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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Vorabend des Krieges


In langen Schlieren lief der Regen die raumhohen Fenster hinab und ließ das von draußen in den dunklen Raum hinein dringende Licht in tausende kleine Punkte zersplittern. Die Frau auf dem Bett an der dem Fenster gegenüberliegenden Wand hatte sich innerhalb der letzten drei Stunden kaum bewegt, nur ab und an ihre Haltung verändert, wenn es zu unbequem wurde, doch Schlaf wollte sich noch immer nicht einstellen. Gegenüber den Einsätzen der vergangenen Jahre war das, was sie im Augenblick als Kommendes erahnte, eine ganz andere Dimension. 
First Lieutenant Lienas van Arden schlief schlecht in den letzten Tagen, und sie wusste, dass es eigentlich keine gute Idee war, den vollen Dienst und mehrere Stunden täglich darüber hinaus zu leisten, während ihr immer mehr Schlaf fehlte. Noch ließ sich das Problem mit einer sehr großen Menge Caf irgendwie kompensieren. Das Warten zerrte an ihren Nerven. Sie war nicht nervös, aber der Gedanke an einen starken Feind, der sich so gar nicht einschätzen ließ und dem sie vermutlich allzu bald gegenüber stehen würde, schmeckte der Offizierin gar nicht. Bei einem bekannten Problem konnte man Pläne schmieden und sich zielgerichtet vorbereiten. Bei einem Feind, der sich nicht einschätzen ließ, blieben viel zu viele Variablen in der Rechnung.

Seit die ersten Berichte über diesen neuen Feind eingetroffen waren, hatte sie geahnt, dass ihnen etwas bevorstand, das anders war als alle Begegnungen mit der Republik. Der erste Kampf gegen die Unbekannten mit ihren überaus effizienten Droiden war ein Vorgeschmack gewesen - dass es ihnen gelungen war, über Korriban herzufallen und die Überlegenheit der Sith mit schmerzhafter Wucht zu dezimieren, war eigentlich undenkbar. Und doch waren die Unbekannten über diese stolze, wütende Welt hergefallen und hatten allen Widerstand einfach weggefegt und eine tiefe Wunde in die Sith-Gesellschaft des Imperiums gerissen.
Schwer vorstellbar, dass es jemanden geben sollte, dem es gelang, die Sith dermaßen zu demütigen - doch auch die Raumkämpfe um Korriban, bei der die imperiale Flotte ordentlich hatte einstecken müssen, waren verheerend gewesen. Dass die Soldaten des 17. Sturmregiments diese Kämpfe überlebt hatten, war vermutlich pures Glück gewesen, da sie auf dem Rückflug von einem Einsatz zum Schauplatz beordert worden und zu spät gekommen waren. Zu spät, um noch etwas zu ändern, aber nicht spät genug, dass ihnen der Anblick der zerstörten Schiffe und ein Kampf unterwegs erspart geblieben wäre.


Die Monate zwischen diesem ersten Kontakt mit dem unbekannten Feind und dem Jetzt waren ohne größere Ereignisse verstrichen, doch Lienas hatte diese Kämpfe nie vergessen. Gerade weil es so anders gewesen war, neue Waffen, neue Droiden, und dieser gerüstete Machtanwender mit seiner seltsamen Lichtschwertlanze. Die geborgenen Daten aus den Helmkameras und das eine Gewehr, das sie einem Feind hatten abnehmen können, hatten sie zur Analyse an das Ministerium weitergereicht, aber dank Specialist Obyr besass Lienas eine eigene Kopie dieser Daten und hatte die Zeit genutzt, um die Aufzeichnungen wieder und wieder anzusehen. Inzwischen sah sie die einzelnen Kampfsequenzen schon auswendig ablaufen, wenn sie vor dem Einschlafen die Augen schloss.
Der vorrückende Machtanwender, der Blex würgte. Die wie auf ein stummes Kommando hin gemeinsam operierenden und agierenden Droiden. Dann endlich das heulende Signal, welches das Zusammenbrechen des Kraftfelds im Hangar ankündigte. Die Droiden und der Gerüstete, wie sie hinausgesaugt wurden in die Ewigkeit des Alls, die letzte Rettung für die heillos unterlegenen Soldaten.

