Im Monat Oktober lautet das Thema des von Clawdeen organisierten "Karnevals der Rollenspielblogs" simpel "Schuhe"
- und da ich nicht zu den Menschen gehöre, die sich sonderlich für
Fußbekleidung interessieren, ist es mir wirklich schwer gefallen, irgend
einen sinnvollen Gedanken zu finden, der dazu irgendwie passen würde. Interessante Ingame-Gegenstände werden schließlich von d6ideas sehr zuverlässig geliefert, mein Schuh-Desinteresse erstreckt sich leider auch aufs Rollenspiel.
Bis
der Song "Try walking in my shoes" von Depeche Mode zufälligerweise in
einer Playlist lief, die ich neben der Arbeit her runterrattern ließ -
denn in diesem Song geht es um das Verständnis den Handlungen eines
anderen gegenüber, selbst wenn einem diese unmoralisch und verwerflich
vorkommen mögen. Die englische Phrase "try walking in my shoes" bedeutet
übersetzt im Grunde soviel wie "versuche dich in meine Lage zu
versetzen", also 'zieh dir meine Schuhe an und gehe denselben Weg wie
ich, damit du verstehst, wieso ich ihn auf diese Weise beschreite'.
Genau
das ist es, was bei langjährig miteinander spielenden Menschen oftmals
fehlt: belegt man selbst nur eine einzige Funktion innerhalb eines
RP-Gefüges, fehlt irgendwann das Verständnis für die Problemstellungen
und Herausforderungen des Gegenübers.
Wer
lange ausschließlich als Spielleiter unterwegs ist, verliert gerne mal
den Blickwinkel des Spielers und ist über Spieleraktionen frustriert,
die sich vielleicht hätten vermeiden lassen können. Langjährige
Nur-Spieler hingegen sehen oft nicht, was der Spielleiter in ihren Spaß
investiert - und aus solchen Grundgedanken heraus entstehen dann
Missverständnisse, die Stimmung kippt, eine Gruppe fährt deswegen auch
mal an die Wand, obwohl das gar nicht sein müsste.
Für
ein besseres gegenseitiges Verständnis geht es aber auch nicht ohne ein
gewisses Maß an Selbstreflektion und ein ehrliches Interesse an
Verbesserung und Veränderung, bei dem man anderen mitteilt, was für
einen wichtig ist und was einen nervt.
Die
folgenden Fragen sollen euch einige Werkzeuge mit an die Hand geben,
mit denen ein Blick auf die Situation der 'anderen Seite' leichter fällt
und hoffentlich hilft, ein konstruktives gemeinsames Gespräch
anzustoßen - schließlich sind wir alles nur Menschen, die sich mal
verrennen können, die auch mal einen anderen aus dem Auge verlieren
können, obwohl man doch eigentlich nur zusammen spielen und Spaß haben
möchte.*
1. Welche Erwartung hast du an einen Spieleabend/an das Rollenspiel generell?
Die
erste Antwort ist hier meist "Rollenspiel" oder "Spaß mit
Freunden/anderen", aber ein bisschen weiter gedacht sollten gerade
Spieler eine Richtung kennen, die sie sich wünschen. Wenn ihr
actionreiche Abenteuer erleben wollt, der SL aber ermittlungslastige
Redeplots liefert, können beide Seiten nicht glücklich werden. Wünscht
ihr euch für euren Charakter pro Spielabend mindestens eine Aufgabe, die
zu den Fähigkeiten des Chars passt, kommt aber nicht dazu, diese
anzuwenden, frustriert das natürlich.
Ebenso
wird ein SL enttäuscht, der sich mehr Interaktion zwischen den Spielern
wünscht, während diese aber eher darauf konzentriert sind, mit den vom
SL gestellten NPCs zu interagieren. Genauso, wenn man sich als SL
wünscht, dass die Spieler ihre SC-Aktionen kreativer ausgestalten als
'ich würfle das mal' zu sagen oder zu schreiben.
Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, seine eigenen
Erwartungen einmal genauer zu reflektieren, um dann auch eine Chance zu
haben, sie zu äussern und erfüllt zu bekommen. Es bricht niemandem ein
Zacken aus der Krone, der seine Wünsche und Bedürfnisse formuliert und
darum bittet, dass sie beachtet werden.
