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Buch

Rezension: Verax - Das Experiment


In einer fernen Zukunft überbrücken die Besatzungsmitglieder des Frachtschiffs Verocity gerade die Flugzeit mit einem lockeren Kartenspielchen, als sie von einem Schiff der Ghulianer angegriffen werden. Nicht ganz unberechtigt halten diese die Crew der Verocity für Schmuggler und versuchen das Schiff mit einem Traktorstrahl zu erfassen. Nachdem der Frachter durch ein waghalsiges Ausweichmanöver in einen anderen Raumsektor entkommen ist, wird er von einem unbekannten Objekt getroffen und schwer beschädigt.
Die Besatzung hat Glück im Unglück, in der Nähe befindet sich auch eine Raumstation, die Hoffnung auf Reparatur und Hilfe aufkommen lässt. Allerdings meldet sich dort niemand auf Kontaktversuche, und als die Pilotin der Verocity versucht, das beschädigte Schiff in einem Hangar zu landen, kommt es zur unvermeidlichen Bruchlandung...


Das Science-Fiction-Spielbuch »Verax« von Autor Jörg Benne beginnt relativ generisch, aber dadurch auch mit einer klar verständlichen Situation: als Leser und Spieler gleichzeitig schlüpfen wir entweder in die Rolle des kampfgestählten ehemaligen Raumsoldaten und jetztigen Sicherheitschefs Alexej Vukov oder des geschickten Ingenieurs Luis Velasquez, die jeweils auf der Raumstation alleine klar kommen müssen. 

Diese beiden Helden haben unterschiedliche Voraussetzungen, ihr Abenteuer zu bestehen. Während Vukov eine wahre Kampfmaschine ist und sich bei allen körperbetonten Aktivitäten auszeichnet, frickelt Velasquez mit allerlei technischen Gerätschaften herum und besticht eher durch Köpfchen denn Kraft. Das wirkt sich auch bei den Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb der Geschichte aus und ermöglicht vollkommen unterschiedliche Spielwege für die beiden unfreiwilligen Helden.

Für alle, die nicht wissen, wie ein Spielbuch funktioniert, eine kurze Erklärung: Das Buch und damit die Handlung ist in einen Berg verschiedener nummerierter Abschnitte unterteilt, der Leser und Spieler trifft am Ende jedes Abschnitts eine Entscheidung darüber, wie die Geschichte weitergehen soll und blättert dann zur Nummer des entsprechenden Abschnitts. 
»Verax« fügt diesem Blätterprinzip noch Kampfelemente und unterschiedliche Rätsel hinzu, die das Ganze noch etwas auflockern. Auf einem Extrazettel notiert ihr Kampfwerte, aufgefundene Gegenstände und deren Eigenschaften sowie die Lebenspunkte eures gewählten Charakters.

Die Kämpfe basieren zwar auf Würfelwürfen, einen extra Würfel braucht ihr dennoch nicht: ein guter Teil des Buches beinhaltet am unteren Rand der Seiten Würfelbilder mit unterschiedlichen Augenzahlen. Habt ihr einen Würfelwurf vor euch, schließt ihr am besten die Augen und blättert das Buch locker durch, um das Ergebnis der aufgeschlagenen Seite zu verwenden. An bestimmten Abschnitten der Story gibt es zudem Speicherpunkte, an die ihr zurückkehren könnt, wenn eure Spielfigur nach deren Erreichen gestorben ist. Richtig fair, wenn man gerne ausprobiert, aber nicht unbedingt von vorn beginnen möchte!

Für diese Rezension habe ich mich mit beiden Charakteren durch das Buch gespielt und sehr unterschiedliche Abenteuer erlebt: meine Helden mussten den grausamen Tod ihres Captains mit ansehen, kämpften gegen Spacezombies, wurden mit einer fiesen Droge gegen ihren Willen ‚geimpft‘, knackten Türschlösser, wurden zu Unterstützern aufständischer Trooper, retteten eine Mutter und ihr Kind und lernten einen fiesen Forscher kennen. Der Liste am Ende des Buchs nach warten aber noch einige Abschnitte, die ich nicht erreicht habe - eine richtig gute Motivation, es nochmals auszuprobieren.

Auch wenn ich die Grundgeschichte mit skrupellosen Drogenexperimenten im SciFi-Horror-Genre für recht vorhersehbar halte, die jeweiligen Konsequenzen der entsprechenden Entscheidungen sind es nicht. Das macht gerade Kampfsituationen oder Momente, in denen meine beiden Helden verfolgt wurden und unter »Zeitdruck« handeln mussten, zu einer spannenden Erfahrung, bei denen ich richtig mitgefiebert habe, ob sie das Ganze dann auch überleben.

Die sehr unterschiedlichen Situationen sind durch die Bank weg interessant geschrieben und fangen die Stimmung eines geschlossenen Gesamtraumes, in dem unvorhersehbare Gefahren lauern, sehr gut ein. Bei Begegnungen mit Überlebenden konnte man nie sicher sein, ob das Ganze gleich zu einem blutigen Kampf, einer Gefangennahme oder einem ruhigen Gespräch entwickelt. Gerade die Horrorelemente sind plastisch, aber nicht zu übertrieben beschrieben, sodass genug Raum für eigenes Kopfkino bleibt und die Erzählung unterstützt durch die schicken Illustrationen von Hauke Kock lebendig wird.
Richtig amüsant fand ich die Idee, einen aufgefundenen Code als ansteuerbaren Abschnitt im Buch anzulegen – es lohnt sich also definitiv, auch solche Details zu notieren. Das faire Kampfsystem lässt zudem selbst vom Würfelpech verfolgten Leuten wie mir eine gute Chance, aus körperlichen Konflikten mit einem halbwegs lebendigen Helden hervorzugehen.

Der einzige deutlich Wermutstropfen der Gesamtgestaltung besteht für mich darin, dass die Charaktere generell relativ klischeehaft ausfallen. Zwar hat der Autor auf eine gewisse Diversität geachtet, dennoch wäre es schön gewesen, auf mehr überlebende weibliche Charaktere in Schlüsselpositionen zu treffen und nicht nur als Helfershelferinnen oder »Damsel in Distress«. Die gesamte Geschichte hätte sicherlich auch gut mit weiblichen Heldinnen funktioniert. Das ist vielleicht ein Gedanke, der es bei einem neuen Spielbuch wert wäre zu verfolgen.

Aber auch in der vorliegenden Ausgestaltung funktioniert die Story sehr gut, selbst nach zwei vollständigen Durchläufen bleibt die Lust auf mehr vorhanden – immerhin fehlen mir noch ein paar der Stationen auf der Liste! Für erfahrene Spielbuch-Veteranen ist »Verax« eine tolle Abwechslung zu den sonstigen, sehr Fantasylastigen Publikationen auf dem Markt, aber auch Anfänger mit Lust auf gediegenen Sci-Fi-Horror dürften an diesem Buch sehr viel Spaß haben.

Fazit: Abwechslungsreicher, spannender Ritt durch eine SciFi-Horror-Geschichte in Spielbuch-Form. Neun von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails
Titel: Verax - Das Experiment
Autor: Jörg Benne
Buch/Verlagsdaten: Mantikore-Verlag, 19. September 2018, Taschenbuch, 672 Seiten, ISBN-13: 978-3961880089, 16,95€

Das Rezensionsexemplar wurde vom Mantikore-Verlag zur Verfügung gestellt - vielen Dank! 

Über Gloria H. Manderfeld

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