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Buch

Rezension: Dämonengrab


Brensacker ist ein gemütliches Dorf am Fuß des Berges Neko Giar, in dem sich der junge Ordo nach einem Abenteuer und mehr Aufregung verzehrt, da sein Alltag nur aus Feldarbeit besteht und die meisten seiner Altersgenossen schon längst die heimatliche Scholle verlassen haben. Als jedoch ein heftiger Sturm über dem Dorf wütet, wird der Eingang zu einem einst verschütteten, von Abenteurern immer wieder gesuchten Tempel freigelegt. Ordos Freund Varjan überredet ihn zu einem Erkundungsgang in die geheimnisvollen Gemäuer, welche seit Jahrhunderten als gefährlich gelten, weil dort vor einigen Jahrhunderten ein Kult von Dämonenanbetern dunkle, blutige Rituale durchgeführt haben soll.

Bei ihrem reichlich gruseligen Ausflug findet Varjan eine Goldmünze, die er als Erinnerung einsteckt. Am nächsten Tag sind jedoch er und seine Familie verschwunden, in ihrer Hütte finden sich nur grausige Spuren, die auf ein Verbrechen hindeuten – und auch die aus der nahen Stadt angereisten Wachleute, welche zur Sicherung des Tempels in Brensacker eingetroffen sind, können nur eine einzige Spur finden: in die Tiefen der geheimnisumwitterten Tempelanlage, in der Schlimmeres lauert als einfach nur ein verrückter Mörder …


Schon seit einigen Jahren veröffentlicht Autor Jörg Benne Romane aus seiner Welt Nuareth, welche unterschiedliche Schwerpunkte haben - »Dämonengrab« bedient sich zweier Hauptelemente: klassischer Dungeoncrawl und Horror. Tischrollenspieler kennen den Begriff 'Dungeoncrawl' sicher, für alle anderen hier eine kurze Erklärung: 
Eine Heldengruppe begibt sich in ein bisher unentdecktes Gelände wie ein Höhlensystem, ein Schloss, einen Magierturm oder, wie im Falle des vorliegenden Buches, eine unterirdische Tempelanlage, und trifft dort auf reichlich viele Gefahren, welche das Auffinden wertvoller Schätze genauso erschweren sollen wie im Dungeon vorhandene Fallen und die natürlich durch die Umgebung bedingte erschwerte Orientierung. Das Horrorelement wird durch den in der Tempelanlage lauernden Dämonen eingefügt, welcher zunächst nur als Mythos existiert, vor dem die örtliche Lako-Ma-Priesterschaft eindringlich warnt und sich erst nach und nach als tatsächlich feindliches Element manifestiert.

Die Erzählung wird zumeist aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert: Ordo, der Bauernjunge mit den Abenteuerträumen wechselt sich mit der Stadtgardistin Nilra ab, die mit anderen Soldaten nach Brensacker entsandt wurde, um Abenteurer vom geheimnisumwitterten Tempel und damit einhergehenden Problemen fernzuhalten.
Während Ordos Träume von Heldentaten noch recht naiv und einfach gestrickt sind und damit sowohl zu seinem Alter als auch seiner Lebenssituation passen, muss sich Nilra mit allen Schwierigkeiten eines Erwachsenenlebens herumschlagen, vor allem damit, dass sie als weiblicher Stadtgardist nicht sonderlich ernst genommen wird – ein schmerzhaft ausgelutschtes Klischee, welches Kämpferinnen leider allzu oft begegnet.

Man möchte meinen, dass angesichts feministisch angehauchter Fantasyliteratur seit den 1960ern (wie beispielsweise den Romanen von Marion Zimmer-Bradley) Autoren irgendwann eine andere Lebensherausforderung für weibliche Krieger einfallen würde als ‚als Frau nimmt Dich in einem Männerjob niemand ernst‘ - hier hätte ich mir für die recht patent wirkende Nilra definitiv mehr erhofft.
Glücklicherweise vermeidet der Autor das zweite kaum totzukriegende Klischee, dass den weiblichen Helden eine Lovestory mit einem Mitreisenden verbinden muss, zumindest weitgehend – es gibt zwar eine angedeutete Romanze, aber sie tritt nicht in den Vordergrund.

