Vermutlich mache ich mich mit diesem Artikel unbeliebt. Aber in der letzten Zeit bin ich immer wieder über Buchblogs gestolpert, in denen in eloquenten Artikeln das Leid des jeweiligen Bloggers (oder der jeweiligen Bloggerin, im folgenden bleibe ich der Einfachheit halber bei der männlichen Form) mit dem exorbitant hohen "SuB" beklagt wird - und das hat mir zu denken gegeben.
Was der "SuB" ist? Sorry, wieder so ein 'Fachbegriff', der nur in einer bestimmten Ecke des Internets Sinn ergibt, nämlich in der Ecke der Buchblogger. Der "SuB" bedeutet schlicht nur "Stapel ungelesener Bücher" und bezeichnet die auf das Leseinteresse und Rezensierung wartenden Bücher des jeweiligen Bloggers.
Ich habe gleich mehrere Artikel entdeckt, in denen sich Buchblogger untereinander Tipps und Tricks verraten, wie man diesen zumeist recht hohen Stapel bislang unbeachteter Autorenwerke am einfachsten, effizientesten und schonendsten abbauen könne, wenn man sich denn ernsthaft hinter diese Aufgabe klemmt. Wer mir nicht glaubt: bemüht doch einfach mal Freund Google mit den
Suchstichworten "SuB abbauen" oder, auf englisch, "reduce tbr pile" (tbr = to be read). Damit ist reichlich Lesestoff zu finden.
An sich ist es ja löblich, dass man sich gegenseitig hilfreich bei einem anscheinend nicht unverbreiteten Phänomen unterstützt, die Artikel sind in der Regel auch liebevoll und freundlich geschrieben.
Was mich angesichts der unter solchen Artikeln zu findenden nicht gerade kleinen Anzahl an Antworten, bei denen sich die Leser erfreut über die Hilfe bedanken, allerdings ein wenig wundert, ist die Tatsache, wie verbreitet das "Problem" eines anscheinend sehr hohen Stapels ungelesener Bücher zu sein scheint. Denn damit da irgendwo in der Wohnung oder im Zimmer ein Bücherstapel herumstehen kann, muss er sich erstmal ansammeln können.
Was mich angesichts der unter solchen Artikeln zu findenden nicht gerade kleinen Anzahl an Antworten, bei denen sich die Leser erfreut über die Hilfe bedanken, allerdings ein wenig wundert, ist die Tatsache, wie verbreitet das "Problem" eines anscheinend sehr hohen Stapels ungelesener Bücher zu sein scheint. Denn damit da irgendwo in der Wohnung oder im Zimmer ein Bücherstapel herumstehen kann, muss er sich erstmal ansammeln können.
Wir sind alle keine Lese- und Rezensionsmaschinen
Ich gehe da von mir aus: ich lese viel, und ein paar Jahre geisteswissenschaftliches Studium hat mich zu einem recht schnellen Leser gemacht. So ein 500-Seiten-Schinken macht mir höchstens noch wegen des Gewichts der Printform ein bisschen Sorgen, aber dafür hat glücklicherweise die Industrie inzwischen den eBookreader erfunden.
Wenn ich Bücher bei Verlagen als Rezensionsexemplar anfordere oder mir selbst kaufe, dann achte ich immer sehr darauf, dass sich nicht zu viel ansammelt. Mein "SuB" beinhaltet maximal fünf Bücher, eher weniger - weil ich versuche, das Ganze einigermaßen zeitnah zu lesen und dann auch zu rezensieren. Alles andere empfinde ich gerade bei Rezensionsexemplaren als unfair dem jeweiligen Verlag gegenüber, welcher mir den Lesestoff schließlich kostenlos in einer bislang unbenutzten Printversion zur Verfügung stellt.
Ja, ab und an bleibt ein Buch auch einfach mal eine Weile liegen, das gebe ich ehrlich zu - gerade wenn es ein etwas spezielleres Thema hat (wie beispielsweise "Die Verlassenen", hier ist das übergeordnete Thema Trauer, sowas kann und will ich nicht immer lesen), für das ich einen klaren Kopf benötige, um mich unvoreingenommen darauf einzulassen.
