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Anja Bagus

Kleine Nacht der Luftschiffe ganz groß - ein Rückblick


Strahlend blauer Himmel, Luftschiffe, raschelnde Kleider, Gehstöcke, Gurkensandwiches und vor allem sehr viele lächelnde Gesichter - dieser kleine Querschnitt trifft die vergangene Veranstaltung "Kleine Nacht der Luftschiffe" im Zeppelinmuseum Zeppelinheim ziemlich gut. Was in der Aufzählung noch fehlt, sind die vielen Details, die aus einer guten Idee für ein Event eine rundum gelungene Sache gemacht haben. Angefangen bei der wirklich schicken Location, die als Einblick in eine andere Zeit und in völlig andere Lebensgewohnheiten sicherlich mehr Beachtung verdient hat bis hin zu den mit großer Liebe zu Kleinigkeiten gekleideten über dreihundert Besuchern bot sich dem Betrachter ein bunter Reigen an neuen Eindrücken und Erfahrungen.

Normalerweise bin ich kein besonders begeisterter Convention- oder Eventbesucher, da ich zu große Besuchermassen nicht mag - aber die Gelegenheit, eines meiner Bilder in der zum Event gehörigen Sonderausstellung zu Luftschiffen aller Art garniert mit einer Menge Steampunk hängen zu sehen, hat mich dann doch angelockt und die Reise unternehmen lassen. 
Schon im Vorfeld versprach das Programm sehr viel Abwechslung: zwei abwechslungsreiche und gelungene Lesungen von Judith und Christian Vogt sowie Anja Bagus, aus dem deutschen Steampunk-Genre bekannter Autoren, dazu verschiedene Aufführungen sehr unterschiedlicher Natur in einem aussergewöhnlichen Ambiente - was will das Herz mehr?

Die grandiose Grundidee von Christian Kunz, dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Stadt Neu-Isenburg und Verantwortlichen für das Zeppelinmuseum, brachte Künstler, Kreative und Interessierte zum ersten, aber hoffentlich nicht zum letzten Mal in diesem Rahmen zusammen. Schon die Klänge der von Solist Denis Wittberg (und seinem Begleiter am Piano, Jörg-Walter Gerlach) ausgesprochen schmissig vorgetragenen 20er-Jahre-Schlager wie "Amalie geht mit 'nem Gummikavalier' oder 'In der Bar zum Krokodil' führten die Besucher in eine andere Welt, was durch den puren optischen Eindruck der vielen in Steampunk-Kostüme gekleideten Anwesenden noch verstärkt wurde. 
Originalgeschirr der Linienzeppeline - nur eines der vielen zu bestaunenden Exponate des Museums

Stilecht abgerundet wurden durch die motivierte Verpflegungsmannschaft Kanapees und Getränke bereitgestellt, wer es besonders exclusiv wollte, konnte sich bei einem sehr charmanten Barkeeper zudem noch einen Cocktail beschaffen. Verpasst habe ich leider den Swing-Tanzkurs, welcher zweimal während der Veranstaltung angeboten wurde, aber beim Kiebitzen durch die Türflügel zum "kleinen Saal" gab es einige begeisterte Lernwillige zu entdecken, die selbst bei Denis Wittbergs Auftritten eifrig das Tanzbein schwangen.

Wer es beschaulicher angehen wollte, der konnte sich bei einer Vorführung von "Papirniks Papiertheater" entspannen, bei der die faszinierende Reise eines Pioniers zum Mond und seine Begegnung mit Frau Luna in Form einer eigens für das Papiertheater bearbeiteten Operette dargeboten wurde und dazu einlud, die Erde für einige lange Minuten einfach mal mit einem Lächeln hinter sich zu lassen. Gerade für die Kinder war das Papiertheater ein Anziehungspunkt - Erwachsene, welche das Kind in sich herauslassen wollten, durften dies bei einer Proberunde des strategisch angelegten und optisch sehr ansprechenden Dieselpunk-Brettspiels "Xibalba" tun, bei dem verschiedene Parteien um eine seltene Ressource konkurrierten und versuchen mussten, sich gegenseitig aus dem Feld zu schlagen.
Auch für das reine Anschauen war einiges geboten - in der Sonderausstellung dominierten faszinierende Plastiken, bei denen mir besonders die Arbeiten von Titus Timeless im Gedächtnis geblieben sind, der alltägliches in Steampunkmanier interpretiert hat. Selbst eine Leihgabe von bemalten Warhammer-Luftschiffminiaturen aus dem gleichnamigen Tabletop-Spieles durfte sich hier bestaunen lassen. 
Selbst bei "Warhammer" gibt's Luftschiffe - diese hier sind ganz eindeutig für den Krieg gerüstet

