Im Angesicht des Todes erinnert sich Hadrian Marlowe, der als tausendfacher Mörder verurteilt wurde, an sein Leben und die Anfänge seiner Geschichte, die ihn vom Erben eines galaktischen Adelshauses zum gefürchteten Mann machte. Zunächst muss Hadrian seine Stellung als Erbe gegenüber seinem Bruder Crispin behaupten, der in allen Eigenschaften weitaus mehr die Zustimmung seines Vaters findet als er selbst.
Als er nach einem Eklat in die Obhut der mächtigen Kirche, der heiligen Kantorei gegeben werden soll, um als Priester Macht und Einfluss zu gewinnen, plant der wissensdurstige Hadrian seine Flucht und eine künftige Karriere bei den Scholastikern, den Gelehrten des sollanischen Imperiums.
Dieser Plan kostet jedoch einen hohen Blutzoll und entwickelt sich zudem überhaupt nicht so, wie es Hadrian sich für sich gewünscht hat – plötzlich steht er nahezu vor dem Nichts, auf einem fremden Planeten, ohne Hilfe, Macht und Ressourcen, und muss sich ganz alleine durchschlagen, um irgendwie am Leben zu bleiben. Der einzige Ausweg scheint eine Karriere als Kämpfer im Colosso zu sein, zur Belustigung der blutgierigen Massen …
Mit »Das Imperium der Stille« legt Autor Christopher Ruocchio eine Space Opera vor, die in Grundzügen stark an Frank Herberts Meisterwerk »Dune« erinnert. Immerhin geht es um den Erben eines einflussreichen Adelshauses, dessen Weg im Sinne seines Vaters vorgezeichnet scheint und durch unvorhersehbare Umstände inmitten einer sehr fremdartigen Umgebung grundlegend anders verläuft als zunächst gedacht.
Doch Ruocchio gelingt es, seine Welt eigenständig genug aufzubauen und zu schildern, um nur die Grundelemente ähnlich wirken zu lassen. Trotz des in vielen Phantastik-Werken als Konstrukt genutzten Konflikts zwischen Wissenschaft und Kirche (hier vertreten durch die Scholastiker und die Heilige Kantorei) bleiben durch die akute Bedrohungslage des römisch anmutenden sollanischen Imperiums durch das Alienvolk der Cielcin und reichlich Intrigen zwischen den einzelnen Adelshäusern genug eigene Elemente vorhanden.
Hadrian Marlowe, aus dessen Blickwinkel die gesamte Erzählung geschildert wird, nimmt die Position eines allwissenden Erzählers ein und kommentiert oftmals sehr melancholisch die Entscheidungen seines früheren Ichs mit dem Wissen eines deutlich erfahreneren und gereifteren Mannes. Gerade diese Kommentare verleihen dem eher langsamen, auf Eindrücke und Stimmungen konzentrierten Erzählstil noch eine besondere Würze. Dank der stets vorhandenen kritischen Reflexion der Handlungen des jungen Hadrian fällt es deutlich leichter, sich in die Situation und Person des Haupthandelnden hineinzuversetzen und dessen Standpunkte nachzuvollziehen.
Es dauert allerdings eine Weile, bis sich Hadrian vom störrischen, arroganten Teenager mit reichlich Abscheu vor den Gewohnheiten seines Vaters und Bruders, der sich dennoch insgeheim die Bestätigung und Anerkennung durch seinen Erzeuger wünscht, hin zu einem selbständigen, für den Leser sympathischeren jungen Mann entwickelt. Dabei muss er sowohl sich selbst als auch seinen Platz in einer sehr dynamischen Welt voller widerstreitender Interessen finden. Somit bietet der Autor im Grunde eine klassische Abenteuerreise mit Coming-of-Age-Elementen inmitten einer phantastischen Umgebung.
Gerade Hadrians Liebe zum Wissen führt ihn schließlich auf einen Pfad, bei dem er beginnt, die Geschicke des sollanischen Imperiums durch seinen Kontakt zu den geheimnisvollen Cielcin mitzubestimmen. Das macht neugierig auf die weitere Entwicklung dieses Handlungsstrangs in kommenden Bänden, von denen bereits ein weiterer auf Englisch erschienen ist. Auch die immer wieder in der Erzählung präsenten Element verschiedener Sprachen und archäologischer werten den vielfältigen Weltentwurf deutlich auf, damit wird die Hintergrundgeschichte der Galaxis samt der Entwicklung des sollanischen Imperiums und anderer Kulturen Stück für Stück in bekömmlichen Happen beleuchtet.
