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Karneval der Rollenspielblogs

Was mich Rollenspiel gelehrt hat


Nachdem ich euch vor zwei Wochen zehn Fun Facts über mein Leben als Rollenspieler präsentiert habe und der Karneval der Rollenspielblogs für diesen Monat noch nicht zu Ende ist, denke ich das vom Nerd-Wiki gehostete Thema "Rollenspiel im täglichen Leben" ein bisschen weiter. 
Denn Rollenspieler zu sein hat mich bislang sehr bereichert - so gut wie alle Menschen, die ich Freunde nennen darf, sind Rollenspieler. Das Rollenspiel hat mich zum schreiben gebracht, auch zum professionellen Schreiben, und über das Rollenspiel habe ich im Grunde fast jeden wichtigen Mann in meinem Leben kennengelernt, inclusive meines Lebensgefährten, mit dem ich immerhin schon sieben Jahre eine Beziehung führe.
Was liegt also näher, mal einen Blick darauf zu werfen, was mir das Rollenspiel so alles gebracht hat - denn es ist schon ein recht langer Weg gewesen, mit so einigen Höhen und Tiefen. Denn das gerade in meiner Teenagerzeit geäußerte Vorurteil, Rollenspiel sei ein Hobby für Freaks, für Kellerkinder, für die sozialen Versager, das kann ich so gar nicht teilen - und ich erkläre euch auch, warum.

Reden vor und mit anderen Leuten? Kein Problem (mehr)!
Ich war immer ein ziemlich stilles, schüchternes Kind und auch als Jugendliche habe ich lieber in der hintersten Reihe gestanden, anstelle irgendwo Blicke und Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Gewöhnt daran, ohnehin irgendwie aufzufallen (in meiner Klassenstufe war ich nicht nur die Jüngste, sondern auch das hochgewachsenste Mädchen), wollte ich nichts lieber, als eben genau das nicht zu tun. Spätestens im LARP jedoch, bei dem es wichtig ist, für die Überzeugungen der gewählten Rolle einzutreten, sich zu präsentieren, mit anderen zu vernetzen und zusammenzuarbeiten, kann man sich nicht mehr irgendwo in der hintersten Reihe verstecken.
Seit ich in der Rolle als Priester oder Magier bei Ritualen meinen Teil leisten musste, oder sogar Rituale geleitet habe, fällt es mir bedeutend leichter, vor einer größeren Menge an Leuten zu sprechen und auch vollkommen unbekannte Menschen dazu zu bringen, mir bei irgendwas zu helfen - die Initialhürde, jemanden anzusprechen, wird von Mal zu Mal niedriger und ich wähle mir inzwischen sehr bewusst Rollen, die mich in direkte Interaktion mit anderen bringen, weil ich festgestellt habe, dass mir das Spaß macht: andere ausfragen, den Standpunkt ihrer Rollen zu verschiedenen Themen kennenlernen, ein bisschen tiefer forschen. 
Was ich mir vor zwanzig Jahren nie hätte vorstellen können, hat sich mit der wachsenden Erfahrung gezeigt - und ich genieße das. Inzwischen mache ich gerne ein bisschen Show, steigere die Dramatik, arbeite mit Reagenzien und allerlei Zeug, um den Effekt zu verbessern. Klar ist noch immer ein bisschen Aufregung dabei, aber gerade diese Lockerheit, mit jedem quasi über alles reden zu können, habe ich längst auch ins RL mitgenommen und plaudere gern mit Kunden, unbekannten Verwandten und fremden Menschen, wo auch immer ich sie treffe.

Gloria, die Eventplanerin
Vermutlich dürften die meisten Leute, die mich kennen, mich nicht unbedingt als 'gesellig' beschreiben - ich bin gerne für mich alleine, ich habe auch kein Problem damit, mir längere Zeit selbst Gesellschaft zu sein. Ideen brauchen Ruhe und Raum, um zu wachsen, und überfüllte Partys sind ebensowenig mein Fall. Aber dennoch habe ich sehr viel Spaß daran entwickelt, Events aller Art zu planen, mir auszumalen, welche Details andere erfreuen könnten und darauf zu achten, dass alles wie am Schnürchen läuft.
Sei es ein Militärball oder gehobener Salon im Online-Rollenspiel, sei es ein Magierritual oder ein Götterdienst im LARP, oder vielleicht ein schicker Barabend im Vampire Live, ganz egal. Im Grunde sind solche Events wie ein gigantisches Puzzle, bei denen man für ein schönes, interessantes Gesamtbild die einzelnen, passenden Teile finden und an die richtige Stelle rücken muss, damit es für alle eine schöne Erfahrung wird. Und wenn ich am Ende auf ein solches Event zurückblicken kann und sich alle Beteiligten gut amüsiert und unterhalten habe, ziehe ich daraus die meiste Zufriedenheit - denn Rollenspiel ist für mich immer etwas, das man gemeinsam genießen sollte, und je mehr positive Impulse zusammen kommen, desto besser. 

