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Rezension: Ghost in the Shell


Nach dem Tod ihres biologischen Körpers bei der Attacke von Cyberterroristen wird Mira Killians Gehirn als sogenannter ‚Ghost‘ beim renommierten, weltweit operierenden Unternehmen »Hanka Robotics« in einen künstlichen Körper, die ‚Shell‘, eingesetzt und so zu einem einzigartigen Konstrukt weiterentwickelt: kampf- und willensstark, vereint Mira Killian die Vorzüge eines kräftigen, schnellen Roboterleibes und der intutiven, individuellen Intelligenz eines menschlichen Geistes miteinander, um fortan als Hankas fortschrittlichste Entwicklung zu gelten. 

Trotz der Einwände der leitenden Wissenschaftlerin Dr. Ouelet, welche eine besondere Beziehung zu Mira aufzubauen beginnt, entscheidet sich der Hanka-CEO Cutter, Mira Killian einzig als Waffe zu betrachten und sie der Regierung zur Verfügung zu stellen.

Ein Jahr später dient Mira Killian im Rang eines Majors bei der Anti-Terrorismuseinheit »Sektion 9«, welche von Chief Daisuke Aramaki geleitet wird, der einzig dem Premierminister untersteht. Gemeinsam mit ihren teils augmentierten, teils rein natürlich verbliebenen Teamkollegen gelingt es dem Major, eine Cyberterroristen-Attacke auf eine Hanka-Geschäftskonferenz zu stören, sodass das Team dem eigentlichen Drahtzieher hinter dem Angriff auf die Spur kommen kann. Doch die Motive dieses Terroristen sind weit vielschichtiger als vermutet und bei der Suche nach einer heißen Spur bringt sich Major Mira trotz ihres widerstandsfähigen Körpers in tödliche Gefahr …


Lange-erwartet und schon vor dem Erscheinen wegen der Besetzung harsch kritisiert, präsentiert sich die Spielfilmversion  »Ghost in the Shell« als opulentes, bildgewaltiges Werk, dessen Liebe zum Detail ohne Schwierigkeiten mit der visuellen Sprache des Anime von 1995 mithalten kann und den Zuschauer durch die Vielfältigkeit der verschiedenen Szenerien in Atem hält. 
Schon die Einleitung in die Story beginnt mit ästhetisch-schönen Bildern, bei denen man die Cyborg-Werdung von Mira Killian bis zu ihrem Erwachen in der Shell begleiten darf, untermalt von einem Soundtrack, dessen Anklänge sehr stark an die Titelmelodie des Anime erinnern. 


Ob es nun die glitzernde, neon- und holowerbungsverseuchte Sykline oder Innenstadtansichten der Metropole sind, in der die Handlung spielt, oder Armenviertel, versiffte Katakomben irgendwo im Nirgendwo,eine Unterwasserlandschaft,  in der Mira Killian tauchen geht, oder aber ein farbüberladen gestalteter Nachtclub, überall wird das Auge von faszinierenden, teilweise wie leblos wirkenden Bildern überflutet, welche die Stimmung einer unter all ihrer glitzernden Oberfläche vollkommen verrotteten, kaputten Gesellschaft gut wiedergibt.

Gerade für diejenigen Zuschauer, die einen Blick für Details haben, bieten sich viele kleine Momente, in denen man auch ohne Worte einiges über die portraitierte Zukunftsgesellschaft erfährt – bis hin zu einer eigentlich naturschönen Prostituierten, die es dennoch als nötig empfunden hat, ihre eigentlich bereits vorhandenen Reize durch künstliche Verschönerung noch zu verstärken, um in der Konkurrenz anderer bestehen zu können. 
Auch die artifizielle Ästhetik der Robotergeishas wird innerhalb weniger Sekunden durch ihre beängstigenden Eigenschaften nach dem Hack durch den Cyberterroristen kontrastiert. Überall trifft man auf harte Kontraste, welche die Erzählweise des Filmes herauszuheben weiss. Wer die Gelegenheit hat, den Film in 3D zu sehen, sollte sie nutzen - der Aufpreis lohnt sich gerade bei den Stadtansichten und der Unterwasserszene, ohne dass einem die genutzten Effekte zu deutlich ins Auge fallen würden.


Die Grundstory von »Ghost in the Shell« erlaubt sich im Bezug auf das Anime deutliche Freiheiten – die Heldin ist zwar nach wie vor Major, bringt jedoch eine andere Vorgeschichte mit und muss gegen einen anderen Gegner vorgehen als in der Vorbildstory, erhält zudem auch eine etwas andere Gewichtung. 
War das Anime noch ganz klar auf eine Auseinandersetzung mit der Menschlichkeit an sich und einer zunehmend technikabhängigen Gesellschaft, die dem Fortschritt ihre Moral und Werte opfert ausgerichtet, verbindet die Realverfilmung eine Coming-of-Age-Story mit detektivischen Motiven, in der die Kernfrage nach der Menschlichkeit zwar immer wieder aufgenommen wird, aber weniger Beachtung erfährt.