Oder ein Buch, dessen Klappentext wirklich interessant klang, erweist sich als so zäh lesbar wie frisch auf einer Straße aufgebrachter Teer. Auch ich muss mich manchmal durch Bücher durchkämpfen. Auch ich finde nicht immer gleich die richtigen Worte, um eine dem gelesenen Werk angemessene Rezension zu verfassen. Manches muss einfach sacken.
Aber: Ich lese die Bücher, und mein "SuB" ist nie höher als fünf Bücher. Mit dieser Faustregel bin ich bisher immer gut gefahren, selbst wenn mich mal lockende Angebote von links oder rechts bestürmt haben, dagegen zu verstoßen. Amazon beispielsweise ist verdammt gut darin, mir mein Geld aus der Tasche locken zu wollen. Ich bin schon ein bisschen froh, dass es in Laufnähe hier keine Buchhandlung gibt. Das macht es definitiv leichter, Versuchungen zu widerstehen, aber in Zeiten des Internets, der One-Click-Käufe und fleißiger Postboten ist die initiale Kaufhürde nicht mehr groß.
Wir sind alle Menschen, und wir funktionieren unter Stress und Druck von außen meistens weniger gut, als wir das möchten. Eine kreative Leistung zu erbringen erfordert inneren Freiraum - und eine gut geschriebene Rezension, die über eine Kopie des Klappentextes und eine Inhaltsangabe in drei Sätzen hinaus geht, erfordert ebenso Kreativität und Leidenschaft wie das Erstellen anderer Texte.
Neuer Ansatz: Das Problem vermeiden, bevor es entsteht
Meiner Ansicht nach versuchen diese ganzen Artikel zum einfacheren "Sub-Abbau", das Problem an der falschen Ecke zu lösen: nämlich dann, wenn es bereits vorhanden und anscheinend ziemlich akut ist. Wenn der Stapel schon eine Höhe angenommen hat, die man nicht mehr bewältigen kann.
Ich denke allerdings, es wäre vernünftiger und hilfreicher, an anderer Stelle anzusetzen: nämlich dort, wo der "Sub" entsteht. Beim Kauf- und Bestellverhalten, das jeder Mensch, jeder Buchblogger selbst in der Hand hat.
Natürlich lockt ein neues Buch mit einem schicken Cover und einem interessanten Klappentext. Vielleicht ist es sogar ein Buch eines Autors, auf das man lange gewartet hat. Aber die Worte in diesem Buch werden nicht schlecht, sie verderben nicht. Das entsprechende Buch gibt es auch noch in einer Woche, in einem Monat, in einem Jahr. Verlagsverträge sind langfristig angelegt, das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein gerade erschienenes Buch in einem halben Jahr nirgendwo mehr zu erhalten ist, ist ausgesprochen gering.
Der einzige Druck, den man sich beim Blick auf etwas Neues macht, erzeugt man selbst: denn im Grunde 'muss' man dieses neue Buch nicht haben, man 'will' es - und das ist es, was man realisieren sollte. Der Kauf oder das Anfordern eines neuen Buches ist eine Willenssache, und den eigenen Willen formt man selbst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei keinem Buchblogger eine Freundin, der Vater, die Chefin oder ein Mitblogger daneben stehen und befehlen, man müsse dieses Buch nun unbedingt haben.
Der einzige Nachteil, der einem durch das 'nicht haben' entsteht, ist, dass man etwas länger auf die Befriedigung der eigenen Neugierde warten muss. Mehr nicht. Und Neugierde befriedigen, das kann auch ein bereits vorhandenes Buch aus dem "SuB", wenn man es zulässt und dafür überhaupt offen sein will.
Diese Art Selbstdisziplin kann man üben, wenn man es will. Wenn euch der "SuB" nervt, wenn euch die vielen ungelesenen Bücher in eine innerliche Schuldgefühlsecke drängen, und ihr euer Hobby lesen nur noch mit einem bitteren Klumpen im Magen angehen könnt, dann ändert etwas daran. Niemand ausser euch selbst hat die Situation geschaffen, die dort existiert. Euer Wille ist es, der euch daraus herausbringt und euch dabei auch hilft, das Problem künftig zu vermeiden.
