Slogan Nerd-Gedanken
Dust and Ashes

Dust and Ashes: Alles neu


Zeitstempel: Nachts, zwei Tage nach der Aufnahme in die Einheit
Ort: Bett

Wieder schlaflos. Vielleicht ist das Shuttle für mich einfach abgeflogen, was das bequeme Schlafen im Mehrmannquartier angeht. Auch nach mehr als zwei Wochen stört mich jedes Schlucken, jedes Schmatzen und ich wache von jedem Scheiss auf. Also bleibe ich so lange wach, bis es gar nicht mehr anders geht und schlafe das Minimum, hole tagsüber nach, was mir nachts fehlt. Nicht ideal, aber Schlaftabletten wären der Anfang vom Ende. Muss auch nicht sein. Wie viel leichter haben es da doch Offiziere und Unteroffiziere, auch wenn man als Bonus den Flimsikram dazu bekommt. Den vermisse ich wirklich nicht. 
So läuft es definitiv im Dienstalltag bequemer - rein in den Einsatz, Einsatz durchziehen, raus aus dem Einsatz, duschen, Beine hochlegen. Komischerweise ist der Impuls, erstmal einen Bericht zu schreiben, immernoch da. 
Ich muss ihn mir abgewöhnen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich das jemals wieder tun muss, dürfte gering sein. Ich hab' einige Jahre gebraucht, um mich zum Sergeant hochzudienen, das wird wohl nicht nochmal so laufen. Vor allem nicht mit der Akte. Zumindest hab' ich nun einen neuen Einheitenstempel auf dem Arsch - sprichwörtlich gesehen.

Ist schon wieder zwei Tage her und doch fühlt es sich noch immer seltsam an. Klar, zuerst durfte Rentreen beim Antreten den üblichen Dummfick veranstalten: Thrace, nette Stulpenhandschuhe, was tragen Sie da für einen Gürtel, Veris - und so weiter. Hat mich jetzt auch noch die letzte Verbindung zu meiner vorherigen Einheit gekostet, denn natürlich hat er auch mein blaues Barett angemeckert, das ich anstelle des einheitsroten auf dem Kopf hatte. Hätte ich es mal gelassen, Fox und Thrace standen ja auch barhäuptig da. Also ab in den Spind damit. 
Dann wurde Rentreen befördert - zum Lieutenant und damit auch XO. So nervtötend der Mann auch sein kann mit seinem aufgesetzten Arschlochstil, ich denke dennoch, dass er 'ne gute Wahl ist. CO und XO müssen gegensätzlich sein, um sich zu ergänzen, und die beiden sind ein echter Gegensatz. Irgendeiner muss mit dem eisernen Besen kehren, wenn nötig, und das wird Rentreen besser hinbekommen als der Captain. Ich glaube, er hat mir meine Gratulation nicht so abgenommen, aber hey, sie war ernst gemeint. Der Mann ist wirklich wie ein rohes Ei in einen Eiswürfel eingepackt.

Dann hat mich der Captain in der Truppe willkommen geheißen. Handschlag, Grinsen, auf gute Zusammenarbeit. Jetzt ist es endgültig, neue Farben, neue Einheit, neues Callsign. Von Sergeant Caenna Sol ist nichts mehr übrig ausser einer müden Erinnerung. Auftritt Private Sol. Natürlich musste es sauteurer und alter corellianischer Whisky zum Anstoßen sein, den der Captain den Anwesenden spendierte. Aus einer Destille, die ich kannte, und die wie so vieles andere auch vom Imperium in die Luft gejagt wurde. Diesen Whisky wird's bald nicht mehr geben, allerhöchstens für Sammler. 
Wie passend, die Echos der Vergangenheit mit einem Echo aus der Vergangenheit begießen zu wollen. Fand es lustig, wie ehrfürchtig Fox und Rentreen den Whisky angestarrt hatten, nachdem sie erfahren haben, was sie da trinken - und es hat geholfen, nicht heulen zu müssen. An diesem Abend hätte ich mich freuen sollen, aber im Grunde war jedes Wort zum Heulen. Zum Weglaufen traurig. Habe dennoch bis zum Ende durchgehalten und mir Mühe gegeben. Geplaudert. Fox ist neugierig, und sie stellt gute Fragen - weicht aber selbst ungemein eloquent aus, wenn man ihr auf den Zahn fühlen will.

