entstehen nicht, das zugrundeliegende Drama wird zwar gestreift, aber nicht entwickelt. Das ist gerade angesichts des lockeren, farbenfrohen Schreibstils von Thorsten Fink wirklich schade – denn er zeigt, dass er schreiben kann, die Dialoge sind gut pointiert, gerade Alenas Redebeiträge haben mich oft schmunzeln lassen. Da wäre aber noch weitaus mehr drin gewesen als ein »nur« flüssig verfasster Fantasyroman aus einer auf den ersten Blick interessanten Welt. 
Auch das überraschende Ende zeigt Potential und dass der Autor eigentlich kann, wenn er will. Vielleicht gelingt es ihm in einem anderen Buch, sein Können mehr zu entfalten – hier bleibt leider nur gut lesbarer Durchschnitt zurück, der mich dank des Schreibstils dennoch unterhalten konnte.

Fazit: Lustige Grundidee, die an einigen Ecken krankt und erst gegen Ende der Story wieder richtig Fahrt aufnimmt. Solide sechs von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel: Tochter der schwarzen Stadt
Autor: Thorsten Fink
Buch/Verlagsdaten: Blanvalet Taschenbuch Verlag, Januar 2015, Taschenbuch, 512 Seiten, ISBN-13: 978-3442269808, 14,99€

Das Rezensionsexemplar wurde vom RandomHouse-Bloggerportal zur Verfügung gestellt - vielen Dank!

Über Gloria H. Manderfeld

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