Probiert es doch einfach mal aus: Geht mit ausreichend Geld in der Tasche in euren Lieblingsladen und schaut euch die Sachen genau an, die es dort gibt. Fragt euch bei jedem Ding, das ihr in die Hand nehmt, ob ihr es wirklich ganz dringend braucht, ob für euch ein unmittelbarer Vorteil ausser 'haben' daraus entsteht, oder ob ihr nicht zig andere, gleichwertige Dinge bereits besitzt. Und geht dann aus dem Laden wieder heraus, ohne irgend etwas gekauft zu haben. Der Laden hat auch in der kommenden Woche nette Sachen im Angebot. Oder in einem Monat. Oder in einem Jahr!
Entscheidend ist, dass ihr realisiert, dass euer Wille darüber entscheidet, wieviel Krempel sich bei euch ansammelt. Ob das nun Bücher, Schuhe, Nagellack- oder Parfumfläschchen, Computerspiele, besonders gestaltete Feuerzeuge, edel gestaltete Notizbücher oder sonstige Sachen sind: Letztendlich kann man von alledem immer nur eines gleichzeitig benutzen. Etwas zu 'haben', so sehr einen ein Kauf auch befriedigen mag, verbraucht zuerst Geld und danach Platz.
Meine Tipps für verzweifelte Buchblogger:
- Nicht lamentieren, sondern machen. Ja, jammern ist schön und bequem. Aber jammern ändert nichts am eigentlich bestehenden Problem. Wenn euch der SuB wirklich bedrückt, ändert etwas daran, und da ist jammern nicht der richtige Weg.
- Wenn der "SuB" kleiner werden soll, kauft erst einmal nichts neues. Egal, was die kommende Zeit erscheint, egal, wie sehr ihr euch nach Büchern von Autor X sehnt: es muss einen Grund gegeben haben, warum ihr die Bücher auf dem "SuB" haben wolltet. Versucht euch daran zu erinnern anstelle nach Neuem zu schauen.
- Belohnt euch dafür, dass ihr ein Buch vom Stapel lest und rezensiert. Wir als Menschen funktionieren besser, wenn wir eine Belohnung für eine Aufgabe vor uns sehen - das motiviert und gibt euch doppelt ein gutes Gefühl.
- Seid stolz darauf, wenn ihr die Rezension tippt und in euren Blogs veröffentlicht, dass wieder ein Buch weniger auf dem "SuB" liegt. Erzählt ruhig auch Freunden davon, die das Dilemma verstehen können - geteilter Stolz ist viel schöner!
- Seid ehrlich zu Verlagen, die euch Rezensionsexemplare anbieten: ihr werdet keinen Nachteil dadurch erleiden, dass ihr sagt, im Augenblick genug Lesestoff zu haben und keinen Neuen anfordern zu wollen. Helft den Bloggerkontaktern idealerweise noch mit einem Datum, ab dem ihr wieder kontaktiert werden wollt. Von gut geschriebenen Rezensionen profitieren beide Seiten.
- Legt euch eine kleine (!) Maximalmenge fest, die der "SuB" nicht überschreiten darf und kauft erst dann ein neues Buch (oder bestellt es bei einem Verlag), wenn die Maximalmenge unterschritten ist. Ihr werdet euch auf dieses eine neue Buch viel mehr freuen können als über achtlos nebenher im Dutzend angeschaffte Bücher.
- Schafft euch genügend Zeit zum Lesen. Wenn eure Freizeit ohnehin schon mit zig Aktivitäten angefüllt ist, müssen Bücher irgendwann auf der Strecke bleiben. Sucht euch Möglichkeiten zum Lesen, sei es auf der Busfahrt nach Hause, auf dem Klo, während ihr auf einen Termin wartet, etc. (ich habe zB immer ein Rezensionsexemplar auf dem Klo liegen^^)
Ich bin mir im Klaren darüber, dass diese Tipps nicht leicht zu befolgen sind. Ebenso darüber, dass man die Arschbacken manchmal ganz schön dafür zusammenkneifen muss. Aber es ist im Leben selten so, dass man etwas Wertvolles bekommt, ohne etwas dafür tun zu müssen - sich selbst beim Konsumverhalten im Griff zu haben, ist in einer auf Konsum ausgerichteten Welt etwas sehr wertvolles.