Der Schlaf kam nicht. Die Soldaten der Einheit waren seit einiger Zeit unruhig, und es fiel Lienas immer schwerer, täglich die beherrschte Maske eines Offiziers aufzusetzen und Zuversicht, Kampfesmut und Stärke auszustrahlen, wie es zu ihrer Aufgabe gehörte.
Ein Teil von ihr wäre am liebsten schon vor Monaten mit Sack und Pack an die Grenzen des Imperiums gezogen, um dort auf eigene Faust Informationen zu sammeln. Die Informationen nur aus zweiter Hand zu erhalten, wenn überhaupt, war für ihre innere Ungeduld unerträglich. Momentan schien es, als führe sie eine Parallelexistenz. Tagsüber funktionierte sie, erfüllte ihre Aufgaben, arbeitete den anfallenden Flimsikram ab, löste Probleme. 
Die Nacht aber gehörte ihren rastlosen Überlegungen und den immer drastischer werdenden, absolut illegalen Nachrichtenhäppchen, die ihr ihr Vater zukommen ließ. Er operierte mit seiner Flotte direkt an der neu entstandenen Front gegen die Unbekannten. Nachts hörte Lienas van Arden den Regen von Dromund Kaas, diesen ewigen Regen, mit dem sie aufgewachsen war und den sie früher einmal vermisst hatte.

"Ich weiss nicht, ob ich mich nochmal melden kann. Wenn alles schiefgeht, dann kümmere Dich um Deine Mutter und Deine Brüder," hatte Admiral Rory van Arden gesagt. Das sonst so gepflegte Haar war zerrauft, unter den Augen lagen tiefe Ringe, er wirkte müde und ausgelaugt. Im Hintergrund des Holos waren Marineoffiziere umher geeilt, hatten Befehle gebrüllt, das Bild hatte sich immer wieder neu aufbauen müssen, weil die Verbindung so schlecht war. Sie waren dabei zu verlieren. Ihr Vater wusste es, Lienas wusste es, und der Captain ebenfalls. Allen anderen gegenüber durfte sie dieses Wissen nicht einmal andeuten, weil derlei als wehrkraftzersetzend galt und streng bestraft wurde. 
Gegen einen Gegner, über den man etwas wusste, konnte man kämpfen. Doch dieser Gegner war in all seiner Übermacht und kalten Effizienz wie ein Phantom, das überall dort war, wo man es nicht haben wollte. Dass dieser Gegner zudem stets mit einer absoluten Übermacht auftrat und allen Widerstand blutig beendete, ließ für die Zukunft nichts Gutes vermuten. Vermutlich würde sie die Anweisung ihres Vaters nicht ausführen können, weil sie ihn nur wenige Tage überlebte.

Wenigstens schien Arric mit seiner Frau auf Alderaan in Sicherheit zu sein. Eine Sorge weniger, einer, der vielleicht überleben würde. Dass es ihnen gelungen war, ihn aus seiner Gefangenschaft beim SID zu retten, hatte für Lienas einen überaus bitteren Nachgeschmack.Trotz des Erfolges erinnerte sie sich nicht gerne an diese überaus illegale Aktion von vor einem Jahr, bei der sie alle wichtigen Kameraden begleitet hatten. Captain Stryder hatte zudem beide Augen zugedrückt und die Aktion geschehen lassen, egal welche Vorbehalte er dagegen gehabt hatte - und sie hatten es geschafft, hatten das SID-Nest nach schweren Kämpfen ausgehoben und ihren Bruder zurück nach Kaas gebracht.
Dennoch ... die Erinnerung an seine Schreie blieb so präsent wie vor diesen mehr als zwölf Monaten, als der leitende Wissenschaftler in der Einrichtung Arrics Augen mit einer Zange aus ihren Höhlen gerissen hatte, weil er glaubte, dies könnte die Angreifer irgendwie aufhalten.

Wäre es ihr eigener Körper gewesen, der schon mehr als einmal extreme Schmerzen hatte aushalten müssen, es wäre irgendwann von ihr abgeperlt wie der ewige Regen auf Dromund Kaas vom Kasernengebäude und den Fensterscheiben der Offiziersquartiere. Aber es ging um ihren Bruder, dem es nun niemals vergönnt sein würde, seinen Sohn aus eigenen Augen zu betrachten. Der mühsam hatte lernen müssen, mit seinen nagelneuen kybernetischen Implantaten zu sehen und dessen Karriere bei der imperialen Navy zu einem aprupten Ende gekommen war, da ihm nach einem Jahr in Gefangenschaft niemand mehr so recht traute.
Vielleicht würde er auf Alderaan glücklicher, in seinem neuen Leben, bei Frau und Kind. Mit der Vormundschaft über Olvan hatte Lienas auch das Schwert zurückgegeben, welches Zeichen ihres Amtes gewesen war, ebenfalls das kleine Lehen. Nichts hielt sie mehr dort, alle Verbindungen bis auf jene des Blutes war gekappt. Und doch ertappte sie sich bisweilen dabei, dass sie die schroffen Gebirgszüge der Taar-Provinz vermisste, ebenso die klare, kalte Luft. Ein Brief mehr, bei dem Colonel Sordan seine Schwierigkeiten haben würde, ihn weiterzureichen, immerhin war Alderaan kein imperialer Planet. Falls Colonel Sordan das Kommende überleben würde.