Stark und tiefgründig charakterisiert sind auch die Personen, mit denen Hadrian während seiner verschiedenen Lebensetappen zu tun hat. Sei es sein väterlicher Lehrer Tor Gideon, das Straßenmädchen Cat, sein machtbewusster Vater Alistair, die eigenwillige Xenologin Valka oder die Mitstreiter aus dem Colosso, mit denen sich Hadrian zunächst mehr auseinandersetzen muss denn anfreunden kann, bleiben durch ihre klare Darstellung immer vor dem geistigen Auge präsent und machen es trotz vielen Handelnden möglich, den Überblick zu behalten.
Besondere kulturellen Eigenheiten wie das Züchten des Adels-Nachwuchses in speziellen Brutkammern, genetisch manipuliertes Erbgut und unterschiedliche Volkstraditionen innerhalb der Galaxis lassen stets Neugierde auf mehr zurück und machen diesen ersten Band zu einem gelungenen Auftakt für eine epische SciFi-Geschichte mit interessantem Helden.
Diversitäts-Check: Trotz relativ vieler männlicher Würdenträger im sollanischen Imperium gibt es kein geschlechtsbestimmtes Erbrecht, sodass für alle Geschlechter Gleichberechtigung herrscht, im Buch gibt es sowohl männliche als auch weibliche Adelserben. Ehen werden ungeachtet des Geschlechts der beteiligten geschlossen und dienen gerade auf der Ebene der einflussreichen Adeligen weniger sexuellen oder romantischen Zwecken denn dem Machterhalt, homophobe Aussagen waren im Text nicht zu finden. Tätigkeiten wie Colosso-Kämpfer, Gelehrte oder kirchliche Würdenträger können geschlechtsunabhängig angenommen und ausgeübt werden.
Diversitäts-Check: Trotz relativ vieler männlicher Würdenträger im sollanischen Imperium gibt es kein geschlechtsbestimmtes Erbrecht, sodass für alle Geschlechter Gleichberechtigung herrscht, im Buch gibt es sowohl männliche als auch weibliche Adelserben. Ehen werden ungeachtet des Geschlechts der beteiligten geschlossen und dienen gerade auf der Ebene der einflussreichen Adeligen weniger sexuellen oder romantischen Zwecken denn dem Machterhalt, homophobe Aussagen waren im Text nicht zu finden. Tätigkeiten wie Colosso-Kämpfer, Gelehrte oder kirchliche Würdenträger können geschlechtsunabhängig angenommen und ausgeübt werden.
Vom sollanischen Imperium unterschiedliche Kulturtraditionen werden als gleichwertig und nicht minder interessant dargestellt. Gerade die freidenkerische Valka Onderra ist eine starke weibliche Handelnde, die eine vom Haupthelden unabhängige Agenda verfolgt und durch ihr Wissen, aber auch ihre reflektierende Art viel Anstoß für den Helden bietet, sich selbst zu hinterfragen und zu lernen.
Fazit: Lesenswerter Auftakt einer Space Opera in einer detailreich gestalteten Welt, deren Held ans Herz wächst. Neun von zehn möglichen Punkten.
Buchdetails
Titel: Das Imperium der Stille
Originaltitel: Empire of Silence - Sun Eater, Book One
Autor: Christopher Ruocchio
Übersetzer: Kirsten Borchart
Buch/Verlagsdaten: Heyne Verlag, Oktober 2018, Broschierte Ausgabe, 992 Seiten, ISBN-13: 978-3453318281, 16,99€
Das Rezensionsexemplar wurde vom RandomHouse-Bloggerportal zur Verfügung gestellt - vielen Dank!
Fazit: Lesenswerter Auftakt einer Space Opera in einer detailreich gestalteten Welt, deren Held ans Herz wächst. Neun von zehn möglichen Punkten.
Buchdetails
Titel: Das Imperium der Stille
Originaltitel: Empire of Silence - Sun Eater, Book One
Autor: Christopher Ruocchio
Übersetzer: Kirsten Borchart
Buch/Verlagsdaten: Heyne Verlag, Oktober 2018, Broschierte Ausgabe, 992 Seiten, ISBN-13: 978-3453318281, 16,99€
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