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Buch

Rezension: The Expanse - Leviathan erwacht


Im 23. Jahrhundert hat die Menschheit das Sonnensystem kolonisiert. Neben der Erde haben sich Menschen auf dem Mond, dem Mars und im zwischen Mars und Jupiter befindlichen Asteroidengürtel niedergelassen, um dort sowohl Ressourcen wie auch neuen Lebensraum zu finden, da die Erde hoffnungslos übervölkert ist und unter den Folgen der Erderwärmung leidet. Als der Eisfrachter »Canterbury« dem Notruf eines havarierten Schiffes folgt, wie es unter Raumfahrern üblich ist, die sich fernab jeglicher Raumstationen befinden, wird der Frachter, als die Mannschaft eine Rettungsmission wagt, von einem unbekannten Angreifer beschossen. 

Nur das kleine Rettungsteam kann entkommen, birgt jedoch einen Hinweis auf ihren Gegner – angeblich ein Schiff der marsianischen Raummarine. Der nun unversehens zum Anführer der Gruppe gewordene ehemalige erste Offizier der »Canterbury«, James Holden, teilt die Informationen zum Vorfall auf einem öffentlichen Funkkanal und bringt somit das fragile Gleichgewicht zwischen Erde, Mars und Gürtel an den Rand eines politischen Kollaps …

Gleichzeitig erhält der auf Ceres stationierte Cop Joe Miller von seiner Vorgesetzten den Auftrag, die verschwundene Julie Mao wiederzufinden, obwohl das eigentlich nicht zu seinen Aufgaben gehört. Doch Julies einflussreichen und vermögenden Eltern haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihre Tochter aufzuspüren. 
Der »Canterbury«-Zwischenfall wirft schnell seine Schatten auch auf die Ceres-Raumstation und macht den bislang beschaulichen Alltag des Gesetzeshüters zu einem unvorhersehbaren Tanz auf dem Pulverfass …

In einer gar nicht zu fernen Zukunft gibt es zwar keine Konflikte mit Außerirdischen, doch für echte Problemherde haben Menschen schließlich noch nie Aliens gebraucht: die Bewohner der von Menschen kolonialisierten Welten und Regionen des Sonnensystems haben sich zum guten Teil auseinander entwickelt und eigene kulturelle Ausprügungen sowie unterschiedliches Aussehen entwickelt. Vergangene Auseinandersetzungen haben zu schwelenden Konflikten zwischen den Großmächten Erde und Mars geführt, während die »Gürtler« - also die Bewohner des Asteroidengürtels – meist von beiden Seiten am Gängelband geführt werden, damit diese weiterhin die dringend benötigten Ressourcen abbauen und liefern.

In diesen Konfliktherd muss nur ein einziger Funke geworfen werden, um alles lichterloh zu entfachen, was durch den »Canterbury«-Zwischenfall auch passiert: geschickt gelingt es den Autoren Daniel Abraham und Ty Franck unter dem Pseudonym James S.A. Corey, eine glaubhafte Zukunftsmenschheit mit all ihren Problemen zu entwickeln, bei der es schwierig ist, sich eindeutig auf eine Seite zu schlagen.
Doch auch die im Roman beschriebene Technik weitab von mit fiktiven Elementen betriebenen Superantrieben lässt beim Lesen Freude aufkommen: die auf Schiffen arbeitenden Menschen werden bei Beschleunigungs- und Bremsmanövern G-Kräften ausgesetzt und müssen sich mit verschiedenen Mitteln und Tricks Möglichkeiten schaffen, solche Belastungen dauerhaft zu überleben. Immer wieder findet man ein neues Detail, welches beweist, wie durchdacht die Weltkonstruktion ist und macht Lust darauf, umso tiefer einzutauchen.

Durch die beiden Haupthandelnden, welche der Leser die ganze Erzählung hinweg auf ihren Wegen begleitet, wird das Vorhandensein reichlicher Grauzonen deutlich gemacht: der auf der Erde geborene James Holden ist ein aufrechter, ehemaliger Marinesoldat, der nun eigentlich auf einem Eisfrachter eine recht ruhige Kugel schieben will und sich plötzlich als unfreiwilliger Anführer mitten in einem galaktischen Krieg wiederfindet.
Seine Werte kollidieren oft genug sowohl mit den Umgebungsbedingungen wie auch mit denen des zweiten Haupthandelnden Joe Miller, einem schon etwas älteren Gürtler, der stark an einen Film-Noir-Detektiv erinnert und einem die Vielfältigkeit menschlichen Verhaltens, aber auch die Stärken und Schwächen unserer Art vor Augen führt.