Verschiedene Verkaufsstände boten Accessoires, handgemachten Schmuck, Hüte und Kleidung im Steampunk-Stil an, die durch ihre üppige Aufmachung deutlich machten, wie sehr sich die Steampunk-Szene von vergleichbaren anderen Cosplay/LARP-Richtungen unterscheidet: hier dominiert das Kleinteilige, der Blickfang auf viktorianisch anmutenden Schnitten, lädt zum Verweilen des Blickes ein. 
Steampunk braucht auch etwas Zeit und Geduld, um sich dem Betrachter zu öffnen - und belohnt ihn durch Einblicke, Erinnerungswürdiges, Augenblicke. Vielleicht ist auch das der Grund, warum Steampunk viele etwas fortgeschrittenere Semester anzieht - es geht absolut nicht hektisch zu, gute Manieren und Konversation sind stark erwünscht, man nimmt sich Zeit zum Kennenlernen und für den Moment. Schließlich möchte man sein Gurkensandwich auch genießen können und nicht in aller Eile herunterwürgen müssen.
Dieses Gefühl der Muße, des Sich-auf-angenehme-Weise-treiben-lassen-könnens ist für mich die stärkste Erinnerung an die "Kleine Nacht der Luftschiffe", denn es blieb mir immer die Gelegenheit, die Veranstaltung in meinem eigenen Tempo zu erkunden und zu goutieren. 

Man war nie gezwungen, etwas Bestimmtes mitzumachen, aber es stand jederzeit offen, alles auszukosten, was einen interessierte. Wurden einem die Veranstaltungen zuviel, konnte man sich immer noch die wirklich sehr schön zusammengestellte Dauerausstellung des Zeppelinmuseums gönnen, die auch ohne begleitende Veranstaltungen für Luftschiff-Fans und Geschichtsfreunde einen Besuch wert ist. 
Kleine Kritikpunkte des Abends: Bei parallel stattfindenden Auftritten musste man sich entscheiden und zumindest der Beginn von Anja Bagus' Lesung war durch die laute Musik im Nebenraum ungewollt untermalt. Dazu wäre ein etwas deutlichererer Hinweis auf die im Keller befindliche Sonderausstellung für so blinde Eulen wie mich ebenfalls hilfreich gewesen - ich habe sie erst nach mehrfachem Vorbeilaufen wirklich entdeckt. Neben der Cocktailbar hätte ich mir die Möglichkeit auf etwas Essbares, das den Umfang eines Kanapees übersteigt und länger sättigt, sehr gewünscht, da in der Umgebung des Museums dank der Lage keine Alternativen zu finden waren.

Mein Fazit für die Veranstaltung: Wer nicht dabei war und ein Herz für Steampunk hat, sollte im kommenden Jahr auf jeden Fall die Augen offen halten, ob es eine Nachfolgeveranstaltung gibt, da dieser "Erstversuch" so ziemlich alles hatte, was man sich für eine familiäres, vielseitiges Event wünschen kann. Gern (viel) mehr davon!
Mein Ausstellungsbeitrag: "FREE TO FLY" - im Ausdruck gut einen Meter hoch (nie wieder Blumenmuster!)

Im Nachtrag noch ein von der Veranstaltung an sich unabhängiges Manko, wenn man gewungen ist, sich mit dem Rhein-Main-Nahverkehr auseinanderzusetzen: Samstags fahren Busse zum Zeppelinmuseum nur stündlich, was bei schlechterem Wetter sicherlich für mehr unangenehme Warterei geführt hätte. Das sollten Besucher ohne eigenes Auto auf jeden Fall einplanen!

Ps.: Sorry, dass dieser Artikel recht bildarm ist, ich habe mich viel mehr aufs Erleben konzentriert als aufs Festhalten - aber auf der Facebook-Veranstaltungsseite zum Event haben viele der Besucher ihre schicken Bilder gepostet. Schaut doch einfach mal 'rein!

Über Gloria H. Manderfeld

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