Dabei müssen die Komponenten stimmen: die Gäste, die Musik, die beim Event stattfindenden Dinge wie beispielsweise ein Gastspiel, eine Rede, eine Darbietung, die Einrichtung, und so weiter. Sich darüber Gedanken zu machen, ist für mich eine spannende Herausforderung, schließlich will man sich nicht wiederholen und bei jedem Event das Maximum herauszuholen, das eben möglich ist und muss mit Ausfällen und Problemen am Rande rechnen.
Eines der für mich denkwürdigsten Events meiner Rollenspieler'karriere' war ein Ritual auf dem Drachenfest, das wir im silbernen Lager morgens um halb sechs durchgeführt haben, um eine Ramme zum Erobern eines feindlichen Lagers mit 'Energie' aufzuladen - da ich zu den Priestern gehörte, die das organisiert hatten, bat ich alle Teilnehmer, laut vor allen anderen zu äußern, was sie am Lager und am Zusammenarbeiten mit den anderen Leuten aus dem Silbernen am positivsten empfunden hatten - bei über dreißig Leuten in einem großen Ritualkreis kamen da dann auch gleich eine Menge positiver Vibes zusammen und am Ende haben sich glaube ich alle durch so viele freundliche, inspirierende Worte beschenkt gefühlt. Wenn so eine Synergie entsteht, ist für mich genau das erreicht, was ich mir gewünscht hatte.

Mal nicht ich selbst sein, kann sehr entspannen und viele Einblicke geben
Wer Pen&Paper-Rollenspiele kennt, dürfte auch jene Augenblicke kennen, in denen die Handlung so packend ist, dass man vom distanzierten 'mein Charakter macht/sagt' zu 'ich mache/ich versuche' kommt, um die Handlungen des Charakters zu beschreiben. Diese Art der Immersion ist beim LARP oder Vampire Live noch sehr viel größer, da man nicht nur beschreibt, was der gewählte Charakter tut, nein, man muss es selbst tun, damit die Handlung passiert. 
Ist die gewählte Rolle dann noch einigermaßen unterschiedlich zu der Person, die man normalerweise ist - ich bin beispielsweise kein Freund von Querfeldeinläufen in praller Sonne, meine Knappin früher konnte sich solchen Aufträgen, wenn es darum ging, Kräutersammler zu beschützen, kaum entziehen - muss man sich in so mancher Situation sehr tief in die Rolle hineindenken und in jene dann auch fallen lassen, um sie erfolgreich verkörpern zu können. 
Man macht sich plötzlich Gedanken darum, wie der Charakter bestimmte Dinge bewertet und kann zu ganz anderen Meinungen kommen, als man sie im 'realen Leben' als die eigentliche Persona haben würde. Ich bin in der Realität eine starke Verfechterin der Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Geschlechter, ungeachtet von Religion, Hautfarbe, Herkunft und so weiter. Meine Charaktere im Rollenspiel leisten sich zu ihrer Kultur und Herkunft passende Vorurteile. Die sind auch mal engstirnig, stur und unbelehrbar, wenn ihnen irgendwer irgendwas verkaufen will. Im Umdenken liegt für mich auch Erkenntnis - heute verstehe ich Menschen mit fest gefassten Meinungen sehr viel besser als früher und kann in Diskussionen auch ganz anders darauf eingehen. 

