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Karneval der Rollenspielblogs

SW:ToR-Zeitsprung: Eine Community kommt ins Schleudern


Wer dieses Blog ein bisschen länger verfolgt hat, weiß, dass ich seit einigen Jahren aktiv Rollenspiel bei Star Wars: The old Republic betreibe. Für den aktuellen Karneval der Rollenspielblogs zum Thema "Zeitsprung", den ich in diesem Monat als Gastgeberin betreuen darf, mache ich mir einige Gedanken über einen umfangreichen Zeitsprung im Online-Rollenspiel, da ich vor nicht allzu langer Zeit einen solchen miterlebt habe.
Wenn viele Rollenspieler zusammen kommen, ist es nicht immer leicht, einen Konsenz über das Miteinander zu finden. Aber natürlich hilft es ungemein, sich an den von den Entwicklern vorgegebenen Storylines entlang zu hangeln, was die Ereignisse in der generellen Spielwelt angeht.
 
Das ging auch bei SW:ToR relativ lange gut, da viele der neu hinzugefügten Story-Elemente direkt an die Hauptstory anschlossen und sich meistens ohnehin auf einem Machtlevel bewegt haben, das für die meisten Charaktere ohnehin viel zu hoch waren. 
Der Alltag eines einfachen Soldaten, Schmugglers oder Müßiggängers wurde davon nicht nennenswert beeinflusst, da die Story wegen der Klassengeschichten auf sehr hochrangige Personen und galaxisweit bekannte Helden konzentriert hat - und die spielt man im allgemeinen RP maximal als NPC.

Problematisch wurde es allerdings mit dem Addon "Knights of the Fallen Empire", da die Storyline die gesamte Galaxis fünf Jahre in die Zukunft führte.  Die Informationen über die Ereignisse in den verstrichenen fünf Jahren waren ausgesprochen dürftig. Plötzlich hatte ein bis dahin unbekannter, sehr mächtiger Feind sowohl den Jedi- als auch den Sith-Orden mächtig auf die Füße getreten und sowohl das Imperium als auch die Republik unter seine Knute gezwungen. 
Der neue (alte) Imperator des Zakuul-Imperiums hatte samt seiner überlegenen Machtnutzer und Flotte mal eben alles auf den Kopf gestellt, die vorher mächtig von sich eingenommenen beiden Fraktionen waren plötzlich die Verlierer - und eine interfraktionäre Allianz nahm den Kampf gegen Imperator Valkorion und seine Unterstützer auf.

Die bis dahin maximal in kleineren Fragen uneins befindliche Rollenspiel-Community auf dem Server Vanjervalis Chain stand plötzlich vor der Frage, wie man mit diesem aufgezwungenen Zeitsprung umgehen sollte, ebenfalls mit den Konsequenzen, die der Galaxis daraus erwachsen waren. 
Relativ schnell war klar, dass die meisten Spieler bereit waren, die Zakuul-Invasion, die Storyline mit dem Fremdling, der Zerstörung der beiden Machtorden und die Unterwerfung von Imperium und Republik mit in ihr Rollenspiel aufzunehmen und sich damit auch weiterhin an die Vorgaben durch die Entwickler zu halten, wie es in den Jahren zuvor gehalten wurde. 

Weitaus schwieriger wurde es bei der Frage, wie man denn den Zeitsprung ausführen sollte: alle gleichzeitig fünf Jahre in die Zukunft springen? Sich Schritt für Schritt monats- oder jahresweise dem neuen "Jetzt"-Zeitpunkt annähern? Manche Spieler, sogar einige Gruppierungen, wollten gar keinen Zeitsprung vollführen und koppelten ihre aktiven Charaktere ganz von der galaktischen Grundsituation, aber auch dem Rollenspiel mit allen anderen ab. 
Die meisten entschieden sich indes für eine langsame Annäherung an die fünf Jahre, da der Aspekt der fortschreitenden Charakterentwicklung für die meisten am wichtigsten war. Das geht bei einem harten Schnitt natürlich maximal rückblickend und ist, wenn man gerne vom RP rings um sich beeinflusst seinen Char wachsen und scheitern lässt, keine schöne Lösung.

Rückblickend bin ich mir nicht sicher, ob die Entscheidung für einen langsamen Timewarp die Richtige war, die auch in meiner Gilde getroffen wurde: innerhalb eines realen Jahres spielten wir im Zeitraffer entscheidende Punkte gemeinsam durch und erlebten eine relativ dicht gepackte, actionreiche Zeit, bei der ich nach wie vor das Gefühl habe, dass ich dafür gerne mehr Zeit gehabt hätte, auch und gerade für ruhigere Zeiten zwischen der Action. 
Für andere Mitglieder blieb der Spaß am Timewarp leider auf der Strecke; sie kamen erst wieder ins Rollenspiel zurück, als wir tatsächlich den Endpunkt der Entwicklung erreicht und zur "Gegenwart" wieder aufgeschlossen hatten.