Egal
ob Spieler oder Spielleiter, alle haben denselben Anspruch darauf, an
einem Rollenspielabend Spaß zu haben, etwas Interessantes zu erleben und
in den eigenen Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Da man anderen
Leuten aber nicht in den Kopf schauen kann, hilft nur, es offen
auszusprechen, was man sich wünscht, vielleicht sogar mit einem
Beispiel, wie man diesen Wunsch erfüllt bekommen würde. Kommunikation
ist hier der wichtigste Aspekt, aber auch ein realistischer Blick
darauf, was man selbst braucht, um am gemeinsamen RP Spaß zu haben.
2. Wann hast du das letzte Mal einen Mitspieler/Spielleiter gelobt?
Heutzutage
ist das Loben aus der Mode gekommen - klar hört man selbst gerne ein
ernst gemeintes Kompliment, jeder Mensch freut sich über positive
Bestärkung. Dennoch gibt es in der Praxis nur sehr wenige Menschen, die
bewusst versuchen, das Positive am Handeln eines anderen Menschen zu
bemerken und lobend zu erwähnen.
In
Rollenspielrunden ist man oftmals viel bereiter, die negativen
Handlungsweisen des anderen zu sehen, sich darüber zu ärgern, vielleicht
sogar genervt zu sein, wenn das, was einem nicht gefällt, wieder
geschieht oder mehr Raum erhält, als man selbst für richtig hält. Dabei
fällt dann ganz gerne unter den Tisch, dass die Mitspieler oder der
Spielleiter auch positive Seiten haben, Dinge gut machen, dass man in
einem stabilen Rollenspielumfeld etwas besitzt, das andere vielleicht
gar nicht haben.
Positive
Punkte am Rollenspiel oder dem SL-Stil eines Gegenübers zu finden
bedeutet auch, sich bewusst einmal damit auseinanderzusetzen, was der
andere tut und zu überlegen, wo Stärken und Können des Anderen verortet
sind. Ein Lob und ernst gemeinte Anerkennung helfen, die sozialen
Bindungen innerhalb einer Gruppe zu stärken und erhellen schlicht den
Tag der gelobten Person.
Für
mich ist ein Spielumfeld, in der sich die Teilnehmer regelmäßig auch
mal sagen, was sie gut finden, eine entspanntere Umgebung, bei der man
langfristig auch bei Fehlern toleranter umgeht und das Diskussionsklima
positiver wird. Fehlermachen ist menschlich, wenn man allerdings nur
noch die Fehler anderer sieht, kann der Umgang miteinander nicht
wirklich gut verlaufen.
3. Was würdest Du als Spieler/als Spielleiter besser machen?
Man
kann seine Mitspieler oder den Spielleiter immer kritisieren, wenn
Fehler geschehen oder das Rollenspiel aus irgendeinem Grund keinen Spaß
mehr macht. Spätestens, wenn Plots stereotyp sind, ein Mitspieler
bevorzugt wird, sich Spieler mehr durch den Plot ziehen lassen als
selbst aktiv zu werden oder generell das Frustlevel steigt, solltet ihr
aktiv versuchen, die sich für euch ergebenden Probleme anzusprechen. Nur
wenn Probleme bekannt sind, hat man auch eine Chance auf Lösung.
Aber
auch die anderen Menschen in eurer Rollenspielumgebung haben nicht
zwingend sofort eine Idee parat, was man machen könnte, um ein Problem
zu lösen. Meist braucht es auch eine Weile, bis man sich als die
angesprochene Person mit der Situation arrangiert hat und Ideen
entwickeln konnte. Deswegen sollte Kritik immer auch mit einem
konstruktiven Lösungsansatz verbunden sein und sich nicht darin
erschöpfen, dass man das Gegenüber und das vermeintliche Fehlverhalten
kritisiert.
Es
ist leicht 'das ist Scheiße!' zu sagen, aber wenn ihr nicht klar macht,
worin das Problem der Situation liegt und nicht vorschlagt, wie man sie
lösen könnte, dreht ihr euch im Gespräch schnell im Kreis und das Ganze
endet mit verletzten Gefühlen. Konstruktive Kritik erfordert auch, sich
mit der Situation rational zu beschäftigen und über die andere Seite
nachzudenken anstatt sie anzuklagen.