Lienas faltete die Finger ineinander und legte die Hände auf ihrem Bauch ab. Schweigend verfolgte sie mit dem Blick das unstete Lichtflackern an der Decke ihres Offiziersquartiers. Heute hatte sie keine Gesellschaft ertragen, musste mit ihren Gedanken alleine sein. EMP-Granaten mussten die Droiden stoppen, und dann blieb nur ein kleines Zeitfenster, bis sie sich regeneriert hatten. Gegen Machtanwender halfen nur andere Machtanwender oder konzentriertes Feuer von so vielen Soldaten wie möglich. Aber wie bekämpfte man eine absolute Übermacht?
Für einen linientreuen Imperialen gab es nur eine Option, wenn man nicht siegen konnte: Kampf bis zum Tod. Aber wer starb, konnte nichts mehr ändern. Deswegen war für Lienas Flucht immer in Betracht gekommen, kombiniert mit dem Gedanken, dank mehr Informationen bei einer kommenden Auseinandersetzung den Sieg davonzutragen.
Ein Heldentod war undenkbar. Man durfte nicht aufgeben, nicht wanken - aber wenn man weichen musste, dann mussten alle kommenden Anstrengungen dem künftigen Erfolg gehören. Nicht zuletzt weil sie so dachte, war Lienas eine erfolgreiche Agentin gewesen. Weil sie nicht lockerließ und den Erfolg mit allen Mitteln erreichen wollte. Es hatte sehr oft funktioniert.

Seit dem dreizehnten Mal, in dem sie eine überlebensgefährliche Situation überlebt hatte, war ihr der Wert ihres Daseins deutlicher bewusst geworden. Auch dessen, dass sich vieles geändert hatte und sich noch immer änderte. Sie hatte irgendwann in den zweieinhalb Jahren, in denen sie nun schon im Sturmregiment diente, damit aufgehört, sich gänzlich hinter ihrer Position und Rolle als Offizier zu verbergen.
Im Grunde hatte es vor Jahren begonnen, als sie sich ein einziges Mal entschlossen hatte, einen potentiellen Feind nicht zu töten, als sie die Gelegenheit gehabt hatte. Vielleicht waren es die Abende auf Jaguada gewesen, die Stunden an der Rauchersäule, die mit Gesprächen über die Galaxis und den Dienst vorüber gestrichen waren. Vielleicht die Tatsache, dass sie die Regeln und Kenntnisse ihrer Profession an jemanden weitergeben konnte, der sie begeistert und erfolgreich erlernte. Vielleicht, weil sie unverhofft Verständnis gefunden hatte, egal wie komplex und distanziert ihr Verhalten blieb. Irgendwann war sie keine einsame Insel im Meer der Probleme mehr gewesen, sondern hatte eine ganze Menge anderer Inseln entdeckt, die sie seltsamerweise einfach so akzeptierten, wie sie war. Nicht, wie sie sein sollte.

Die schlichte, tödliche Waffe hatte sich verändert. Der Mensch Lienas war irgendwann hinter all den Masken hervorgetreten und verlangte nach einem Leben, das mehr war als ein ewiges Spiel, das ernsthafter war, mehr Substanz hatte als immer eine neue Rolle für einen neuen Auftrag und für den Weg zu immer neuen Toten.
Sie kannte das Ziel der Reise nicht, und den Weg konnte sie nur einige Schritte voraussehen. Eigentlich hätte sie Angst haben müssen vor dem Kommenden. Vor Furcht beben, weil es ein Gegner war, der relativ große Chancen hatte, den Kampf zu gewinnen. Aber es passierte nichts dergleichen. Sie blieb auf ihrem Bett liegen, den Blick an die Decke gerichtet, und ließ die Zeit verstreichen, die sie eigentlich hätte im Schlaf verbringen sollen.
Im diesem einen Augenblick hörte Lienas van Arden nur den Regen rauschen und wusste nicht, ob es nicht das letzte Mal sein würde. Denn sie würden kommen, nach Dromund Kaas. Vielleicht nicht morgen. Vielleicht auch noch nicht übermorgen. Aber bald. Dann würde alles anders sein.

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OOC-Information:
Der Zeitsprung der Story hat den Hintergrund, dass die offizielle SWTOR-Storyline durch das neue Addon 'Knights of the Fallen Empire' einen Sprung fünf Jahre in die Zukunft macht und wir beim Rollenspiel versuchen, diese Zeit gerafft innerhalb etwa eines halben Jahres nachzuspielen, damit die Charaktere nicht vollkommen aus ihren Spielzusammenhängen gerissen werden. Deswegen werde ich künftig beim "Perfekten Moment" immer wieder Rückblenden nutzen, um Lücken zu füllen, hoffe aber, falls doch vieles offen bleibt, auf Verständnis. Sollten euch als Leser Dinge seltsam vorkommen, fühlt euch frei, danach zu fragen!

Über Gloria H. Manderfeld

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