Die nächste, die eine Menge Scheisse mit sich herumzuschleppen scheint. Aber wenn sie darüber nicht sprechen will, dann ist das auch in Ordnung. Man kann nicht immer über alles reden, das kann ich auch nicht. Haben gemeinsam beschlossen, Sandhawks Fitnessplan zu unterstützen, indem wir allen Süßkram wegschmeißen, den wir im Quartier finden. Wie kann man nur so viel sinnlose Kalorien essen? 
Habe ihr jetzt anstelle eines Schokoriegels einen Apfel auf ihrem Schreibtisch abgelegt. Wird vermutlich irgendwann Ärger mit Blue geben, aber andererseits: lieber Ärger mit uns als Ärger mit Rentreen. Der hat sie wohl wegen der Süßkramfresserei auf dem Kieker.

Und dann noch die Gravball-Sache. Geht wohl die nächste Zeit mal gegen die Marines an Bord, und Fox und Rentreen sind auf das Thema abgegangen wie mit einem Drogenzäpfchen im Arsch. Scheinen echte Fanatiker zu sein, die beiden, und ich schätze mal, ich werde mich nicht drücken können. Beim letzten Spiel, an dem ich teilgenommen habe, gab es neben Strafzeiten für ungebührliche Härte auch noch einen Anschiss vom Captain mit dazu, ich solle das Spiel nicht so ernst nehmen. 
Schwer zu erklären, warum dieses spielerische Herumhüpfen für mich nicht funktioniert. Für meinen Instinkt gibts wohl keinen Freizeitmodus - na das wird noch lustig werden, ich hab's im Urin. Genauso lustig wie klärende Gespräche, von denen ich in der letzten Zeit zwei führen musste. 

Ehrlichkeit und Fairness sind manchmal einfach nur Scheisse. Wenn man merkt, dass es das Gegenüber verletzt, dann vor allem. Aber einen anderen Weg gab's dabei auch nicht, vor allem nicht, wenn es eine persönliche Sache ist. Wenn Hoffnungen und Wünsche damit verknüpft sind. Dann muss man unbedingt ehrlich sein, egal, wie schmerzhaft es ist. Schmerz endet irgendwann, aber zerstörtes Vertrauen, weil man gelogen hat, das bekommt man nicht wieder. 
So mit jemandem umzugehen hieße auch, dass einem diese Leute nicht wichtig sind. Aber das sind sie, auch wenn ich immer wieder Fehler mache. Dieser eine wird sich sicherlich noch rächen, aber er hat mir einen Morgen verschafft, den ich mit einem Grinsen beginnen konnte. Wie sehr der Anschein von Normalität doch den Blickwinkel umstellen kann, zumindest für ein paar Stunden.

Wird Zeit, dass wir irgendwann wieder Richtung T-Zero fliegen. Ein paar Tage zum den Kopf freibekommen. Abstand. Und einen Besuch machen, den ich so lange nicht machen konnte. Vielleicht hilft es, endlich abzuschließen, wenn ich vor dem Veterans Monument stehe. Vielleicht tut es dann weniger weh, wenn ich es begreifen muss. 
Vielleicht ist dann nicht jeder Tag so ein Kampf, so ein Ringen darum, irgendwie wieder herauszufinden, wie man lebt. Wie es sich anfühlt, nicht mehr dieses riesige, große Loch in mir zu haben, sondern irgendwas anderes. Nicht mehr hin- und hergerissen zwischen Tod und Leben, sondern eindeutig entschieden. Und ich will leben. Wieder leben.

Über Gloria H. Manderfeld

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