Freude am Hobby lesen zurückzugewinnen, indem man sich den Lesedruck Schritt für Schritt nimmt, scheint mir ebenso wertvoll zu sein. Denn ein kleiner "SuB" lässt euch auch die Zeit, Bücher zu lesen, die ihr nicht rezensiert - einfach mal so, ohne auf Rezension wartende Verlage oder Blogleser, nur für euch allein. Und auch das kann ein sehr befreiendes Gefühl sein.
JA das SuB-Thema schlägt wilde Blüten mit sich.
AntwortenLöschenHatte da auch mal ein paar Wachstumsprobleme, mittlerweile bin ich aber davon erlöst und bin den Stress los. Ich geh nun lieber hin und lege mir die interessanten Titel auf den Wunschzettel und frage dann entsprechend nach oder kaufe. Wobei auf der ein oder andern Con erwischt es mich dann trotzdem. Aber es ist kein Raumdämmender Stapel mehr, sondern überschaubar und eigentlich schnell machbar.
Und ja, ein wichtigen Punkt hast Du angesprochen. Ehrlichkeit! Ich kenne einige Blogger, die bei Verlagen auf raus sind, weil sie sich unglaubwürdig gemacht haben und mehr oder minder nur Abgreifer waren.
Die Tipps sind auf jeden Fall lesenswert...
Ich denke, da sollten Verlage auch deutlich konsequenter reagieren. Niemand hat was davon, wenn Sammler sich zig Bücher abgreifen und sie nie rezensieren - die anderen Blogger nicht, die diese Bücher gern rezensieren wollen, die Verlage nicht, die sich ja Rezensionen erhoffen - und letztendlich auch nicht die unehrlichen Sammler, aber das ist dann eher eine Karmasache.
Löschen'Viel hilft viel' halte ich nicht für eine erfolgreiche Strategie.
Jemanden, der bereits einen SuB angesammelt hat, zu raten, er soll es gar nicht so weit kommen lassen, ist, wie einem Übergewichtigen zu sagen, dass er erst gar nicht übergewichtig werden hätte sollen, weil es sich VORHER vermeiden hätte lassen.
AntwortenLöschenMein SuB besteht nicht aus Rezensionsexemplaren sondern aus anderen Büchern, die ich mal getauscht oder geschenkt bekommen habe. Und ja: das hat Überhand genommen und ich bin seit mittlerweile 2 Jahren am Abbauen. Keine neuen Bücher zu kaufen ist bei Buchsüchtigen ebenso keine Lösung wie nichts mehr Essen beim Abnehmen. Ich bin mit "one in - two out" besser gefahren. Wobei niemand bei mir auf Rezensionen wartet, solche Bücher sind ein Extrastapel.
Generell geht es mir darum, den SuB schrittweise zu verkleinern - begonnen habe ich mit 230 Büchern (Bücherschränke, Bookcrossing, Tauschkisten,...). Jede Woche setze ich mir das Ziel, ein Buch mehr zu lesen als neu dazu kommt und strebe -50 Bücher im Jahr an. Ich möchte ja trotzdem wissen, was an Neuerscheinungen so dabei ist und dort auf dem Laufenden bleiben.
Danke, endlich sagts mal einer! Ich verstehe nicht, warum man alle Bücher, die man interessant findet, sofort kaufen muss - dann ist das Hobby wohl eher "Bücherkaufen" als "Lesen". Ich schreibe sie auf meine Wunschliste und manchmal habe ich sie nach 10 Jahren immer noch nicht gekauft - dann hätte ich sie vermutlich auch nicht gelesen. Wenn man doch erfahrungsgemäß die Bücher sowieso nicht sofort liest, warum dann sofort kaufen?
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