4. Was hat Dir im RP im letzten halben Jahr den meisten und den wenigsten Spaß gemacht?
Rollenspiel
ist ein Hobby, und Hobbys betreibt man in der Regel, um damit in der
Freizeit Spaß, Entspannung und Erholung zu finden. Sind diese drei
Punkte nicht mehr gegeben, solltet ihr euch Gedanken darüber machen, wo
es klemmt und wo Änderungsansätze nötig wären, damit wieder Spaß
aufkommt. Auf der anderen Seite ist es auch immer gut zu wissen, an
welche herausragenden positiven Momente ihr euch erinnert, um immer
wieder in eine solche Situation oder den Umgang mit bestimmten Spielern
steuern zu können - wenn irgendein Spielaspekt besonderen Spaß gemacht
hat, warum diesen dann nicht öfter versuchen zu bedienen?
Bei
dieser Frage geht es um eine spontane Antwort über die höchste Höhe und
die tiefste Tiefe. Fällt euch nicht sofort etwas ein, dann ist
natürlich auch etwas Grübeln angebracht, aber idealerweise kommt eure
Antwort spontan auf.
Gerade
wenn es um eine Momentaufnahme geht, ist dieser Eindruck oft
hilfreicher als stundenlange Analyse, denn ein emotionaler Eindruck ist
auch immer mit Intuition verbunden. Eurer Intuition für euch selbst, was
euch liegt und was euch nervt - und damit findet ihr auch einfacher
einfacher eine Richtung für eine mögliche Änderung oder einen neuen
Schwerpunkt im Rollenspiel.
5. Was wünscht Du Dir im Rollenspiel?
Ganz
unabhängig von der eingenommenen Funktion - also Spieler oder
Spielleiter - gibt es immer irgend etwas, das ihr noch nicht gespielt,
noch nicht erlebt, noch nicht probiert habt. Selbst mit über zwanzig
Jahren RP-Erfahrung habe ich noch immer Charakterkonzepte, die ich nicht
getestet habe, Rollenspielsysteme, die mich zwar interessieren, für die
aber Mitspieler, Zeit und Gelegenheit gefehlt haben, Plotideen, die ich
noch nicht leiten konnte.
Manchmal
sind es gerade unsere unerfüllten Wünsche, die neuen Spaß und neue
Impulse mitbringen können, sofern man eine halbwegs konkrete Idee hat.
Ist das RP in der Gruppe oder Gilde ein bisschen an die Wand gefahren,
kann es helfen, einfach mal einen Abend lang ooc ein Brainstorming zu
Wünschen und Vorlieben zu machen, um neue Impulse mitzunehmen -
vorausgesetzt, die Beteiligten arbeiten geistig mit und bringen sich
entsprechend ein.
Eine
Runde, in der zwei Leute sprechen und der Rest die Zeit absitzt, kann
natürlich nicht so erfolgreich neue Möglichkeiten entwickeln wie eine
munter diskutierende und sich gegenseitig befeuernde Gruppe. Hier sind
alle Beteiligten gleichermaßen gefragt, sich auch von sich aus zu
beteiligen und vielleicht auch einige Vorüberlegungen anzustellen,
welche der eigenen Wünsche sich für die Gruppe und das gemeinsame RP
besonders eignen würde. Im Idealfall bekommt ihr dann nicht nur euren
Wunsch erfüllt, sondern auch für alle Beteiligten einen neuen
Spielimpuls.
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So
viel zu meinen Fragen - wenn ihr dieser Fragenliste noch eigene
Anregungen hinzufügen wollt, schreibt mir gerne einen Kommentar und
diskutiert mit. Gerade wenn die Situation innerhalb einer RP-Gruppe
schwierig ist, kann es sich sehr lohnen, sich kritisch mit der Lage und
Lösungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen - denn zumindest ich selbst
schließe mich nicht einer RP-Gruppe an, wenn mir nicht auch am
gemeinsamen Spiel und den Leuten was liegt.
* Fehlende Genderung:
Zur Leseerleichterung gendere ich die einzelnen Beteiligtenrollen
nicht. In meiner Spielpraxis gibt es sowohl Rollenspielerinnen wie auch
Rollenspieler, Spielleiterinnen wie auch Spielleiter.
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