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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Nur ein Stück Metall


Eigentlich müsste ich tot sein. Ihr altes Credo, welches seit dem Einsatz auf Onderon jeden Morgen der erste Gedanke war, der Captain Lienas van Arden in den Tag starten ließ, wollte auch im eigentlich feierlichen Augenblick nicht weichen, als Lord Vharga in ihrer Ansprache lobende Worte fand. Sehr lobende Worte, wenn man es recht bedachte. Aus dem Mund einer Sith doppelt und dreifach wert, doch wollte sich die zu erwartende Hochstimmung über eine so öffentliche Auszeichnung nicht einstellen. 
Perfekt aufgereiht standen die Soldaten auf jenem Platz inmitten von Kaas City, die Uniformen faltenfrei gebügelt, die Stiefel blank poliert, die Rangabzeichen blitzend und blinkend. Ein schöner Anblick, wenn man Symmetrie zu schätzen wusste. Aber auch ein Anblick, in dem Lücken klafften. Siebzig Mann hatte Trupp Rot-Blau umfasst, der beim Angriff auf das Aufständischenlager ins Kreuzfeuer der Verteidiger geraten war und sich nicht schnell genug hatte befreien können. Acht von siebzig hatten den Angriff überlebt, alle anderen waren entweder auf dem Schlachtfeld geblieben oder später beim verzweifelten Versuch, ihre Leben auf medizinische Weise zu retten, doch noch gestorben. 

Natürlich sprach das Kommando von einer erfolgreichen Aktion. Schließlich war das Ziel, den Aufständischenvorposten einzunehmen und das Hauptlager einzukreisen, um es einige Tage später aus einer günstigeren Position einzunehmen, erreicht worden. Mit zweihundert von insgesamt zweitausend Mann waren sie ausgerückt, nur hundertachtunddreissig waren zurückgekehrt. Wieder zweiundsechzig Briefe an Angehörige, Ehefrauen, Kinder, Verlobte. Sie musste Erklärungen geben, die sie eigentlich nicht geben konnte, denn wie fasste man 'Schlachtfeldpech' in tröstliche Sätze?
"Es erfordert Mut, Integrität und einen wachen Verstand, um in einer ausweglosen Situation ein Opfer für den Sieg unseres Imperiums zu riskieren." 
Über diese Worte von Lord Vharga durfte Lienas gar nicht länger als nur irgend nötig nachzudenken, denn je länger sie diese im Kopf wälzte, desto bitterer schmeckten sie. In diesem einen entscheidenden Moment hatte sie nicht an das Imperium gedacht, nicht an den großen Sieg, nicht an einen möglichen Tod. Nur daran, dass eine Jedi vor ihrem Kampftrupp stand, die mit ihrem Lichtschwert jeden Blasterschuss mit Leichtigkeit reflektierte. 
Wenn der Fernkampf nicht funktioniert, musste man den Nahkampf als Option in Betracht ziehen, um einen Gegner auszuschalten. Das hatte weder mit Opferbereitschaft noch mit Integrität viel zu tun, sondern einzig und allein mit einem Zahlenspiel, das in ihrem Kopf vonstatten gegangen war. Nahkampf war riskanter, erhöhte aber die Überlebenschance des Kampftrupps deutlich.

Wer hatte erwarten können, dass im größten Raum des Aufständischen-Hauptlagers auf Dromund Fels eine Jedi mit Kommandosoldaten auf die Imperialen wartete? Ein Relikt wollte die Jedi schützen, welches sie als so wichtig erachtete, dass sie bereit war, ihr Leben dafür in die Wagschale zu werfen. Ein Kampf war unausweichlich, wenn zwei so unterschiedliche Ansichten aufeinander prallten. Im Rückblick darauf fühlte Lienas einen dumpfen Schmerz in ihrem rechten Oberschenkel pochen, an genau jener Stelle, an der die Lichtklinge wie ein Blitz durch ihr Fleisch gezuckt war und ein Loch hinterlassen hatte, durch das mit mit ausreichend morbidem Humor sogar hätte hindurch blicken können. 
Eine Woche hatte es gedauert, genug Fleisch nachzuzüchten, um dieses Loch wieder zu füllen, eine Woche, in welcher die Wunde künstlich offen gehalten worden war und die Lienas auf der Quarantänestation hatte verbringen müssen, um das Risiko irgendwelcher Infektionen zu vermeiden. Der Schmerz war abgeklungen, aber ihr Bein fühlte sich noch immer fremd an. Ohne Gehstock war längeres Stehen und Gehen trotz des Aufenthalts im Koltotank nach der OP noch nicht möglich. Fleisch heilt, hatte sie selbst abwiegelnd gesagt, als sich die Sklavin der Nexusraumcantina nach ihrem Befinden erkundigt hatte. Andere hatten das Glück nicht gehabt, sich mit einem Gehstock abplagen zu müssen. Noch immer kam es ihr feige vor, der Behandlung mit Sedativa zugestimmt zu haben, die sie mehrere Tage lang einfach ausgeknockt hatten. 