Richtig lustig wird es für mich vor allem dann, wenn es darum geht, als überzeugter Gläubiger der fiktiven Religion X die Argumente der Anhänger von Religion Y zu entkräften - daraus entstehen teilweise dermaßen spannende Wortgefechte, dass ich diese Art von Immersion absolut nicht missen will. Das Gesicht des Priesters anzuschauen, der meinem Char das Paradies mit lauter willigen Jungfrauen zur eigenen Verfügung verkaufen wollte, und dann die Antwort 'das wäre mir viel zu anstrengend, die ganzen zankenden Leute, die sich langweilen, wenn ich mich mal nicht um sie kümmere - und das dann noch für die Ewigkeit, nein danke' erhielt, war schon ein ziemlicher Lacher...
Komme ich nach einem dreitägigen oder noch längeren Con nach Hause, weiß ich die Annehmlichkeiten der Realität und mein Leben umso mehr zu schätzen - fühle mich aber geistig dennoch total entspannt, weil mir die absolute Abwechslung vom Normalen viel innere Ruhe gebracht hat.

Gemeinsam geht alles besser
Rollenspiel ist ein Hobby, das man grundlegend nur mit anderen ausüben kann - ob es nun in einer Tischrunde stattfindet, in einem Online-RPG in einem MMORPG oder einem Char oder Forum, auf einem LARP-Con oder einer Live-Veranstaltung, ohne andere geht es nicht. Wenn man eher ein Einzelgänger ist und die meisten Sachen im Leben für sich alleine ausgefochten hat, ist diese Erkenntnis ziemlich gravierend und zwingt einem zu einem radikalen Umdenken und einer Veränderung der Gewohnheiten. Denn es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man einfach nur zweckgebunden zusammenkommt und seine persönliche Show abzieht oder ob man wirklich miteinander spielt und alle Aspekte drumherum als Gemeinschaft teilt. 
Ich habe viele Menschen in den letzten Jahren kennen lernen dürfen, die weit mehr waren als einfach nur mit ihrer Rolle anwesend: Die Leute vom Zelt nebenan, die beim nächtlichen Aufbau in strömendem Regen geholfen haben, damit wir eine trockene Unterkunft hatten. Die Spieler, die immer wieder Events organisiert haben, um etwas zurück zu geben und andere an ihren Ideen teilhaben zu lassen. Die Leute, die freigiebig ihr Essen geteilt haben, um Zeltnachbarn zu helfen, deren Sachen bei zu heftigem Sonnenschein verdorben waren. Die Leute, die bei praller Hitze mit Wasserflaschen übers Feld gelaufen sind, um dafür zu sorgen, dass Mitspieler in Plattenrüstung genug trinken und keinen Hitzekollaps bekommen. Die Spielleiter, die mit viel Liebe zum Detail Spielesitzungen vorbereitet und geleitet haben und bei Fragen immer ansprechbar waren - und viele mehr. 

Noch mehr als schönes Rollenspiel freut mich, wenn ich bemerke, dass die Rollenspieler hinter den Figuren Menschen sind, die einfach nur nett und hilfsbereit sind, die sich ihrerseits freuen, wenn man ihnen hilft oder etwas entsprechendes zurückgibt. Ab dann entsteht eine Gemeinschaft, und Teil einer solchen sein zu dürfen ist eine echte Bereicherung. 
Bei SWTOR darf ich seit einigen Jahren das Wachsen einer Gildengemeinschaft beobachten (und davon Teil sein), in der die Spieler nicht nur das Rollenspiel miteinander erleben, sondern füreinander kleine Plots machen, sich ausserhalb des Spiels anfreunden, gemeinsam andere Games zocken und generell miteinander ein bisschen mehr zusammen wachsen - das bedeutet natürlich auch, dass man sein Ego und die eigenen Bedürfnisse ein wenig zurückschrauben muss, damit das 'miteinander' besser funktioniert. Aber zu sehen, dass es sich für alle auszahlt, jüngeren Leuten beim Wachsen zuzusehen, sich über so vieles austauschen zu können, lässt mich hoffen, dass da noch viel Potential zur Entwicklung besteht. 

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Und nun zu euch: wenn ihr aktive Rollenspieler seid, was hat euch RP gelehrt? Was sind eure Erkenntnisse aus eurer Zeit als Rollenspieler, wie weit hat euch das RP und das Zusammen-Spielen mit anderen bereichern können? Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Gedanken dazu mit mir teilen würdet - gerne hier in den Kommentaren.

Über Gloria H. Manderfeld

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