Gerade durch die Einführung der Figur von Dr. Ouelet, welche sich wie eine Mutter um Mira Killian sorgt und sich schließlich trotz vieler Differenzen und Geheimnisse für deren Weiterexistenz wissentlich opfert, wird die persönliche Entwicklung von Mira Killian polarisiert, sodass sie schließlich auch eine Verbindung zu ihrer biologischen Mutter aufbauen und darin Frieden finden kann. Als gütige, wohlwollende Vaterfigur dient Chief Aramaki, gegen den Mira zwar immer wieder rebelliert, auf den sie sich letztendlich jedoch im Ernstfall verlassen kann, ebenso wie auf den Rest des Teams. Wirklich herausragend ist die sehr lineare Story, welche zudem einige Fragen offen lässt, nicht – aber auch nicht so schlecht, dass man sich mit Grausen abwenden würde. 


Wenn man akzeptieren kann, dass sich die Erzählschwerpunkte gewandelt haben, dann wird man von der Story in ihrer Rasanz und Bildgewalt auch gut unterhalten, ohne dass Längen entstehen. Wer allerdings eine 1:1-Kopie des Anime erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden und sollte auf diesen Film besser verzichten, auch wenn es Rupert Sanders gelungen ist, einige ikonische Szenerien aus dem Anime an passenden Punkten des Filmes gut erkennbar einzufügen.

Beim Team liegt leider eines der Mankos des Filmes – während auf die Entwicklung von Major sehr viel Augenmerk gelegt wird, geraten die Teammitglieder, welche auch interessante Persönlichkeiten darstellen, sehr in den Hintergrund und werden im Grunde nur wegen ihrer unterschiedlichen Optik wahrgenommen. Auch die Zuneigung von Majors Kollegen Batou, welche bei den früheren Interpretationen des Stoffs immer ein Garant dafür war, dass sie doch als liebenswerte Persönlichkeit wahrgenommen wurde, ist allenfalls in Andeutungen zu entdecken, während Major sich persönlich weit mehr auf den Cyberterroristen einlässt, mit dem sie eine Vorgeschichte verbindet. 
Sicher ist es nachvollziehbar, sich auf die Hauptfigur zu konzentrieren, nicht zuletzt, da Kassenmagnet Scarlett Johannson eine überzeugende Darstellung abliefert und sicher viele Besucher alleine schon wegen ihr den Film ansehen werden. Dennoch ist das Fehlen einer erweiterten Teamdarstellung für GitS-Fans eine merkliche Lücke, die einen in diesem Punkt ein bisschen unzufrieden zurück lässt.


Angesichts der langen Diskussionen im Vorfeld, welche sich vor allem damit beschäftigten, dass ein japanischer Charakter aus einem Anime durch eine amerikanische Schauspielerin dargestellt wird, möchte ich einen Gedanken mit einwerfen: 
Zum einen muss sich ein Film verkaufen, dafür braucht es einen großen, zugkräftigen Namen, den eine Schauspielerin wie Scarlett Johannson in jedem Fall mitbringt. Nur ein Film, der sich gut verkauft, birgt die Chance auf weitere Filme aus diesem Genre oder Franchise.
Zum anderen sind in einer Welt wie jener von »Ghost in the Shell« die Grenzen von Ethnie und Optik ohnehin absolut schwammig – einer von Majors Kollegen lässt sich beispielsweise eine künstliche Leber einsetzen, um besser bei Trinkwettbewerben mithalten zu können. Was einem selbst nicht gefällt, wird entweder verbessert oder durch etwas Neues ausgetauscht. Ist dann eine bestimmte ethnische Optik wirklich noch entscheidend? 
Die Story macht uns deutlich, dass das Handeln den Menschen bestimmt, nicht seine Vergangenheit – und so kann auch eine eigentlich japanische junge Frau als Ghost in einer einigermaßen androgyn gestalteten Shell landen, ohne dass es zur vorhandneen Welt nicht passen würde.

Fazit: Eine gelungene, detailverliebte und optisch opulente Interpretation eines interessanten Stoffs, welche schon durch die dargestellte Welt sehenswert ist. Acht von zehn möglichen Punkten.

Filmdetails:
Titel: Ghost in the Shell
Originaltitel: Ghost in the Shell
Originalsprache: Englisch, Japanisch
Erscheinungsjahr: 2017
Länge: 107 Minuten
Altersfreigabe: FSK16
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: William Wheeler, Jamie Moss
Darsteller: Scarlett Johannson, Pilou Asbæk, Takeshi Kitano, Juliette Binoche, Michael Pitt, Chin Han, Lasarus Ratuere, Peter Ferdiando

Über Gloria H. Manderfeld

4 Eure Meinung zu den Nerd-Gedanken:

  1. Mir hat der Film auch gefallen. Ich kenne allerdings auch den Anime nicht. Bin da also nicht 'vorbelastet'.

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    1. Ich denke, solange man vom Film keine Direktumsetzung des Anime erwartet, kann man damit viel Spaß haben ;) ich hab' den Kinoabend nicht bereut.

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  2. Hab den Film jetzt auch endlich gesehen.
    Ich fand ihn gut. Hat definitiv Spass gemacht. Und auch ich muss zugeben, das ich den Anime nicht kenne.

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    1. :) Schau dir mal den Anime auch an - die Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten finde ich wirklich sehr interessant.

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