Doktor Talvar - wieder Talvar, nicht mehr Hakwins, eine erneute Heirat mit demselben Mann wie beim ersten Mal, die Lienas noch weniger verstand als so manch andere Dinge in der letzten Zeit - hatte so lange insistiert, bis sie nachgegeben hatte. Traumlose Betäubung ... träumen wollte Lienas wirklich nicht im Moment. Die Tage waren schnell verstrichen, keine neuen Nachrichten vom Major. Zwölf Stunden Schlaf, immer die gleiche Antwort. Der bittere Geschmack im Mund, der von den Betäubungsmitteln herrührte, hatte schließlich ihren Kopf erfüllt.
Die Stunden im Koltotank hatten sich wie stets in die Länge gezogen, die grünliche, wabernde Masse hatte die Welt abgedämpft, nicht aber die Gedanken, die unweigerlich wieder auf die Reise gingen. Kreisende Gedanken, welche sich immer wieder mit denselben Fragen beschäftigten und doch keine Antwort fanden. 
Hätten sie eine andere Taktik für Team Rot-Blau wählen sollen? Hätten sie den Trupp Rot schneller vorrücken lassen sollen? Hätte das alles vermieden werden können, wäre sie mit Rot-Blau im Feld gewesen anstelle im Scharfschützennest zur Deckung des Angriffs? Hätte der Major das Relikt erkundet, wäre sie nicht verletzt gewesen? Hätte ein anderer Unteroffizier den Vorstoß von Rot-Blau zu einem Erfolg führen können?

Der Tapferkeitsorden in Gold landete in jener Schublade, in welcher sie alle anderen Auszeichnungen aufbewahrte, die sie in den letzten Jahren gesammelt hatte. Jedes einzelne Stück Metall eine Erinnerung an Blut und Risiken, aber auch daran, dass andere es nicht geschafft hatten.Was sich wohl Specialist Obyr gedacht haben mochte, als er für seinen verlorenen Arm auch ein Stück Metall angeheftet bekommen hatte? 
Noch immer war Lienas der Ansicht, dass ihre kleine Rede bei der Auszeichnung Obyrs nicht einmal im Ansatz hatte umfassen können, was er verloren hatte, aber mehr als Worte und Metall konnte sie ihm nicht geben. Nur ein paar Sekunden mehr und er wäre ein Sprühregen aus Fleisch und Blut geworden, im Versuch, in einem allzu engen Raum die Kameraden zu beschützen. Bei Granaten war das Risiko noch sehr viel höher als bei einem Jedi, da man nie wusste, wie lange sie vor dem Wurf bereits scharf gewesen waren. 

Eine Sekunde mehr und es hätte anstelle eines Stücks Metall einen Sack gegeben, wenn überhaupt. Aber solche Fragen stellte man nicht, und man beantwortete sie vielleicht allerhöchstens nach einer sehr großen Menge Alkohol, in einem schwachen Augenblick unter Kameraden. Sie musste darauf vertrauen, dass die anderen Mannschafter Obyr beistehen würden, denn dafür würde Lienas selbst keine Zeit bleiben. Vielleicht sollte sie Sergeant Syko darum bitten, mit Obyr zu sprechen. Kavan Sykos Erfahrungen mit verlorenen Gliedmaßen konnten seinem Kameraden vielleicht helfen. Ein ordentliches Besäufnis unter Männern, gemeinsames Schimpfen über unglückliche Umstände, zotige Witze. Vielleicht aber wollte der Specialist seine Wunden alleine lecken. Zu viele Unbekannte in der Gleichung. Zu unsichere Faktoren für eine präzise Kosten/Nutzenrechnung.

Der nächste Morgen nach der quälend langen Feier nahte früh heran. Wenig Schlaf, ein allzu stilles Quartier, dessen Kargheit Lienas' Entscheidung reflektierte, nicht noch einmal persönliche Gegenstände anzusammeln und das Herz an irgendwelche Dinge zu hängen, welche allzu leicht verloren gehen konnten. Das Bein pochte, als sie sich erhob und im Reflex nach dem Gehstock griff, um aufrecht stehen zu können. Rein medizinisch war die Wunde verheilt, das Kolto hatte seinen Dienst getan. Fleischfasern waren mit Fleischfasern sauber verwachsen, der Muskel bekam das nötige Spiel in ihrem Bein. Glücklicherweise war der Lichtschwerthieb am Knochen vorbei gegangen, hatte nur Fleisch zerstört. Fleisch heilt.
Ihre morgendliche Routine war mit dem Verschwinden von Major Stryder zerstört worden. Keine Morgenbesprechung, kein gemeinsamer Lauf, wie sie es vor einigen Jahren aufgenommen hatten, um die zum Teil zerstörte Lunge des Majors wieder an Anstrengung zu gewöhnen. Nun war sie der amtierende kommandierende Offizier des Regiments, der Major im Einsatz vermisst. Laut Bergungsdienst war dieses Relikt, welches die Jedi so dringend hatte beschützen wollen, anscheinend eine Art Portal gewesen, dazu imstande, eine Person an irgendeinen anderen Ort zu schleudern. Welcher Ort dies sein mochte, wussten sie nicht. Ob der Major das Ganze überlebt hatte, ebenfalls nicht. Tatsache jedoch war, dass sein Fehlen eine Lücke hinterließ, die anscheinend nur für Lienas selbst zu bemerken war. 