Für die Gildenmitglieder, die Leitungs-, Planungs- und Spielleiterfunktionen übernommen hatten, waren diese im Schnelldurchlauf absolvierten fünf IC-Jahre natürlich eine harte Belastung. Dauernd musste man sich über die Ereignisse während der einzelnen Jahres-Abschnitte Gedanken machen und ein paar neue Ideen einbringen sowie diese in Plots verpacken und dann ingame auch leiten. 
Unser Ansatz angesichts fehlender Informationen über die Gesamtentwicklung des Imperiums an sich war, dass die militärische Einheit, die wir im Rahmen einer Militärgilde bespielen, nach der Evakuierung auf einem Kampfschiff von ihrer durch Zakuul bombardierten Heimatwelt wegen eines Antriebsfehlers in unbekanntem Raum stranden sollte. Wir wollten nicht irgendein Gesamtszenario für das Schicksal des Imperiums entwerfen, nur um dann bei einem neuen Storyupdate von den Entwicklern eine komplett andere Situation präsentiert zu bekommen. Das Zauberwort hieß für uns also Vermeidung der schwammigen und unbekannten Bereiche der Story durch eine glaubhafte Alternative, die unsere Chars aus dem allgemeinen Geschehen herausnahm.

Die Soldaten verbrachten fast ein IC-Dreivierteljahr auf dem Kampfschiff und versuchten, den Antrieb und beschädigte Systeme wieder zu reparieren, bevor es ihnen gelang, im Orbit eines ebenfalls unerkundeten Planeten einzufliegen und dort zu landen. Blöderweise war es ein Wüstenplanet mit extrem lebensfeindlichem Klima, auf dem sie dann während der verbliebenen Zeit überleben mussten. 
Als ihnen endlich die Rückkehr in den imperialen Raum möglich war, hatte sich dort vieles verändert, die Charaktere wurden einer eingehenden Loyalitätsprüfung unterzogen und gliederten sich wieder in das neu erstarkende Imperium ein. 

Währenddessen war auch die Storyline um Zakuul und die rebellierende Allianz weitergegangen und sorgte dafür, dass der Imperator getötet und das Zakuul-Reich zerschlagen wurde. Ideal, um wieder back to business zu gehen, ohne das imperiale Flair zu vermissen - um fünf Jahre Erfahrung reicher.
Aber natürlich mussten diese fünf Jahre mit Events, kleinen Plots, Storywendungen und immer neuen Ereignissen gefüllt werden, immerhin befand man sich am Arsch der Galaxis im Nirgendwo. Für mich als eine der Gilden- und Spielleiterinnen war irgendwann auch der Punkt erreicht, an dem mich das ständige Szenario-Ausschmücken extrem angestrengt hat. Nicht zuletzt, da wir gut ein reales Jahr nur innerhalb einer fest umrissenen Gruppe ohne Kontakt mit anderen Charakteren unser Rollenspiel betrieben haben - wenn man fast jeden Abend einloggt, kann einem eine solche Zeit lang werden. 

Es fehlte an Reizen von Außen, Austausch mit Bekannten und Kampfgefährten, einfach auch Abwechslung abseits des gespielten Szenarios. Das war auch für andere Gilden und Projekte ein Problem, irgendwann ging allen Verantwortlichen sprichwörtlich die Luft aus, die Spieler waren gelangweilt oder suchten ihr Heil im Rollenspiel mit Twinks an weniger eingeschränkten Orten. Allgemein setzte nach dem anfänglichen Reiz des Neuen bei vielen Gruppierungen mit langsamem Timewarp der Mitspielerschwund ein, manche gaben komplett auf und vollzogen die fehlenden Monate und Jahre in einem Sprung. 

Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, die ganzen fünf Jahre voll durchzuspielen, auch wenn es gerade in den letzten zwei IC-Jahren anstrengender und mühsamer wurde - so schaut die Gilde, aber natürlich auch die militärische Einheit auf fünf Jahre sehr wechselvoller, aber auch mit interessanten Ereignissen angefüllter Geschichte zurück. Gerade die Spieler, die bis zum Ende durchgehend aktiv waren, sind gefühlt ein bisschen mehr zu einer Gemeinschaft ausserhalb des reinen Zusammen-Spielens gewachsen.
Nochmals möchte ich diese Art Zeitsprung nicht mitmachen müssen, nicht zuletzt, da mein Hauptcharakter dank des Zeitsprungs ein gutes Stück in eine Altersgruppe vorgerückt ist, die ich mir erst langsam und in Ruhe erspielen wollte und mir dadurch zwischendrin auch ein bisschen die gefühlte Verbindung zum Charakter deswegen abhanden kam.

Es war eine interessante Erfahrung, die gerade uns Spielleitern extrem viel Arbeit, Disziplin und Planung abverlangt hat. Inzwischen ist auch die gesamte Community in der Story-Gegenwart angekommen, aber so manches Projekt, so einige Gilde hat diesen Zeitsprung und die damit erzwungenen Konsequenzen an Entwicklung nicht überlebt - sehr schade drum, da SW:ToR gerade im Nachgang von Zakuul sehr viele motivierte und kreative Rollenspieler an andere MMORPGs mit stetigeren Updates und weniger harten Storybrüchen verloren hat. 
Auf jeden Fall war es spannend zu sehen, dass eine ganze Rollenspiel-Community eine solche Entwicklung durchaus mitmachen, organisieren und schaffen kann, obwohl extrem viele unterschiedliche Meinungen existieren und sich viele Spieler auch OOC nicht grün sind. Die Vernunft und der Willen, am Ende doch zumindest halbwegs eine brauchbare Spielbasis zu schaffen, konnten jedoch die Ressentiments überwinden.

Über Gloria H. Manderfeld

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