Miller ist, ohne es zu wissen, auf der Suche nach einer Lebensaufgabe und findet diese unverhofft an unvorhergesehener Stelle, um sich ihr dann bedingungslos und mit Leidenschaft zu widmen. Dabei zeigt er trotz seiner Kompromisslosigkeit ein klares Wertesystem und eine Aufrichtigkeit, die vielen der Gegenspieler vollkommen abgeht: selten habe ich eine fiktive Figur so verabscheut wie Antony Dresden, und selten eine Entscheidung so gut nachvollziehen können wie jene von Joe Miller, der dafür einen harten Preis zahlen musste.
Die Autoren spielen ihr ganzes Können in den schnellen Perspektivwechseln in recht kurz gehaltenen Einzelkapiteln aus, die von auf den Punkt gebrachten Dialogen, abwechslungsreicher Handlung und vielen Grauschattierungen nur so strotzen: Dabei gelingt ‚Corey‘, einen Kriegsschauplatz gerade durch die Vermeidung einer allzu genauen Darstellung desselben eindrücklich zu gestalten: Die Rahmenhandlung wird immer wieder durch Nachrichten oder Reaktionen anderer auf den Krieg mit weitergeführt und beeinflusst indirekt das Handeln der Hauptpersonen.

Die wenigen wirklich während des gesamten Erzählflusses immer wieder auftauchenden Nebenfiguren erhalten vom Autor ebenso viel Liebe zum Detail, sodass diese schon zum Beginn des Romanes Wiedererkennungswert und Format erhalten. Selbst eine Romanze spendieren die Autoren den Hard-SF-Fans, ohne sie jedoch kitschig oder übertrieben abzuliefern: gerade, dass diese mit Höhen und Tiefen und reichlich Unsicherheiten abläuft, lässt sie umso realistischer und glaubhafter wirken.
Bei einer echten SciFi-Geschichte dürfen natürlich auch Aliens nicht fehlen – auf welche Art und Weise sie in die Erzählung eingebunden werden, verdient eine Menge Respekt vor dem Ideenreichtum der Autorem und ihrem Blick auf menschliche Verhaltensweisen. Und lässt einen neugierig auf die Folgebücher zurück, da die Geschichte des Expanse-Universums nicht mit diesem ersten Band abgeschlossen ist, aber für jeden, der nur ein Buch lesen möchte, dennoch sinnvoll abgerundet wird. Die 2015 erschienene TV-Serie »The Expanse« basiert in der ersten Staffel auf den Ereignissen von »Leviathan erwacht«.

Fazit: Hervorragende, abwechslungsreiche Hard-SF-Story mit interessanten Hautptcharakteren und spannendem Grundkonflikt. Zehn von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Titel: The Expanse - Leviathan erwacht
Originaltitel: Leviathan wakes
Autor: James S. A. Corey
Übersetzer: Jürgen Langowski
Buch-/Verlagsdaten: Heyne, Taschenbuch, 13. Februar 2017, 672 Seiten, ISBN-13: 978-3453317819, 9,99€

Das Rezensionsexemplar wurde vom RandomHouse-Bloggerportal zur Verfügung gestellt - vielen Dank! 

Über Gloria H. Manderfeld

4 Eure Meinung zu den Nerd-Gedanken:

  1. Ich habe die Bücher nicht gelesen, bingewatche dafür derzeit die Netflix-Serie mit wachsender Begeisterung. Das bessere Drittel, der die Bücher gelesen hat, gibt dafür Daumen hoch - es scheint nicht wesentlich zu verlieren, nur mit der Besetzung von Amos ist er nicht einverstanden.
    Die Ästhetik ist jedenfalls sehr speziell und sehr klasse. Hard-SF der schönen Sorte.
    Leider habe ich jetzt des öfteren den blödsinnigen Satz "GoT in Space" gehört und muss sagen: Nope. Zum Glück nicht! Viel besser.

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    1. "GoT in Space" würde zumindest zur Romanvorlage absolut nicht passen - denn der Generalkonflikt wird vielleicht durch die Handlungen der Protagonisten befeuert, aber nicht initiiert, das 'große Ganze' im Hintergrund entwickelt sich auch ohne Zutun der beiden Hauptcharaktere weiter. Momentan kneife ich mir die TV-Serie aber noch, weil ich mir meine Vorstellung der Welt nicht versauen will - "Die unendliche Geschichte" hat mich da früh geprägt :)

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    2. Ich lese die Bücher vielleicht im Anschluss doch einmal. Dann aber auf jeden Fall im Original, wie ich auch die Serie nicht ge-dubbed ansehen würde. Ich kann und will mir nicht vorstellen, wie sie das Pidgin der Belter im Deutschen gemetzgert haben ... :D

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    3. Das Idiom der Belter liest sich im Buch relativ authentisch für meinen Geschmack. Aber alleine "Gürtler" für "Belter" ist schon so ein Punkt, der mir ein bisschen die Zehennägel hochrollt ... :D

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