Es hatte ihr die Feier vergällt, die Mannschafter an der Theke stehend zu sehen. Natürlich hatten sie sich ihre Beförderungen und Auszeichnungen redlich verdient. Natürlich hatten sie sich auch die Freude verdient, die sie beim Miteinander empfinden mochten.
Diese Freude jedoch konnte sie nicht teilen. In dieser Menge an Soldaten, die ihre Sorgen und Erinnerungen für einen Abend zurückließen, sah sie nur die Lücken. Sergeant McCormick, welcher sein Leben auf Dromund Fels gelassen hatte, dazu die anderen einundsechzig Mann seines Trupps. Major Stryder, verschollen mit unbekanntem Schicksal. 
"Vermutlich fühlt sich so eine Amputation an. Ein wichtiger Teil, der einfach ... fehlt. Von jetzt auf nachher. Ohne Erklärung, ohne Vorbereitungszeit. Und dann nur noch Leere."
Die vielen Toten, welche ihr Leben in all den Jahren umgeben hatten. Ihr eigener Bruder, dessen Gedenkplakette nun an einer dafür bestimmten Erinnerungsmauer in Kaas City prangte und dessen Name nur einer unter vielen tausend anderen war. Wenn man weit genug von dieser Gedenkmauer entfernt stand, verschwammen die Plaketten miteinander und bildeten ein Meer an sachte schimmerndem Metall. Wenn man starb, wenn man ein Körperteil verlor, wenn man überlebte und andere starben, dann bekam man Metall. Irgendwann würde alles Metall der Galaxis nicht mehr ausreichen, um die ganzen verloren gegangenen Leben aufzuwiegen ..

Lienas blickte in den Spiegel ihres kleinen, zum Quartier gehörenden Bades und fuhr noch einmal mit dem Kamm durch ihr Haar, die letzte vorwitzige Strähne bändigend, welche sich der Ordnung ihrer kurz geschnittenen Militärfrisur widersetzte.
Der erste Termin des Tages würde der schwerste von allen sein. Der Fahrer wartete bereits auf sie und brachte die Offizierin und den Protokolldroiden der Kommandoebene mit dem besten Gleiter der dem Sturmregiment zur Verfügung stehenden Fahrbereitschaft in ein einfaches, aber wohlgeordnetes Viertel von Kaas City. Im siebzehnten Stockwerk des am Rand eines kleinen Platzes stehenden Hochhaus befand sich ihr Ziel.
Stumm bewachte eine Statue von Darth Mortis den sauber gehaltenen Platz, dessen kriegerische Rüstung im allgegenwärtigen Regen glänzte, als bestünde sie aus Metall und nicht aus Stein. Für einen irrigen Augenblick überlegte sie, sich wieder in den Gleiter zu setzen, andere Termine vorzuschützen und das alles von jemand anderem erledigen zu lassen. Darth Mortis' strenge Gesichtszüge verliehen seinem Antlitz etwas Missbilligendes, sodass Lienas im Schutz des Fond leise seufzte und sich zwang, die Gleitertüre zu öffnen.

Als sie den Türsummer des Apartments 8-Cresh betätigte, dauerte es einige Momente, bis sich die dazugehörige Türe öffnete: eine junge Frau mit einem blubbernd quäkenden Säugling auf dem Arm öffnete und blickte Lienas aus rotgeweinten Augen fragend an.
Es dauerte einige Momente, in denen die junge Frau die Rangabzeichen der Offizierin betrachtete, die Mütze auf dem hellblonden Haar, den ernsten Gesichtsausdruck, ihre leicht schiefe Haltung, auf einen Gehstock gestützt. Dazu den hinter Lienas stehenden Protokolldroiden mit der kleinen, neutralen Metallkiste im Arm, dessen metallenes Gesicht nicht minder neutral wirkte als die Wände des Hochhauses. Die grünen Augen der jungen Frau begannen in der stummen Erkenntnis des Besuchszwecks zu schimmern.
"Mrs. McCormick, mein Name ist Captain van Arden vom 17. Sturmregiment 'Dromund Kaas', der Einheit Ihres verstorbenen Gemahls. Ich bin hier, um Ihnen die Abzeichen und die persönlichen Gegenstände Ihres Mannes aus seinem Spind in der Kaserne zu überbringen. Ich war auf dem Schlachtfeld anwesend, als er ums Leben kam und möchte Ihnen für etwaige Fragen zur Verfügung stehen ..."

Über Gloria H. Manderfeld

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