Diese beiden sind nicht die einzigen handelnden Personen des Buches – als eine Heldengruppe in die Tiefen des Tempels aufbricht, sind teilweise bis zu elf Personen (!) gleichzeitig unterwegs. Das macht gerade bei Actionszenen die bildliche Vorstellung des Geschehens trotz der eingängigen Sprache des Autors sehr schwer, da er nicht nur vom Leser verlangt, sich die immer wieder neuen Räumlichkeiten anhand seiner Beschreibungen auszumalen, sondern auch bei den vielen Namen die Person und Funktion zu memorieren.
Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen, denn außer bei Ordo oder Nilra bindet den Leser nur wenig emotional an diese meist eher durch ihre Funktion und ein, zwei Eigenschaften wirklich umrissenen Nebenfiguren.

Man fiebert bei einer so großen Gruppe schlicht nicht mit jedem Helden gleichermaßen mit – und damit verlieren die teilweise wirklich grausigen Todesfälle, welche die Heldenzahl nach und nach dezimieren, schlicht an Wucht und Horror, sondern verkommen zu einer Nebensächlichkeit, die man einfach abhakt.
Schade um die verpassten Gelegenheiten, die sicherlich sehr interessanten Nebenfiguren besser kennenzulernen. Gerade Aleska oder die beiden Dashiri Lorik und Marik hätte ich gerne öfter handeln sehen. Auch Magierin Seljana hätte mehr Screentime verdient, denn als magisches Schweizer Messer zu verkommen – für jede Situation der passende Zauberspruch …

Unterhalten hat »Dämonengrab« dennoch: die Beschreibungen der Tempelanlage sowie die Schilderungen von Ordos und Nilras persönlicher Situation und die mitreißend geschilderten Actionsequenzen machen Spaß und lassen bis zum Ende mitfiebern, ob es den Helden gelingt, den Tempel auch wieder zu verlassen.
Die Örtlichkeiten und Herausforderungen, welchen sich die Abenteurergruppe stellen muss, werden abwechslungsreich geschildert, selbst die vielen von Ungewissheit und Furcht bestimmten Momente lassen keine Langeweile aufkommen. Als gelungen empfand ich auch den Storytwist, welcher am Ende sicher geglaubte Tatsachen noch einmal auf den Kopf stellt und wirklich zu überraschen weiß – wenn ich das Ende einer Geschichte nicht vorausahnen kann, hat der Autor alles richtig gemacht!

Generell macht »Dämonengrab« trotz der örtlich stark begrenzten Szenerie Lust darauf, mehr von Nuareth kennen zu lernen, da es Benne gelingt, immer wieder kleine Häppchen an Hintergrundinformationen zu streuen, die andeuten, wie viel mehr es noch zu entdecken gäbe und dass es an anderen Orten in dieser Welt anders zugeht als in Brensacker und Umgebung.
Etwas kreativ schien mir an manchen Stellen die Kommasetzung zu sein, zudem neigt der Autor ein wenig dazu, Tatsachen mehrfach nacheinander zu nennen und sich damit unnötigerweise zu wiederholen – aber das ist angesichts des ansonsten leichtgängigen, plastischen Schreibstils nun wirklich Jammern auf hohem Niveau.

Fazit: Unterhaltsamer Dungeoncrawl, bei dem nicht nur Rollenspieler ein gruseliges Abenteuer miterleben können. Sieben von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails: 
Titel: Dämonengrab
Autor: Jörg Benne
Buch-/Verlagsdaten: Mantikore-Verlag, Taschenbuch, 17. Januar 2018, 330 Seiten, ISBN-13: 978-3961880386, 13,95€

Das Rezensionsexemplar wurde vom Mantikore-Verlag zur Verfügung gestellt - vielen Dank! 

Über Gloria H. Manderfeld

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